Wie eine träge gelb-schwarze Hummel
Das sind die Krisensymptome bei YB

YB hat in vier Tagen zwei empfindliche Niederlagen erlitten. Eine Analyse, was den jahrelangen Ruhepol des Schweizer Fussballs aus der Spur bringt.
Publiziert: 01.03.2024 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2024 um 17:31 Uhr
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YB am Boden. Der Champions-League-Klub scheitert beim Challenge-Ligisten.
Foto: keystone-sda.ch
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Simon StrimerReporter & Redaktor Sport

Leader in der Super League, Champions- League-Teilnehmer und europäisch überwintert. Dass bei YB aktuell über Krisensymptome diskutiert wird, liegt nicht am bisher Erreichten – sondern an der negativen Tendenz, die das Erreichte gefährdet.

Am Donnerstagabend ging ein Saisonziel definitiv den Bach runter: Der Champions-League-Klub wurde als Titelverteidiger im Cup-Viertelfinal vom Challenge-League-Klub Sion teilweise vorgeführt. Was stimmt nicht beim Doublegewinner, der nicht mehr Doublegewinner sein wird?

Schon wieder weniger Herz als der Gegner

Die Cup-Schmach von YB in Sion (1:2) ist die Fortsetzung des verlorenen Spitzenkampfs vier Tage zuvor gegen Servette (0:1). Episode zwei im Kräftemessen mit feurigen Romands. Episode zwei, in der YB wie eine träge gelb-schwarze Hummel über den Rasen brummt und von frecheren, umhersurrenden Stechmücken gestört wird.

Nicht, dass YB nicht will, aber die Entschlossenheit kommt nicht auf den Platz. Das sagt nach dem Cup-Out auch Trainer Raphael Wicky. Er bestätigt, dass die Walliser feuriger waren: «Ja, sie haben im Zentrum mehr Zweikämpfe gewonnen. Ich will der Mannschaft nicht vorwerfen, dass sie nicht genug läuft. Wir laufen. Aber diese Zweikämpfe müssen wir gewinnen.»

Nur einer, der sich lauthals dagegen stemmt

Obwohl Goalie David von Ballmoos (29) im Cup auf der Bank sitzt, ist er der energischste Berner. Er springt in seiner Winterjacke auf, um seinem Kollegen den Ball zuzuwerfen, das Spiel zu beschleunigen (37.). Er schimpft mit dem vierten Offiziellen nach einem nicht gepfiffenen Foul bei einem YB-Konter (45.). Und er kriegt Gelb, weil er in der Schlussphase wie ein Rohrspatz flucht und die Seitenlinie übertritt. 

Sollte man beides nicht tun, doch von Ballmoos bringt Energie rein. Nur: Auf dem Feld ziehen sie nicht mit. Zum Beispiel hat Stümer Silvere Ganvoula (27) ein ähnliches Profil wie die abgewanderte YB-Legende Jean-Pierre Nsame, doch er ist trotz Anschlusstreffer noch kein Antreiber für die entscheidenden Momente. Sinnbildlich: In der 91. Minute trifft der Kongolese aus kürzester Distanz nur die Latte.

Arrivierte Leistungsträger sind nicht (mehr) da

Neben Nsame gab YB im Winter auch Nati-Verteidiger Ulisses Garcia ab. Ob sich sein talentierter Ersatz Jaouen Hadjam (20) als zugezogener Franko-Algerier vorstellen konnte, was einen als Auswärtsteam bei einem Cup-Viertelfinal gegen Sion im Tourbillon erwartet? Und hat Hadjam in seinen bisher acht Einsätzen auch nur eine Flanke von der Qualität der Bälle von Garcia ins Zentrum gebracht?

Dazu hat YB Pech. Loris Benito (32) ist ein exzellenter Kommunikator und ein Sprachgenie, weshalb er im Team von unschätzbarem Wert ist. Zudem war er zuletzt derart stark, dass er wieder für die Nati aufgeboten worden war. Aber der Innenverteidiger erlitt Anfang Februar einen Kreuzbandriss und hinterlässt eine Lücke.

Das Wicky-Theater hat den März erreicht

Nun sind es noch gut drei Monate, bis der Vertrag von Trainer Wicky ausläuft. Und immer noch herrscht keine Klarheit. Es ist eine verzwickte Situation, die nicht nur YB kennt. Sondern zum Beispiel auch die Bayern mit Thomas Tuchel, bei dem nun klar ist, dass er zum Saisonende gehen muss. Wenn man mit einem Trainer nicht unbedingt weitermachen will, was soll man tun? Einen Entscheid fällen, dass per Ende Saison fertig ist und den Trainer damit als Lame Duck hinstellen? Oder Woche für Woche die Nachfragen über sich ergehen lassen müssen, wie der Stand ist?

YB hat sich für die zweite Variante entschieden. Nie etwas Konkretes sagen über die Situation um den Mann, der die Berner zum Meistertitel, Cup-Sieg und in die Champions League geführt hat. Die Gedankenspiele, ob es nicht besser wäre, vorzeitig Schluss zu machen, kommen allmählich an die Oberfläche. Unter die Ära David Wagner hat YB vor zwei Jahren am 7. März einen Strich gezogen. Allerdings war man damals auch nicht Leader.

Weitere Störfaktoren spielten zuletzt hinein: das Nachtreten von Meister-Held Nsame nach seinem Abgang oder das Goalie-Hickhack zum Jahresende, bis von Ballmoos als Nummer eins feststand. YB hat die Messlatte mit seiner jahrelangen Souveränität und Ruhe in luftige Höhen geschraubt – und steht nun vor der Herausforderung, nicht selber daran zu scheitern.

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