«Wir haben alle einen grossen Kater. Wir müssen jetzt über alles nachdenken», sagt Frank de Boer nach dem bitteren Oranje-Aus im EM-Achtelfinal gegen Tschechien (0:2).
Wie lange der Bondscoach noch nachdenken kann, ist allerdings fraglich. Denn in Holland wird sein Kopf gefordert.
Dabei siehts noch nach der Gruppenphase blendend aus für Oranje. Als Gruppenerster mit der besten Offensive (8 Tore) zieht man in die Achtelfinals ein, hat mit Tschechien einen vermeintlich schlagbaren Gegner.
«Das Ende von De Boer»
Und dies alles, nachdem von der Mannschaft um Captain Georginio Wijnaldum (30) eigentlich gar nichts erwartet wurde. In Abwesenheit von Virgil van Dijk (29) erhielt Oranje vor dem Turnier praktisch keinen Kredit. Auch die Torhüter-Frage – der Trainer nominierte zwei eher betagte Goalies – stellte De Boer in kein gutes Licht. Und dennoch waren die Hoffnungen gross, trotz allen Widrigkeiten in den Viertelfinal einzuziehen.
Plötzlich – unter anderem nach einer Roten Karte wegen eines Notbremse-Hands von Matthijs de Ligt (21) – ist aber alles zu Ende. Und der «Telegraaf» schreibt: «Das ist auch das Ende der Geschichte von Frank de Boer.» Die Kritik ist vernichtend.
«Höchstpreis für De Boers Dummheiten»
Hauptpunkt: das System. De Boer stellt auf ein 3-5-2 um und bricht mit der holländischen 4-3-3-Tradition. «Oranje bezahlt den Höchstpreis für die Dummheiten von De Boer», heissts deshalb in Holland. Die Mannschaft habe alle während drei Wochen geblendet, sogar sich selber. Nicht aber die hartnäckigen Tschechen. «Der Gegner hatte das Niveau des FC Groningen und hat De Boer, sein desaströses System und alle Stars von Barcelona, Liverpool, Juventus, PSG und Ajax entlarvt.»
De Boer: «Man sollte jetzt keine Entscheidungen treffen. Ich werde diese bittere Pille schlucken.» Klar scheint in Holland: Der Coach muss weg. Bereits wird im «Telegraaf» über Ajax-Trainer Erik ten Hag (51) als Nachfolger spekuliert: «De Boer macht richtig Lust auf Ten Hag!»
«Schwer zu verkraften»
Wijnaldum, der übrigens während den 96 Minuten gerade mal zehn Pässe an den Mann bringt (Negativrekord seit mindestens 41 Jahren!), sagt zum EM-Aus: «Das tut sehr weh, es ist schwer zu verkraften. Wir hatten einen gebrauchten Tag. Nach der Roten Karte waren wir recht machtlos. Es ist ein sehr komisches Gefühl, weil ich den Eindruck hatte, dass wir im Turnier gewachsen sind.»
Rotsünder Matthijs de Ligt: «Das fühlt sich schrecklich an, natürlich. Denn wir haben am Ende nur wegen dem verloren, was ich getan habe. Wir hatten das Spiel bis dahin unter Kontrolle, denke ich. Doch dann die Rote Karte ... Das hat den Unterschied gemacht.»
«Wofür denn bitte?»
Ex-Nationalspieler Nigel de Jong (36) erklärt derweil als TV-Experte: «Das war wirklich eine armselige Vorstellung. Es hat an allem gefehlt – Mentalität, Aggression, Führungsqualitäten. Nach der Roten Karten war der Glaube weg, das Spiel gewinnen zu können. Wir hatten auch niemand, der vorangeht.»
De Jong weiter: «Nach dem Platzverweis hätte De Boer umstellen sollen. Aber er ist weiter bei fünf Verteidigern geblieben. Wofür denn bitte? Für mich sah es so aus, als wollte er so lange wie möglich das 0:0 halten. Er hat es auch nicht geschafft, der Mannschaft den Glauben an sich selbst zu vermitteln. Er sollte am Montag besser nicht in die Zeitung schauen…»