Die Verlobte von Ex-FCZ-Profi Scheepers vor dem Obergerichts-Prozess
«Willy hatte zuvor keinen fairen Prozess!»

Der Fall Willy Scheepers ist in der nächsten Runde. Der in erster Instanz wegen Drogenhandels zu 8 1/4 Jahren Haft verurteilte ehemalige FCZ-Profi will vor Obergericht seine Unschuld beweisen. Das Urteil steht noch aus.
Publiziert: 04.06.2024 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2024 um 10:28 Uhr
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Willy Scheepers nach dem erstinstanzlichen Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich.
Foto: Beat Michel

Scheepers oder Scheepers? Sch oder S-ch? Es ist die Einstiegsfrage von Oberrichter Beat Gut, der im Berufungsprozess des ehemaligen FCZ-Profis Willy Scheepers (63) gegen das erstinstanzliche Urteil den Vorsitz hat. Doch bald nach der durchaus ehrenhaften Frage nach der korrekten Aussprache folgt die ein bisschen wichtigere: schuldig oder nicht?

Seinen Standpunkt hat der Holländer gegenüber Blick schon beim Besuch im Gefängnis Winterthur klargemacht: unschuldig in Bezug auf Drogenhandel. Dafür und für Geldwäscherei war er vom Bezirksgericht Zürich am 5. Juli 2022 zu achteinviertel Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seit dem 4. Juli 2020 sitzt er in Haft. Aktuell in Sicherheitshaft. Fluchtgefahr.

Scheepers ist minutiös vorbereitet

Weshalb er von einer Polizistin und einem Polizisten in den grossen Gerichtssaal geführt wird. In der ersten Reihe sitzen seine Verlobte und ihre Tochter. Er wirkt gefasst, ist aber nervös. Seine Hand zittert. Wie es ihm gehe, fragt Richter Gut. «Durch den Profi-Fussball baut man eine gewisse Widerstandsfähigkeit auf. Sie sehen ja selber, wie es mir mit 63 Jahren geht. Mit Ausnahme der fehlenden Freiheit …» Ob er je Drogen konsumiert habe, fragt Gut? «Nein, nie.»

Scheepers’ Stimme ist fest. Er liefert auf alle Fragen von Gut klare, meist sehr präzise Antworten. Genau das, was er gegenüber Blick im April angekündigt hatte: «Ich will minutiös vorbereitet sein, auf alle Fragen Antworten haben. Ich bin im Gefängnis fast zum Juristen geworden.»

Der Vergleich mit Murat Yakin

So auch, woher er die Rolex habe, die er ausgerechnet einem Klienten aus der Drogenszene verhökert habe. «Als Fussballer erhält man immer mal Geschenke. Von Sponsoren. Wenn man Ausserordentliches geleistet hat. Das sehen sie auch bei Murat Yakin.»

Vor allem aber versucht seine Anwältin Tanja Knodel aus ihrer Sicht haarsträubende Verfahrensmängel offenzulegen: In halb Europa seien zum Beispiel GPS- und Audiodateien als Beweismittel gesammelt worden, die unzulässig seien. «Kein Beamter eines Staates darf ohne Einwilligung Untersuchungshandlungen in einem fremden Staat vornehmen. Die Einwilligung wurde erst im Nachhinein eingeholt. Weshalb die Beweismittel zu vernichten seien.» Ebenso sei die Auslieferung von Scheepers aus Deutschland in die Schweiz formell nicht korrekt gewesen. «Und das haben die auch noch zu vertuschen versucht.» Ihre Konklusion: Solche Ermittlungsmissstände habe sie noch nie erlebt.

Scheepers legt ein Geständnis ab

Scheepers seinerseits legt ein Geständnis ab: «Ich bin Händler, handle mit Uhren und Gold – und ich habe Geld gewaschen. Aber ich habe mit Drogenhandel nichts zu tun!» Weshalb alle Drogenteile des Urteils vollumfänglich aufzuheben seien. Und für die 1431 Tage Haft soll Scheepers eine Entschädigung von 200 Franken pro Tag als Genugtuung erhalten. Macht unter dem Strich: 286'200 Franken.

Seine Verlobte, die aus Eindhoven mit ihrer Tochter angereist ist, versteht wenig von dem, was im Gerichtssaal vorgetragen wird, weil sie kein Deutsch spricht – aber sie hofft: «Bisher ist Willy nicht fair behandelt worden. So viele Verfahrensfehler! Das kann doch nicht sein.» Nun geht das Warten weiter, denn wenn alle die gerügten Mängel seriös untersucht werden wollen, kann es schon noch ein paar Tage dauern bis zum Urteil. «Auf die kommt es nun auch nicht mehr an. Wir haben vier Jahre gewartet. Das ist eine lange Zeit. Aber vor allem eine harte Zeit. Eine sehr harte Zeit!»

Dann gehts wohl noch vor Bundesgericht

Auch auch in Sachen Urteil bleibt Willy hart. Er will von der Möglichkeit einer schriftlichen Urteilseröffnung keinen Gebrauch machen. Die Richter sollen ihm in die Augen sehen müssen, wenn sie Recht sprechen. Doch weil bis Ende Juni alle Gerichtssäle des Obergerichts ausgebucht sind, muss zuerst mal ein Termin gefunden werden. Man darf füglich gespannt sein, ob die Richter bis dann all die im anwaltlichen Plädoyer vorgebrachten Rügen auch seriös untersucht werden, denn das braucht Zeit. Und diese haben die Herren Richter in Anbetracht der Auslastung der Gerichte eigentlich nicht. Wenn dann halt jemand unschuldig sitzt?Pech. Kollateralschaden des Systems. Jedenfalls hatte man im Laufe des Prozesses schon den klaren Eindruck, dass der erneute Schuldspruch eigentlich vorbereitet gewesen war. Anwältin Knodel hat nun Zweifel gesät. Und wenn der Schuldspruch bestätigt wird, was aus pragmatischen Gründen zu erwarten ist? Dann bleibt immer noch der Gang vors Bundesgericht, weshalb ein Obergericht da schnell mal fein raus ist. Wissend, dass das höchste Gericht nur in acht Prozent der Straffälle Urteile aufhebt ...

Die Zeiten waren hart

Und Scheepers will für den Fall eines erneuten Schuldspruchs von der Möglichkeit, vors Bundesgericht ziehen zu können, Gebrauch machen. «Er ist ein Fussballer. Und wenn man etwas in diesem Sport lernt, dann ist es mentale Stärke.» Und die nach dem Gefängnisbesuch bei Scheepers eine Woche nach dem Tod seiner Mutter offengebliebene Frage kann nun auch beantwortet werden (Blick vom 4. Mai): Ja, er konnte ihrer Beerdigung per Videoschaltung beiwohnen.

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