Wird Pickford zum EM-Helden?
An der englischen Reizfigur mit treuer Seele scheiden sich die Geister

Für sein Team ein Segen, für die Gegner bisweilen ein Ärgernis. Bei England-Goalie Jordan Pickford scheiden sich die Geister. Obwohl er nie für einen Top-Klub spielte, setzte er dem englischen Goalie-Problem ein Ende.
Publiziert: 14.07.2024 um 08:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2024 um 23:03 Uhr
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Pickford führt England mit seiner Penalty-Parade gegen Akanji in den Halbfinal.
Foto: keystone-sda.ch
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Carlo SteinerRedaktor Sport

Im Star-Ensemble der Three Lions flog einer stets ein wenig unter dem Radar: Goalie Jordan Pickford. Und genau dieser könnte jetzt zum grossen Helden der vielgescholtenen Millionen-Truppe werden. 

Hierzulande kennen ihn seit dem bitteren EM-Aus der Nati im Penaltyschiessen alle. Mit der Zeitverzögerung vor Akanjis Elfmeter, seinen Grimassen und dem gockelhaften Auftreten machte er sich in der Schweiz keine Freunde. SRF-Kommentator Sascha Ruefer bezeichnete ihn sogar als «einen der unfairsten Goalies», den er kenne. Doch der Erfolg gibt ihm recht: Drei von vier Penaltyschiessen gewannen die Engländer mit Pickford. Zuvor triumphierte England nur in einer von sieben Elfmeter-Entscheidungen.

Er kann auch fair

Doch der 30-Jährige ist weit mehr als nur ein nerviges Enfant terrible. Dass er auch Fair Play kann, bewies er zum Beispiel nach Shaqiris direkt getretenem Eckball. Der Ball prallte am Lattenkreuz ab, Pickford zollte Respekt, indem er dem Nati-Star zuzwinkerte und den Daumen in die Höhe streckte – nur die wenigsten hätten in der Verlängerung eines EM-Viertelfinals die Coolness für so eine Geste. 

Englischer Rekordtransfer

In den eigenen Reihen ist der Schlussmann mit seiner unbekümmerten Art ohnehin extrem beliebt. Bei Everton, für das er seit über sieben Jahren spielt, ist er der absolute Fanliebling. Pickford jubelt über Paraden mehr als andere über Tore, heizt die Fans ein, schreit seine Mitspieler an und kommandiert sie mit undefinierten Armbewegungen herum – wenn er spielt, sind Showeinlagen garantiert. 

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Neben dem Platz sorgt «Pickers» kaum für Schlagzeilen. «Dort ist Jordan viel ruhiger», sagt Everton-Mitspieler Tarkowski über ihn. Er ist eine treue Seele. Nur einmal wechselte er freiwillig den Verein: 2017 überwies der Traditionsklub aus Liverpool knapp 30 Millionen Euro an seinen Jugendverein Sunderland – bis heute ist er damit der teuerste englische Goalie aller Zeiten. 

Keine Patzer – nicht wie früher

Seit jeher schlug sein Herz für den Verein aus der nordenglischen Hafenstadt. Geboren und aufgewachsen in einem Vorort, durchlief er sämtliche Juniorenstufen in Sunderland. Bevor er 2016 in der Premier League debütierte, wurde er allerdings fünfmal zu unterklassigen Teams ausgeliehen – ein steiniger Weg nach oben, der sich ausbezahlt hat. 

Jahrzehnte lang konnte man sich auf Patzer der englischen Torhüter verlassen. Seit Gareth Southgate ihn erstmals aufgeboten und zur Nummer eins gemacht hat, ist damit Schluss. Kein Engländer bestritt mehr Endrunden-Spiele – sein 23. könnte am Sonntag die ganz grosse Krönung werden. 

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