Hajdari-Fall wirft Fragen auf
Der Rot-Unsinn, den niemand will

Der Marschbefehl gegen Luganos Albian Hajdari gegen Celje ist die x-te Ausgabe des Platzverweises, den weder jemand will, noch versteht. Warum also gibt es diesen Rot-Unsinn ein Jahr nach dem «Fall Görtler» immer noch?
Publiziert: 14.03.2025 um 23:32 Uhr
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Ein für den Fussballsport vernichtender Entscheid: Der lettische Schiedsrichter Andris Treimanis zeigt Albian Hajdari Rot.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

Das sind die Roten Karten, die niemand in der Fussballwelt will. Und doch werden sie mit schöner Regelmässigkeit gezückt: Ein Spieler spielt den Ball. Klar. Ohne den Ansatz einer anderen Absicht. Und dann stellt sein Gegenspieler das Bein dazwischen. Treffer! Lange nachdem der Ball gespielt wurde.

Meistens lässt der Schiri das laufen, weil er es intuitiv richtig gesehen hat. Nämlich, dass der Ball gespielt wurde. Der VAR aber hat nicht denselben Job wie der Schiedsrichter. Mittlerweile ist er zum Detektiv verkommen. Und schaltet sich ein. Am Ende entscheidet ein Standbild. Der Fall Abian Hajdari bei Lugano gegen Celje hat das exemplarisch entlarvt. Als eingeblendet wurde, dass eine Rote Karte überprüft wird, zeigte das Bild genau diese Szene. Sekundenlang. Eine bewusste Manipulation des Refs? Dieses Bild brennt sich jedenfalls ins Gehirn ein. Der Schiri wird nach dem Ruf vor den Bildschirm ein zweites Mal so stark konditioniert, dass man sich die nachfolgenden Bilder mit dem klaren Spielen des Balls fast sparen kann.

Es gibt dann den Platzverweis, den niemand will. Kein Spieler der Welt hat bislang Partei für diese Unsinnigkeit ergriffen. Kein Trainer. Und wenn sie ehrlich sind: nicht mal die Schiedsrichter! Doch die haben obrigkeitlich zu funktionieren. Sie kriegen von der Uefa ihre Befehle und haben diese umzusetzen. Es braucht Zivilcourage, sich vor den Schirm zu stellen und zu sagen: Nein, ich habe trotz allem Recht! Und nicht der VAR. Wie unlängst Urs Schnyder. Zu dieser Gehorsamsverweigerung muss man die Refs ermutigen.

Fähndrichs Fussballerherz weint

Exemplarisch für diesen Rot-Unsinn war da der sogenannte Fall Görtler im Januar 2024. Es war eine identische Rote Karte – mit dem einzigen Unterschied, dass Görtler den Ball ausserhalb des Strafraums spielte. Schiedsrichter Lukas Fähndrich geht es sich anschauen – und stellt den St. Galler vom Platz. Nicht frei von einem gewissen Widerwillen. Nach dem Spiel stellt er sich hin und hat die Courage zu sagen: «Mein Fussballerherz weinte in diesem Moment, weil ich ganz genau wusste, dass ich hier eine Rote Karte gebe, die mir eigentlich widerstrebt. Es ist eine Entscheidung, die ich nicht treffen wollte, die die Fussballwelt nicht versteht, und ich habe absolutes Verständnis, dass das nicht die Entscheidung ist, die man möchte. Aber ich habe gemäss Reglement gehandelt.» Hut ab für diese Ehrlichkeit! Noch besser wäre, wenn er die Entscheidung trifft, die er will.

Auf den Punkt brachte es auch Täter Görtler, der zum Opfer wurde, mit einer rhetorischen Frage: «Wenn niemand diesen Entscheid will, nicht Fussballer, nicht Fan, nicht einmal die Schiedsrichter selbst, warum fällen wir ihn dann?» Ja, warum eigentlich? Selbst das Killerkriterium der Schiedsrichtergilde, dass die Gesundheit der Spieler über allem stehe und quasi heilig sei, greift zu kurz. Denn mit der Teilnahme an einem Fussballspiel willigt der Spieler in die Generalklausel ein, wie es sie bei jedem Kontaktsport gibt. Nämlich, dass «normale» Zwischenfälle als Folge von Körperkontakt schlicht dazugehören. Sonst gäbe es Zivilklagen nach jedem schlimmeren Foul. Will man das wirklich verhindern, gibt es zwei Ansätze. Man hört auf, Fussballsport zu betreiben. Oder man betreibt ihn weiter, aber komplett kontaktlos. Wie beim Basketball.

Schiri-Boss Wermelinger kommentiert Szene nicht

Zurück zur Görtler-Frage: Warum gibt es diese Regel-Auslegung, die niemand will? Eine Anfrage bei der Uefa mit vier detaillierten Fragen ergab folgende Antwort: «Hajdari wurde eine Rote Karte wegen eines gravierenden Foulspiels gezeigt. Dem haben wir nichts hinzuzufügen.» 

Unser Spitzen-Schiedsrichter-Chef Dani Wermelinger kommentiert internationale Szenen wie üblich nicht. Er verweist lediglich auf die Haltung des SFV im Fall Decarli. Da hatte Schiri Anojen Kanagasingam nach einer Intervention von Saulo Decarli weiterlaufen lassen. Völlig zu Recht, denn der Hopper hatte klar den Ball gespielt. Wie nun Hajdari. Doch der VAR zitierte Kanagasingam an den Schirm – und der änderte seine Meinung. Wermelinger beurteilte die VAR-Intervention ebenso als falsch wie den Meinungsumschwung des Refs. Dass er in diesem Fall ausgerechnet auf die Meinung des SFV verweist, dürfte kaum ein Zufall sein. Ohnehin hat sich der SFV durchaus mit einer Meinung pro Fussball in solchen Fällen einigermassen von der Uefa emanzipiert. Hajdari und dem FC Lugano nützt das nichts mehr.

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