Auf einen Blick
- Blick-Kolumnist Kubi gibt «seiner» AC Bellinzona gegen Lausanne im Cup gute Chancen
- Klubbesitzer Pablo Bentancur ist umstritten, aber auch Retter des Vereins
- Die ACB verlor diese Saison bereits sechs Punkte am grünen Tisch
Stadio Comunale, November 1970. Die ACB verliert das Derby gegen Lugano. Sagenhafte 17'000 Fans lassen das Stadion beinahe platzen. 16 Jahre später, Oktober 1986. Je nach Quelle 16'300 oder 17'000 Tifosi bejubeln den Erfolg gegen Lausanne. Im Mittelfeld zieht der viel zu früh verstorbene Mario Sergio (1950–2016) die Fäden, vorne bucht Paulo Cesar (65) alle vier Tore beim 4:1. Beide sind ehemalige brasilianische Nationalspieler.
2025 herrscht im Comunale Tristesse
Tempi passati. Gerade mal 784 kommen heute im Schnitt an die Spiele in der Tessiner Hauptstadt. Nur die quasi-zuschauerlosen Romands Stade-Lausanne-Ouchy und Stade Nyonnais haben noch weniger. Tristesse in der Sonnenstube. Blick-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz erstaunt das nicht. «Die Tifosi haben keine echte Connection mehr zum Klub. Das begann damit, dass der heutige Besitzer Pablo Bentancur schon früh sagte, er brauche niemanden, um dieses Ding durchzuziehen. Bellinzona ist wohl die Hauptstadt des Tessins, aber eigentlich ein sehr kleines Städtchen. Solche Aussagen vergisst man nicht so schnell.» Zudem hat der FC Lugano die Hauptstädter im Rennen um die Nummer eins im Kanton hoffnungslos abgehängt.
Klubbesitzer Bentancur ist das Problem
Und da sind wir bei einem Problem der ACB. Es heisst Bentancur. Der Peruaner ist ein mehr als streitbarer Zeitgenosse, der einst elf Monate im Gefängnis sass, weil er im Vollrausch eine Passantin überfuhr, die den Unfall nicht überlebte. Er ist wohl seit 2021 Besitzer des Klubs, darf aber als Spielervermittler keine offizielle Funktion innehaben. So sitzt er lediglich im Vorstand des Vereins, der aber bloss die Junioren unter sich hat. In der AG wird er von seinem Sohn Pablito als Generaldirektor (CEO) vertreten. Was den Klubbesitzer aber nicht daran hindert, Trainer nach Belieben auszutauschen. Zwölf haben sich seit Bentancurs Machtübernahme auf dem heissen Stuhl versucht. Derzeit tut das der Spanier Manuel Benavente – mit überragendem Erfolg. Er ist seit 511 Tagen im Amt, was absoluter Rekord ist.
«Bentancur aber nur zu verteufeln, wäre komplett falsch», wirft Türkyilmaz ein. «Ohne ihn würde der Klub vielleicht nicht mehr existieren und stünde wie 2013 womöglich vor dem Konkurs. Und ohne ihn wäre er 2022 auch nicht in die Challenge League aufgestiegen.» Dass Bentancur den Löwenanteil des rund zwei Millionen Franken betragenden Budgets einschiesst, zeigt ein Blick auf die Sponsorentafel der ACB auf der Homepage. Da sind aufgeführt: Ausrüster Acerbis, dessen Kerngeschäft Motocross-Bekleidung ist. Und der «Club die 100», die einzige Sponsorenvereinigung. Um in diesem elitären Zirkel zu sein, reichen 650 Franken pro Jahr. Ein Tribünen-Saisonabo gibts obendrauf. «Da kommen höchstens 70'000 bis 80'000 Franken zusammen», weiss Türkyilmaz.
Ein administratives Chaos mit Punktabzügen
Laut Türkyilmaz ist allerdings die Führung des Klubs ein grosses Problem. Symptomatisch, dass die ACB diese Saison schon sechs Punkte am grünen Tisch verloren hat. Drei wegen zu spät bezahlter Sozialleistungen. Trotz Ansetzung einer Nachzahlungsfrist durch die Liga. «Das ist ein reines Administrationsproblem», so Türkyilmaz, denn der Peruaner bezahle zum Beispiel die Löhne immer pünktlich. Die anderen drei Punkte verlor man wegen eines nicht lokal ausgebildeten Spielers zu viel auf dem Matchblatt beim 2:1-Sieg gegen Wil, der in eine 0:3-Forfaitniederlage umgewandelt wurde.
Dabei stand Bellinzona nach acht Runden und vier Siegen in Serie auf Platz vier. Doch seither gabs bloss noch vier weitere Siege in 15 Runden. «Die Motivation der Spieler ist mit den Forfait-Niederlagen flöten gegangen», denkt Türkyilmaz. Dabei habe das Kader beachtliche Qualität. «Das hat man beim 1:0 im Achtelfinal gegen St. Gallen gesehen, als die Tessiner den Superligisten Anfang Dezember aus dem Cup warfen.»
Hat Bellinzona das Potenzial zur Wiederholung eines solchen Coups gegen Lausanne? «An einem guten Tag kann die ACB auf ihrem sehr schlechten Platz ein Team wie die Waadtländer immer schlagen.» Die Spieler seien jedenfalls bis in die Haarspitzen motiviert, weil ihnen als Positivziel einzig der Cup bleibe.