EM-Boss Kallen gibt Einblicke ins Turnier
«Deutsche Polizisten haben während der Euro Ferienverbot»

Martin Kallen ist das Mastermind der Euro. Er ist nun zum sechsten Mal für die EM verantwortlich. Und das ist der drittgrösste Sportevent der Welt! Nervosität beim Berner Oberländer? Keine Spur.
Publiziert: 12.06.2024 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2024 um 07:56 Uhr
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Auch Uefa-CEO Martin Kallen hält den Ball nicht immer flach.
Foto: Jean-Guy Python
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Alain KunzReporter Fussball

Nach Olympischen Spielen ist das Schlussfazit immer «Best Games Ever». Nach der problembeladenen Euro 2021 erwartet man das nun auch für die EM in Deutschland – und zwar ernsthaft. Sie auch?
Martin Kallen: Meine deutschen Kollegen haben klar dieses Ziel. Mal schauen. Wir hoffen vor allem, eine für die Fans gute und sportlich spannende Euro auf die Beine zu stellen.

Dies ist Ihre sechste Endrunde als Boss. Jedes Mal deuten Sie an, es könnte die Letzte sein. Wie schauts diesmal aus?
Ich bin immer noch nicht pensioniert …

Und in vier Jahren heisst es ja: «Football’s coming home» mit der britischen Euro. Da würde sich ein Kreis schliessen.
Genau. Da hat alles angefangen für mich, auch wenn ich 1996 noch nicht verantwortlich war. Also sollte ich diese Euro schon noch machen.

Kommts zum Sommermärchen 2.0, wie das die Deutschen denken?
Ich bin überzeugt davon. Aber das hängt wesentlich von der deutschen Mannschaft ab, die ja zuletzt wieder besser unterwegs war. Wenn die einigermassen gut spielt und das Wetter mitmacht, kommts zum Sommermärchen.

In Deutschland ist letzthin eine Umfrage publiziert worden mit der Frage, ob die Deutschen zuversichtlich in die Zukunft schauen. Nur noch die Hälfte derer, die 2021 Ja sagten, sagten auch 2024 Ja. Ist da die Erwartung an den Fussball nicht überhöht, einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen zu können?
Vielleicht schon. Aber die Emotionen, welche solch ein Anlass mit sich bringt, sind sehr wichtig für ein Ausrichterland. Und gerade in der Situation, in welcher sich Deutschland befindet, wird das einen Schub geben, wenn das mit der EM gut kommt.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hat letzte Woche von einer «angespannten Sicherheitslage» gesprochen. Ist die Sicherheit derzeit ihr Hauptproblem?
Wir sind von unserer Seite her sicherheitsmässig gut vorbereitet. Was private Sicherheit anbelangt, haben wir gute Vorarbeit geleistet. Bei der öffentlichen Sicherheit mit Staat und Polizei muss man sicher ein Auge darauf werfen. Aber sowohl die deutsche Regierung als auch die Länder sind gut vorbereitet.

Wie viele Leute werden da im Einsatz stehen?
Das kann ich nicht sagen. In Deutschland hats viele Polizisten … Aber auch an einer normalen Tagung ist schnell mal viel Polizei im Einsatz. Sicher ist: Es gibt ein Ferienverbot für deutsche Polizisten während der Euro.

Es gibt erstmals für eine Euro ein zentrales Polizeilage-Zentrum, wo alle Fäden zusammenlaufen. Was erhoffen Sie sich davon?
Das hat es bei Olympischen Spielen in der Vergangenheit auch schon gegeben. In den deutschen Bundesländern ist das wie mit den Kantonen bei uns. Da ist es wichtig, gut miteinander und mit Berlin vernetzt zu sein, damit alles koordiniert abläuft.

Die Grenzen werden zu sein?
Insofern, als es wieder Grenzkontrollen auf dem Strassenweg und an den Flughäfen geben wird.

Mit den Tickets für das Spiel Schweiz gegen Schottland wird auf gewaltbereite schottische Fans hingewiesen. Und wir dachten alle, das seien die anständigsten Fans der Welt …
Das passiert standardmässig. Es hat überall C-Fans dabei, also Ultras mit einem gewissen Gewaltpotenzial. Auch bei den Schweizer Fans. Die Schotten kommen mit ihren Dudelsäcken und in grosser Zahl. Die werden echt gute Stimmung machen. Ohnehin ist das Problem mit Fans von Nationalmannschaften weniger gross als mit jenen von Klubs.

Martin Kallen persönlich

Martin Kallen (60) ist seit 2015 CEO Uefa Events SA. Und so auch Turnierdirektor der Europameisterschaft. Die Euro 2024 wird die sechste Europameisterschaft sein, die er auf die Beine stellt. Die Erste, jene in Portugal 2004, musste er in 22 Monaten aus dem Boden stampfen. Er kommt aus Frutigen BE, ist gelernter Betriebsdisponent und studierte später Betriebsökonomie. Er arbeitet seit 1994 für die Uefa. Die Stelle als Marketingassistent kriegte er mehr aus Zufall, als er sich auf ein Inserat in der NZZ bewarb. Kallen ist Fan von YB, unterstützt als Berner Oberländer aber auch den FC Thun. Er kickte bis 17 beim FC Frutigen als Verteidiger, manchmal auch als Libero, und geht regelmässig joggen.

Martin Kallen (60) ist seit 2015 CEO Uefa Events SA. Und so auch Turnierdirektor der Europameisterschaft. Die Euro 2024 wird die sechste Europameisterschaft sein, die er auf die Beine stellt. Die Erste, jene in Portugal 2004, musste er in 22 Monaten aus dem Boden stampfen. Er kommt aus Frutigen BE, ist gelernter Betriebsdisponent und studierte später Betriebsökonomie. Er arbeitet seit 1994 für die Uefa. Die Stelle als Marketingassistent kriegte er mehr aus Zufall, als er sich auf ein Inserat in der NZZ bewarb. Kallen ist Fan von YB, unterstützt als Berner Oberländer aber auch den FC Thun. Er kickte bis 17 beim FC Frutigen als Verteidiger, manchmal auch als Libero, und geht regelmässig joggen.

Thema Tickets: Man hat gelesen, dass dreissig Millionen nachgefragt wurden.
Wir hatten über hundert Millionen Anfragen. Aber da sind dann alle Computerbots mit eingerechnet, die versucht haben, an Tickets für den Schwarzmarkt zu kommen. Oder viele Leute, die einfach mal nachgefragt und dann nicht bezahlt haben. Es waren weit über zwanzig Millionen seriöse Anfragen.

Hat der gemeine Fussballfan noch eine Chance, an normale Tickets zu kommen? Auch auf der Resale-Plattform findet man nichts mehr.
Es kommen immer wieder ein paar Billette drauf, aber die werden über die Warteliste verkauft. Erst wieder ab den Achtelfinals gibt es neue Tickets für die Fans der Teams, die sich dann qualifiziert haben werden.

Also ist der Ticketverkauf für die Vorrunde endgültig gelaufen?
Praktisch. Wenn es noch Einzelne hat, die nicht über die Warteliste verkauft werden, kommen sie auf die Plattform. Aber grundsätzlich sind wir bei null angekommen.

Wie gross ist die Gefahr gefälschter Tickets?
Mit unserem neuen System, dass es überhaupt keine Papiertickets mehr gibt, sollte das kein Problem sein.

Da werden die Sammler von Tickets enttäuscht sein …
Wir hatten da ein Lizenzprodukt, aber das ist nicht eingeführt worden. Grundsätzlich kann man keine Souvenirtickets mehr kaufen. Man kann nicht modern werden und dann alles doch wieder altmodisch machen.

Die Uefa musste bereits einschreiten, um Tickets gewisser Anbieter unbrauchbar zu machen.
Es waren viele Roboter im Spiel, um Tickets zu erwerben. Das können wir nun einfacher aufspüren und den Schwarzmarkt entsprechend unterbinden. Zudem können wir Leute, denen aus Sicherheitsgründen der Zugang untersagt ist, nach Abgleichung mit den Daten der Polizei im Vorfeld informieren, dass sie nicht ins Stadion dürfen. Da hat man viel mehr Möglichkeiten als früher mit den Papiertickets.

Was unternehmen sie gegen Tickethändler wie Viagogo oder auch Plattformen wie Ebay?
Wir versuchen zu unterbinden, dass Tickets dort in den Verkauf kommen. Aber wir konnten nicht auf alle Computerbots Zugriff haben. Wir gehen gegen die Reseller vor, soweit das rechtlich zulässig ist. Aber zu hundert Prozent kann man das nicht verhindern.

Was passiert mit einem Ticket, das jemand über solch eine Plattform erworben hat?
Wenn wir davon Kenntnis haben, können wir diese Tickets ungültig machen. Wir haben auch vor dem Champions-League-Final Tickets gesperrt, die über Wiederverkäufer gekauft worden waren.

Das heisst, dieser Platz im Stadion bleibt leer.
Er kann leer bleiben oder regulär wiederverkauft werden. Das kommt auf das Stadion drauf an, in welchem das passiert.

Die Deutschen sind bekannt als gute Organisatoren. Ist diese EM die für Sie am wenigsten arbeitsintensivste?
Der grosse Vorteil hier war, dass keine neuen Stadien gebaut werden mussten. Der öffentliche Transport ist gut aufgestellt, es braucht keine neuen Metro-, Bus- oder Tramlinien. Die Kapazitäten sind gut, auch jene der Autostrassen. Da gabs viel weniger zu tun als zum Beispiel in Polen und der Ukraine. Aber für viele Arbeiten ist der Zeitaufwand in allen Ländern gleich gross.

Geben Sie der Deutschen Bahn einen Schweizer Nachhilfekurs in Sachen Pünktlichkeit?
Das wäre gut … Die Deutsche Bahn wird nicht vor 2030 aus ihren Problemen mit der Unpünktlichkeit herauskommen, weil sie grosse Defizite in Sachen Qualität des Streckennetzes hat. Wenn es zu wenig Züge hat und diese zu wenig schnell sind, gibts automatisch Verspätungen. Das wird auch während der Euro so sein.

Bahnfahren wird mit den 36-Stunden-Slot-Tickets attraktiv werden.
Ja. Das hatten wir auch schon an der EM 2008 in Österreich und der Schweiz. Damals waren diese sogar für das ganze jeweilige Land gültig. Jetzt kann man lokal-regional mit einem EM-Ticket 36 Stunden gratis fahren. Und für 29,90 Euro eine Fahrt innerhalb von ganz Deutschland machen. Also zum Beispiel von Hamburg nach München.

Ist das Preisgeld gegenüber vor drei Jahren erneut gestiegen? Damals betrug es 331 Millionen Franken.
Es ist leicht erhöht worden und beträgt nun rund 370 Millionen.

Wie hoch ist das Budget?
1,1 Milliarden Franken.

Die Einnahmen betragen aber 2,4 Milliarden!
Das ist korrekt. Und das ist Rekord. Aber da sind dann auch Programme wie Hattrick und so weiter mit eingerechnet. Das Turnier plus Preisgelder kostet 1,1 Milliarden.

Was trauen Sie der Schweiz zu?
Die Achtelfinals. Das ist machbar. Platz eins in der Gruppe ist an Deutschland vergeben, denke ich. Aber wir holen Platz zwei oder drei. Danach braucht es ganz viel Glück.

Werden Sie als Fan in den Stadien sein?
Wenn die Schweiz spielt: Ja. Dafür bin ich ja Schweizer!

Sammeln Sie auch Panini-Bildli? Ääh Topps?
Nein, schon lange nicht mehr. Ich war ein mittelmässiger Sammler. Nun bin ich dafür zu alt …

Wie zufrieden sind Sie mit ihrem neuen Partner?
Mit Topps und Panini sind zwei Produkte auf dem Markt. Früher war es mit Panini nur eines. Aber Panini gibts nach wie vor, zum Beispiel in Deutschland, wo es im Gegensatz zur Schweiz beide Anbieter gibt. Dass wir nicht alle Verbände bei uns und Topps, dem offiziellen Produkt, haben, ist unglücklich.

Also hat Panini die Rechte an jenen Verbänden und Spielern, die nicht im Topps-Heft sind.
Genauso ist es. Bei uns fehlen die offiziellen Fotos von Deutschland, Frankreich und England. Das haben wir nicht hingekriegt. Das muss in vier Jahren anders sein.

Und den Finger ein bisschen mehr auf den Inhalt zu halten, wäre auch wünschenswert. Gewisse Spieler sind dreimal drin.
Einverstanden. Es ist aber ein Lizenzprodukt. Wir werden das aber genau analysieren.

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