Schlimmer hätte für den vierfachen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel (33) die Geister-Saison nicht beginnen können. Der letzte WM-Punkt im Ferrari ist fast schon eine Ohrfeige. Sieben Sekunden vor Schlusslicht Latifi im Williams.
Der Deutsche irrte das ganze Wochenende wie ein Gespenst durch Spielberg. Da passte von der ersten bis zur letzten Runde kaum etwas zusammen. Vettel war ratlos, machtlos und vor allem hilflos.
Mental am Boden
Ferrari und die italienischen Medien haben den 14-fachen Ferrari-Sieger wie eine heisse Kartoffel fallengelassen. Nur Schumi (72) und Lauda (15) holten übrigens mehr Pokale nach Maranello.
Alles vergessen. Seit der stillosen Kündigung im Mai ist Vettel fast ein geächteter Mann ohne Zukunft. Und seit Sonntag liegt der 53-fache GP-Sieger auch mental am Boden.
Vertrauen verloren
Die nicht gerade glückliche Aktion mit Feindberührung gegen seinen roten Nachfolger Carlos Sainz (jetzt noch McLaren-Renault) hat alle Kritiker aus dem Loch geholt. «Ein Wunder, dass ich mich nicht noch mehr gedreht habe», wehrte sich Vettel.
Der Mann aus Ellighausen TG hat in Spielberg das Vertrauen in den Ferrari (instabiles Heck wie 2019) und das Glück verloren (Teamkollege Leclerc wurde mit göttlicher Hilfe Zweiter).
«Für Vettel ist der Zug abgefahren!»
Und wer den Schaden hat, der braucht für den Hohn ja nicht zu sorgen. Vor allem die jetzt als TV-Kommentatoren weiter im Kreis herum fahrenden Ex-Kollegen schlugen brutal auf Vettel ein.
Marc Surer (SRF) hatte schon vor dem WM-Auftakt gelästert: «Für Vettel ist der Zug abgefahren!» Jenson Button (BBC): «Solche Fehler dürfen einem mehrfachen Champion nicht passieren!» Ralf Schumacher: «Dieser Dreher gehört in die Kategorie Nachwuchsfahrer!» Und Nico Rosberg (RTL): «Sebastian ist jetzt ganz unten und muss sich erst wieder neu beweisen.»
Das tönt schon fast wie ein Teil der Grabrede. Und ob sich Vettel (schon in fünf Tagen hier in Spielberg) wieder erholt, ist eine Frage, die man eher mit Nein beantworten muss.
Vier Autos schneller als Ferrari
Das Tuch zum selbst umstrittenen Teamchef Mattia Binotto (50) ist längst zerschnitten. Der in Lausanne geborene Italiener versucht jetzt, mit seiner roten Gurke SF1000 die eigene Haut zu retten. Und jedes Mal steht ihm die Glücksgöttin beim Dreikampf mit Mercedes und Red Bull-Honda nicht so zur Seite wie am Sonntag.
Auch McLaren-Renault und Racing Point-Mercedes haben die schnelleren Autos als Ferrari!
Folgt bald der Rücktritt?
Für Vettel ist die aktuelle Lage nicht sehr angenehm. Er weiss selbst, dass er im dümmsten Moment oft auch dumme Fehler macht. Aber wer schon mit grossen Bedenken in sein Auto klettert, lässt schon mental einige Zehntel liegen. Und die Brechstange hat noch keinem Star wieder auf die richtige Spur geholfen.
Was nun? Für Vettel rückt in dieser Mini-Saison mit bisher acht Rennen und vielen Fragezeichen der Rücktritt immer näher.
Top-Teams brauchen Vettel nicht
Mercedes hat am Wochenende ein klares Bekenntnis zur eigenen Mannschaft (Hamilton, Bottas, Russell) abgegeben. Red Bull ist mit Albon sehr zufrieden – in den letzten drei Rennen hat ihm Hamilton in Sao Paulo und Spielberg zweimal mit einer Karambolage das sichere Podest vermasselt.
Und sonst? McLaren und Racing Point (dann Aston Martin) sind für 2021 schon vergeben. Renault flirtet mit Alonso. Die Franzosen wären sowieso keine Alternative für den ehrgeizigen Familienvater. Und im Rest des Feldes mit eher geringen Punktechancen durch die Kurven zu flitzen, wäre für Vettel verlorene Zeit. Es wäre ein Abstieg in die Bedeutungslosigkeit.