Ist das schon die Szene der EM? Über die Bilder, wie Breel Embolo (27) in der Nachspielzeit des Auftaktspiels gegen Ungarn seinen Kompressionsstulpen verliert, während er aufs gegnerische Tor stürmt, lacht ganz Europa. Und staunt gleichzeitig, weil viele andere Spieler sich davon hätten irritieren lassen – Embolo aber schliesst die Szene unbeeindruckt mit einem feinen Lupfer zum 3:1 ab.
Vielleicht taugen die paar Sekunden auch zum Spiegelbild der vergangenen Jahre in Embolos Karriere. Da lagen etliche Stolpersteine, selbstverschuldet oder unverschuldet, die ihn sportlich hätten ins Wanken bringen können: Er versteckte sich an einer illegalen Corona-Party in der Badewanne vor der Polizei. Dann wurde in Monaco sein Lamborghini von einem Falschfahrer geschrottet. Letztes Jahr verurteilte ein Basler Gericht Embolo wegen Drohung. Vor drei Monaten tauchte er am Rande eines Prozesses gegen einen ehemaligen Hells Angel auf, weil er sich von diesem gefälschte Covid-Zertifikate besorgen liess.
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Und dann die Verletzungen: In seiner zehnjährigen Profikarriere verpasste Embolo schon rund 200 Pflichtspiele. In der abgelaufenen Saison kam er wegen eines Kreuzbandrisses nur auf 180 Ligaminuten für Monaco, ehe ein Muskelfaserriss ihn erneut ausbremste.
Yakin hebt Embolo in den Adelsstand
Kein einziger Rückschlag, nicht Kompressionsstulpen, Richter oder die Verletzungshexe, konnte den Fussballer Breel Embolo stoppen. Spätestens seit seinem Traum-Comeback in der Nati gegen Ungarn, nach 557 Tagen Länderspielpause, dürfte allen wieder klar sein: Embolo ist mit Abstand der beste Schweizer Stürmer. Das Embolo-Phänomen!
Dafür, dass er seine Klasse immer noch unter Beweis stellen darf, braucht er seit jeher Unterstützer. Murat Yakin (49), wie Embolo aus Basel und aus einfachen Verhältnissen stammend, ist einer davon. Vielmehr hebt er Embolo in den Adelsstand, als noch unklar ist, ob dieser an der EM überhaupt eingreifen kann. «Er ist unverzichtbar. Wir haben sonst keinen Stossstürmer wie Breel, wir können ihn nicht klonen», sagte Yakin – ein Ritterschlag für Embolo und gleichzeitig eine Ohrfeige für den ähnlich talentierten Noah Okafor.
Das Versprechen von Embolos Mutter
Schon als Bub hatte Embolo Personen um sich, die mit ihm umgingen wie Murat Yakin: Sie hielten zu ihm, auch wenn er sich daneben benahm. Die Erzählungen über seine Eskapaden als Neunjähriger bei seinem ersten Klub FC Nordstern in Basel gehen weit. Bis dahin, dass er einmal die Hosen runtergezogen und seinen Allerwertesten präsentiert haben soll. «Sein Verhalten war ein Problem», sagte Ende 2022 beim Blick-Besuch im Stadion Rankhof sein erster Förderer Helmut Hornung. «Zwei Trainer wollten ihn rauswerfen. Ich war damals Juniorenobmann und sprach ein Machtwort: Solang ich bei Nordstern etwas zu sagen habe, bleibt der Junge hier!» Warum, lag auf der Hand: «Er wollte immer den Ball. Technisch, körperlich und mit seiner Schnelligkeit war er besser als alle. Seine Mutter versicherte mir, dass sich Breels Verhalten bessern werde. So kam es dann auch.»
Wie vor knapp 20 Jahren Hornung will auch Yakin nicht auf Embolos sportliche Vorzüge verzichten. Verständlich, denn sie versprechen jedem Trainer Erfolg. Ein Versprechen, das Embolo an der EM bereits bei erstbester Gelegenheit einlöste. Dass es schon gegen Ungarn für einen Teileinsatz mit Torerfolg reichte, kam nach der Muskelfaserriss-Diagnose vor einem Monat überraschend – und war gemäss Assistenzcoach Giorgio Contini (50) vor allem der Verdienst des Spielers: «Der EM ordnete er alles unter. Breel hat schon vor dem Pre-Camp in St. Gallen mit allen möglichen Therapien und Extraschichten angefangen.»
Das Lob von Granit Xhaka
Trotz Traum-Comeback: In der Startelf wird Embolo am Mittwoch gegen Schottland wohl (noch) nicht stehen. Weil Yakin mit Kwadwo Duah (27) einen tauglichen Ersatz aus dem Hut gezaubert hat. Und weil der Auftritt der Nati und jener von Embolo die Prognose zulassen: Die Spiele gegen Mannschaften, in denen es im Sturm nur mit Embolo geht, werden folgen.
Captain Granit Xhaka (31) meinte über Embolo: «Breel ist einfach ein Goldjunge. Auf und neben dem Platz!» Mitspieler, Trainer und Fans werden zustimmen.