Nati-Shooting Star Fabian Rieder träumt vor dem England-Clash gross
«Hoffentlich kann ich mich auf zwei, drei weitere Spiele freuen»

Fabian Rieder ist der Shooting-Star der Nati an der EM in Deutschland. Schaut man aber genauer hin, dürfen seine Glanzauftritte wie zuletzt gegen Italien nicht überraschen.
Publiziert: 03.07.2024 um 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2024 um 12:01 Uhr
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Im Fokus – und wie: Fabian Rieder im Dienstags-Training der Nati. Links Kwadwo Duah.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

Noch Mitte April ist Fabian Rieder sehr fatalistisch bezüglich EM-Kader. Seit Anfang April spielte er nach seinem Fussbruch vom Januar wieder. Zwei Wochen später sagt er: «Ich werde alles tun, um dabei zu sein. Und wenns nicht klappt – es kommen weitere grosse Turniere. Im Moment spielen andere mehr und performen in ihren Vereinen. Also sind die vor mir.»

Fatalistisch, frech und schon sehr reif. Das ist der Giel aus Koppigen BE für seine 22 Jahre. Viele Einsatzminuten kriegt er da nicht mehr bei Rennes. Immerhin schiesst er sein erstes Tor in der Ligue 1. Es ist doppelt historisch. Es ist (vorderhand) das Einzige, denn Rieder wechselt zum VfB Stuttgart. Und es war das Letzte in der ganzen Ligue-1-Saison: in der 95. Minute bei Stade Reims zum 1:2-Ehrentor.

Ein Fussbruch zur richtigen Zeit?

Aber Rieder wird von Murat Yakin gleichwohl berufen («Ich war bis zum letzten Moment nicht sicher, dass sich es schaffen werde»). Und wenn der sich mal reingebissen hat, dann lässt er nicht mehr los. Einem Kojoten gleich lässt und lässt er nicht nach. Wird in den Trainings immer besser. «Ich finde, ich habe vom ersten Tag an Topleistungen gezeigt. Das habe ich dem Trainerteam demonstriert.» Am Ende schafft er den Cut und ist in Deutschland dabei. Und auch da: Crescendo! Vier Minuten gegen Ungarn. 15 Minuten gegen Schottland. Startelf und 65 Minuten gegen Deutschland. Startelf und 71 Minuten gegen Italien!

Alles irgendwie eine Laune des Schicksals? Keineswegs! Zum einen beisst sich Rieder, wie geschildert, fest. Zum Zweiten kennt er keine Berührungsängste. Auch nicht verbale. So sagt er vor dem Italien-Spiel den fast schon legendären Satz, man dürfe Italien nicht unterschätzen. Und zum Dritten kommt ihm der Fussbruch, so paradox das nun klingen mag, zugute. Denn vor diesem hatte er kaum je Ferien gehabt. «Nach der WM 2022 waren es sieben Tage und im Sommer nochmals sieben Tage. Das war alles.» Diesmal sind es keine Ferien, aber ein Wiederaufbau nach der Operation. «Und ein Durchatmen nach dem ganzen Stress der letzten zwei Jahre quasi ohne einmal richtig abschalten zu können.»

«Etwas frech muss man ja sein …»

Sein Marktwert auf dem Orakelportal «Transfermarkt» ist seit dem Wechsel zu Rennes von 15 auf acht Millionen runtergegangen. Was per se ein Witz ist. Bei der nächsten Evaluation müsste er nach dieser Wahnsinnsleistung gegen den Titelverteidiger eigentlich gegen die dreissig Millionen gehen.

«Das war eines meiner schönsten Spiele, auch emotional und vom Ambiente her. Und ja, Ball flach halten: Italien ist natürlich eine der grössten Nationen. Die halt vielleicht einen schlechteren Tag eingezogen hat. Aber wir haben es auch richtig gut gemacht.» Und dann erwischt er den grossen Donnarumma fast mit einem Freistoss, denn der PSG-Goalie eben so an den Pfosten lenken kann. «Ich habe bei Rennes zwei, drei Freistoss-Tore gemacht, von daher wusste ich, dass es gut kommen würde. So habe ich es probiert. Es schadet nie, etwas zu probieren. Etwas frech muss man ja sein.» Und noch was zum Thema Mundwerk: Als er nach dem Italien-Match gefragt wird, wie er das Spiel England gegen die Slowakei anschaue, sagt er: «Als Zuschauer. Natürlich …» Kleine Spitze des Jungen. Spitze!

Ganz bestimmt auch ein Grund für diese Leistung: Der Boost, dass er in seine Lieblings-Liga wechselt. Als die Bundesliga zentrales Gesprächsthema wird, sieht man Fabians Augen leuchten! Das Gesamtpaket «Nati. Euro. Cut geschafft. Einsätze in allen Spielen. Startelf Deutschland. Auch Italien und da überragend. Dazwischen die Unterschrift beim VfB. Alles in Deutschland» Das ist emotional kaum zu schaffen. «Das ist natürlich ein Riesenpush! Ich kann gar nicht beschreiben, wie fest ich mich freue, dort spielen zu können. Die Bundesliga war ja immer mein Traum. Ich will deshalb während der EM auch nicht allzu viele Gedanken darauf verschwenden.»

«Wir sind ja auch ein bisschen am Träumen»

Seinen Wechsel zu Rennes bezeichnet er aber deswegen dennoch nicht als Fehlentscheid. «Die Saison in Rennes war schwierig, aber deswegen nicht schlecht, ich habe Dreck gefressen und viel gelernt. Manchmal kann man aus schwierigen Momenten mehr ziehen, als wenn es immer super läuft. Nun hat man an diesem Turnier gesehen, dass ich in Rennes unheimlich Fortschritte gemacht habe.»

Es sprudelt einfach. Typisch Fäbu, eben. Lebenslustig, positiv, offen, intelligent. «Ich kann nicht beschreiben, wie sehr ich mich auf den VfB freue. Aber jetzt freue mich auf England. Wenn wir die Leistung aus dem Italien-Spiel wieder auf den Platz bringen, wird es für keinen Gegner einfach. Klar ist: England hat mit 1,5 Milliarden Marktwert sicher ein paar gute Spieler in seinen Reihen. Und dann kann ich mich – wir sind ja auch ein bisschen am Träumen – hoffentlich auf zwei, drei weitere Spiele freuen …»

Wenn Rieder diese EM damit meint: Da würden danach bloss noch zwei kommen.

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