So kams zum Mall-Märchen im Cupfinal
«Wir wollten nicht, dass Lugano etwas mitbekommt»

Mit einem solch denkwürdigen Ausgang im Cupfinal hat nach 120 Minuten niemand gerechnet. Wie Servette-Goalie Mall zum Matchwinner wurde. Und was er dazu sagt.
Publiziert: 03.06.2024 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2024 um 08:02 Uhr
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Servette-Goalie Joël Mall (r.) wird im Cupfinal gegen Lugano in der 119. Minute für Jérémy Frick eingewechselt. Der Rest ist Geschichte.
Foto: Claudio de Capitani/freshfocus
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Sebastian WendelReporter Fussball

Den vielleicht bemerkenswerten Satz sagt Joël Mall irgendwann während seines Interview-Marathons: «Ganz sicher: Es wäre auch mit Jérémy gut gekommen!» Es ist sein Tag, sein Cupfinal, sein Sieg – und der 1,97 Meter grosse Servette-Held macht sich kleiner, als er in diesem Moment ist.

Joël Mall macht nach dem Schlusspfiff dort weiter, wo er im Spiel aufgehört hat: auf ganz hohem Niveau! Was war das für ein Cupfinal? Was für ein Penaltyschiessen? Was für ein Mall-Märchen? Mann, oh Mall – daran werden wir uns noch lange erinnern!

So hat sich Mall ready gemacht

119 Minuten lang passiert (fast) nichts im 99. Schweizer Cupfinal. Servette und Lugano neutralisieren sich. Da hat René Weiler eine Eingebung: Der Trainer der Genfer erinnert sich ans Europa-League-Out Mitte März im tschechischen Pilsen: Schon damals hatte er die Idee, fürs Penaltyschiessen die Goalies zu tauschen. Joël Mall für Jérémy Frick zu bringen. Aber er lässt es sein – Servette scheidet aus. Knapp drei Monate später lässt Weiler auf sein Gefühl Taten folgen. Und wechselt in der 119. Minute tatsächlich Mall ein.

Der Aargauer macht sich zuvor in den Katakomben des Wankdorfs warm. «Wir wollten nicht, dass Lugano etwas mitbekommt», wird Mall später sagen. Der Plan sei auch gewesen, den Gegner mental zu überraschen. Das hat definitiv geklappt – und wie!

Aber zuerst muss Mall dafür sorgen, dass Servette überhaupt ins Penaltyschiessen kommt. Mit einem wundersamen Hechtsprung verhindert er nach einem Aliseda-Weitschuss ein erstes Mal den Servette-K.o., dann pfeift Schiedsrichter Alessandro Dudic die Verlängerung ab.

Die vergebenen Lugano-Matchbälle

Dann wird Geschichte geschrieben. 24 Penaltys? Gabs noch nie in einem Cupfinal. Alle der knapp 30’000 Menschen im Stadion schauen sich mit grossen Augen an und denken: «So etwas habe ich noch nie erlebt!»

Dreimal steht Servette mit dem Rücken zur Wand. Dreimal muss Mall halten, sonst geht der Chübel zum zweiten Mal seit 2022 ins Tessin. Das erste Mal hilft ihm Lugano-Legende Jonathan Sabbatini mit einem Roberto-Baggio-Gedenk-Schuss.

Dann: Mall pariert ausgerechnet gegen die Nationalspieler Renato Steffen und Albian Hajdari, die am Montag nun mit hängenden Köpfen ins EM-Camp einrücken werden. Das nächste Kapitel im Mall-Märchen ist sein selber verwandelter Schuss. Und dann, es ist Penalty Nummer 24 (!), ahnt er gegen Lukas Mai die richtige Ecke und hält.

«Das war relativ ungeplant»
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Mall über seine Einwechslung:«Das war relativ ungeplant»

Mall: «Es war halbspontan»

Servette ist nach 23 Jahren wieder Cupsieger. Und Mall, der Held, sagt: «Am nervösesten war ich bei meinem eigenen Schuss. Der Rest war Intuition und Glück.» Wusste er im Voraus, dass er fürs Penaltyschiessen eingewechselt wurde? «Sagen wir so: Es war halbspontan. Ich hatte da so eine Ahnung. Aber klar ist: Hätte es nicht funktioniert, würden wir jetzt blöd dastehen.»

Das Schlusswort gehört Jérémy Frick. Der steht in der Interviewzone strahlend neben Mall und sagt: «Beim Wechsel habe ich ihm gesagt: Du gewinnst das für uns! Das Penaltyschiessen war Stress pur! Jetzt bin ich müde – und habe grossen Durst!» Na dann – Prost!

Dieses Tsunemoto-Handspiel bleibt unbestraft
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Heikle Szene in der 89. Minute:Dieses Tsunemoto-Handspiel bleibt unbestraft
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