Nach dem eher harmlosen ersten Training (Motto: Fahrlehrgang auf einer «neuen» Strecke) ging es am Nachmittag dann endlich etwas mehr zur Sache.
Mercedes mit «Winterreifen»
Die Resultate am Morgen zeigten, dass die sonst so überlegenen Mercedes auf dem rutschigen Asphalt mit einem total neuen Belag fast auf den «Winterreifen» unterwegs waren: Verstappen vor Albon, Leclerc und Vettel. Oder Red Bull-Honda vor Ferrari. Ferner: 9. Bottas, 15. Hamilton …
Mercedes-Pole in Gefahr?
Doch auch in den zweiten 90 Minuten kamen die schwarz lackierten Silberpfeile nicht auf ihre fast schon reservierten Positionen. Tagessieger Max Verstappen und Ferrari-Hoffnung Charles Leclerc (beide 23) warfen Bottas und Hamilton in die zweite Reihe.
Dieses Duo hatte in der Corona-Saison bisher alle 13 Pole-Positionen geholt – 9:4 für Hamilton.
Auch Albon (5.) und Vettel (8.) sind bei Red Bull und Ferrari rangmässig näher dran an ihren allerdings erneut klar schnelleren Teamkollegen.
Europa-Abschied in Asien
Die Formel 1 nimmt also auf der asiatischen Seite von Istanbul Abschied aus Europa. Der GP Türkei ist nach der letzten Ausgabe 2011 (Sieger Vettel auf Red Bull-Renault) zurück im Programm. Als Notnagel. Von den sieben Rennen am Bosporus hat allein Felipe Massa von 2006 bis 2008 dreimal in Serie gewonnen – immer auf Ferrari.
Der 500. GP und unsere Hymne
Dann die Gratulationen am Freitag, dem 13.: Der WM-Siebte Lando Norris auf McLaren-Renault wurde 21 Jahre alt. Und Sauber feiert seinen 500. Renneinsatz seit dem Formel-1-Einstieg im März 1993 in Südafrika.
Seit damals wurden alle Autos von der Sauber Motorsport AG in Hinwil gebaut und auch jedes Jahr bei der FIA gemeldet. Deshalb auch der Name Alfa-Sauber – und bei einem zweiten Sieg nach Montreal 2008 durch den Polen Robert Kubica im BMW-Sauber würde die Schweizer Hymne gespielt. Das sollte zu den ewigen Diskussionen um den Teamnamen Alfa-Sauber reichen.
«Das ist ja wie auf Eis!»
Alles begann in der Türkei mit kritischen Worten aller Piloten. Der neue Asphalt auf der 5,338 km langen Piste war kein Geniestreich und man hätte den frischen Belag schon vor Monaten aufziehen können. Und nicht erst vor zehn Tagen! Hallelujah, wenn der Regen kommt …
«Das ist ja wie auf Eis», wetterte Max Verstappen (23) auf seiner ersten Runde. Und dann wurde die Formel 1 im Istanbul Park bereits gestoppt: Rot!
Auf einem Teil der Strecke kamen plötzlich die Schrauben der Poller zum Vorschein. Auch nicht gerade sehr professionell. Nach sechs Minuten ging es weiter.
Warten auf Unterschrift
Im ersten Training wartete Hamilton übrigens 71 Minuten bis er auf die Strecke ging – seine Kollegen hatten als «Putzmannschaft» dem König den grauen Teppich gereinigt.
Die Fans des Briten warten ebenfalls – auf die Unterschrift des 93-fachen GP-Siegers unter den neuen Vertrag bei Mercedes. Die Corona-Krise ist nicht gerade der richtige Zeitpunkt, um über das Supergehalt von über 40 Millionen Euro zu pokern.
«Transfermarkt würde explodieren»
Bei Mercedes bleibt Boss Toto Wolff (48) gelassen, schüttet sogar Öl ins Feuer: «Man weiss im Leben nie, was passiert. Und im schlimmsten Fall würde eben der Transfermarkt explodieren …»
Ja, dann würde Verstappen sofort versuchen, aus dem Bullen-Vertrag zu kommen. Aber halten wir den Transferball noch flach. Die Gerüchteküche brennt also nicht einmal sechs Wochen vor Weihnachten weiter …
FIA schaut genau hin
Die kritischen Kurven. Bei Turn 1, 6 und 14 lauert die Gefahr, wenn man am Kurvenausgang zu weit nach rechts kommt und die weisse Linie verlässt (Track Limits). Dann wird von den FIA-Kommissären sofort die Rundenzeit gestrichen. Wie zuletzt in Portimao über 90 Mal.
Das ist natürlich nicht gerade der Weisheit letzter Schluss beim Bau einer Formel-1-Rennstrecke – und bereits wurden in der Türkei am Freitag wieder 42 Rundenzeiten gestrichen!
Die langgezogene Kurve 8 hat mit drei Linksecken ihren Schrecken verloren. «Das geht diesmal voll», sagt Vettel zur 15 Sekunden-Prüfung mit rund 240 km/h. Gruss an die Nackenmuskeln!
Roter Boss allein zu Hause
Pirelli hat die drei härtesten Mischungen an den Bosporus angeschleppt. Trotzdem wettern die Piloten natürlich wieder einmal über den Gummi. Aber für diesen Asphalt wird die Reifenwahl noch kritischer.
Nicht dabei zwei Teamchefs: Williams-Boss Simon Roberts (57) hat Corona, Mattia Binotto (51) wird sein rotes Sorgenteam diesmal aus Maranello lenken.
Alpha Tauri jagt Ferrari
Ferrari hofft auf dem enttäuschenden WM-Platz sechs, dass es mit bisher lausigen 103 Punkten nicht noch von Alpha Tauri-Honda (89) angegriffen wird.
Und das B-Team sorgte am ersten Trainingstag für eine weitere Überraschung: Kvyat und Monza-Sieger Gasly fuhren locker in die Top Ten.
Während Renault, McLaren-Renault und Racing Point-Mercedes am Freitag noch unten durch mussten.
Alfa Sauber will wieder feiern
Bei Alfa-Sauber wurde in den ersten 90 Minuten noch viel getestet. 8. Giovinazzi, 16. Räikkönen – 3,5 Sekunden hinter seinem Teamkollegen zurück.
Am Nachmittag landete das Duo auf den folgenden Rängen: 13. Giovinazzi, 16. Räikkönen. Beide mit über drei Sekunden Rückstand auf Tagessieger Verstappen! Normal hat sich 2020 der Abstand der Hinwiler auf die Spitze bei knapp zwei Sekunden eingependelt.
Das Ziel bleibt nach der Doppelfreude in Imola gleich: Wieder beide Autos in die Punkte zu bringen. Es wäre zum 500. das schönste Jubiläums-Geschenk. Chef Frédéric Vasseur: «Wir sind seit Wochen auf dem richtigen Weg!» Da müssen am Samstag in der Pole-Jagd aber endlich bessere Startplätze für die Hinwiler Autos her …