Der Formel-1-Superstar im persönlichen Gespräch
«Kinder? Dafür habe ich keine Zeit»

Nur Max Verstappen (26) und Lewis Hamilton (38) haben 2023 in allen 16 Rennen gepunktet. Doch seit dem letzten Sieg des Briten in Jeddah 2021 hat der Holländer 29 Mal gewonnen! Woher holt der siebenfache Weltmeister nur seine Motivation? Das Interview.
Publiziert: 01.10.2023 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2023 um 17:01 Uhr
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«Wir benötigen Menschen, die den anderen helfen», sagt Lewis Hamilton im grossen Blick-Interview.
Foto: Getty Images
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Roger BenoitFormel-1-Experte

Lewis Hamilton, früher haben Sie mir mal gesagt, dass man Hamilton mit 40 Jahren nicht mehr im Formel-1-Auto sehen werde. Und jetzt haben Sie für zwei weitere Jahre unterschrieben.
Lewis Hamilton: Ich muss gestehen, dass ich meine Liebe zu diesem Sport unterschätzt habe. Aber es ist eine Liebe-Hass-Story geworden. Es gibt Tage, an denen ich am liebsten nicht ins Cockpit steigen würde.

Und jetzt überwiegt die Lust wieder?
Ja. Auch die Duelle mit meinem Teamkollegen George geben mir die Motivation. Da musst du immer hellwach sein.

Was ist der Unterschied zwischen Hamilton 2007 und Hamilton 2023?
Das sind zuerst einmal verdammte 16 Jahre. Im ersten Formel-1-Jahr war ich 22. Ich war noch ein Kind, unerfahren, schnell, aber ich fühlte mich damals nicht sehr wohl in meiner Haut. Ich war auf der Entdeckungsreise nach meiner Persönlichkeit und wer ich sein wollte.

Und jetzt?
Ich bin viel glücklicher als damals und weiss, wer ich bin. Ich kenne meine Ziele auch neben der Rennstrecke und würde behaupten, dass ich vieles richtig gemacht habe. Ich geniesse, was ich tun darf. Und wir alle sollten lernen, niemals nie zu sagen.

Lewis Hamilton

Sir Lewis Carl Davidson Hamilton wurde am 7. Januar 1985 in Tewin (Hertfordshire) als Steinbock geboren. Seinen ersten GP bestritt er 2007 in Australien auf McLaren-Mercedes, wurde sofort Vizeweltmeister und 2008 zum ersten Mal Champion. 2013 wechselte er zu Mercedes, wo weitere sechs Titel folgten. Bis jetzt hat er 325 Rennen bestritten. Seine Bilanz: 103 Siege, 104 Polepositions, 63 schnellste Runden, 196 Podestplätze. Nur 29 Ausfälle. Einmal punktete Hamilton 48-mal in Serie – Rekord.

Sir Lewis Carl Davidson Hamilton wurde am 7. Januar 1985 in Tewin (Hertfordshire) als Steinbock geboren. Seinen ersten GP bestritt er 2007 in Australien auf McLaren-Mercedes, wurde sofort Vizeweltmeister und 2008 zum ersten Mal Champion. 2013 wechselte er zu Mercedes, wo weitere sechs Titel folgten. Bis jetzt hat er 325 Rennen bestritten. Seine Bilanz: 103 Siege, 104 Polepositions, 63 schnellste Runden, 196 Podestplätze. Nur 29 Ausfälle. Einmal punktete Hamilton 48-mal in Serie – Rekord.

Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie die Tage zählen, bis Sie im Winter zum ersten Mal im neuen Mercedes W15 losfahren können. Woher nehmen Sie die Motivation, im unterlegenen W14 noch sechs Rennen zu fighten?
Ich versuche, bei jedem Rennen ans Limit zu gehen und glaube an mein Team. Aber es ist schon so: Wenn du die Balance im Auto nicht spürst, wird auch die Risikobereitschaft kleiner.

Und dann kam in Budapest nach über zwei Jahren plötzlich eine Poleposition heraus.
Ja, das war ein Höhepunkt. Du versuchst, für alles dankbar zu sein, das erfolgreich deinen Weg kreuzt, wenn du durch solche harten Zeiten gegangen bist.

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«Der nächste Sieg wird der Grösste sein.»
Lewis Hamilton (38), siebenfacher Formel-1-Weltmeister
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Gilt dies auch für das Leben neben den Rennstrecken?
Ja, ich habe zum Beispiel während der Covid-Zeiten für einen Monat meinen Geschmackssinn verloren. Und als er zurückkam, wow, bist du einfach nur froh und dankbar. Aber das ist eben die Natur.

Zurück zum W15.
Ich hoffe, dass die vielen Daten, die wir in diesem Jahr bisher gesammelt haben, einen Impakt auf das neue Auto haben. Das ist die Hoffnung des ganzen Mercedes-Teams in allen Fabriken. Wir müssen alle stets an unsere Ziele glauben. Und nie aufgeben.

38 Rennen ohne Sieg. Für einen Mann mit 103 Rekorderfolgen eine lange Zeit.
Wir werden zurückkommen. Wir schaffen das. Der nächste Schritt aufs oberste Podest wird kommen. Und es wird wohl mein grösster Triumph in meiner Karriere sein.

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Ein Wort zu Ihrem alten Rivalen Verstappen?
Was wollen Sie hören? Ich kann nur sagen, mach weiter, was du machst. Und Max macht zurzeit im Red Bull einen ausserordentlichen Job.

Fahrermässig stehen Sie, Verstappen und Alonso auf einer anderen Stufe …
Das würde ich so nie sagen. Alle Fahrer, die hier sind, machen einen guten Job. Aber alle haben andere Voraussetzungen, Hoffnungen und Herausforderungen. Aber ich sehe bei den jungen Piloten viele Parallelen mit dem jungen Lewis. Das ist einfach grossartig. Fernando, Max und ich sind meistens konkurrenzfähig und gehen dafür die weitesten Wege, um unsere Ziele zu erreichen. Über ihre Persönlichkeiten kann ich nichts sagen, ich sass noch nie in ihren Wohnzimmern.

Sie haben lange die jungen Talente auf verschiedenen Ebenen gefördert. Viele scheitern, weil ihnen die Unterstützung fehlt.
Das ist richtig. Aber schauen wir nur mal, was die Gründe für unser Leben auf dieser Erde sind. Da spielt es eigentlich keine Rolle, wer wir sind. Wenn es dem Ende zugeht, können wir alle nichts mitnehmen. Aber wir können etwas hinterlassen.

Und was?
Ich glaube, wir brauchen mehr Mitgefühl mit den Menschen, wir benötigen Menschen, die den anderen helfen und sich um sie kümmern. Da bin ich dankbar, dass ich diese Hilfe in meinen jungen Jahren vor der Formel 1 hatte. Doch die meisten stehen plötzlich vor Strassensperren. Da braucht es dann eben die Leute, die den Weg wieder frei machen. Vor allem die nicht so privilegierten Kinder sollten nicht weniger Chancen haben als jene mit einem reichen Hintergrund. Daran arbeite ich und hoffe, dass ich einiges ändern kann.

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«Die meisten meiner Klamotten kommen aus Japan.»
Lewis Hamilton, zu seinem Modestil
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Eine grosse Aufgabe, die Sie ehrt. Und für viele sind Sie ein Vorbild. Auch mit Ihren extravaganten Klamotten. Woher kommen diese?
Von überall auf der Welt. Vor allem aus Japan, von Kenzo, von jungen Designern, die ich jeweils finanziell unterstütze. Auch in Südkorea sind die jungen Modeschöpfer sehr kreativ und überraschen mich immer wieder. Ich habe einfach Spass, mich so zu präsentieren.

Sie haben lange mit Toto Wolff um den neuen Vertrag gekämpft.
Das ist nicht das erste Mal, dass wir zwei stundenlang diskutierten und um Details feilschten. Immer unter dem Motto: Vom Donnerstag bis Sonntag gehöre ich exklusiv der Formel 1.

Und sonst?
Da gibt es so viele Details zu meinen Werbeaktivitäten. Da bin ich mit Toto in einer glücklichen Lage. Er wird von allen respektiert und bewundert. Es ist leicht, mit ihm zu verhandeln. Und das macht ihn zu einem grossen Leader.

Lesen Sie Ihre Verträge immer noch selbst durch? Früher waren es einmal 80 Seiten …
Natürlich will ich genau wissen, was da drinsteht. Jetzt sind es aber über 200 Seiten oder ein verdammtes Buch. Und dafür brauchst du Tage!

Sie werden in Ihrer Formel-1-Karriere immer mit Mercedes-Power unterwegs sein. Bisher 326 Mal. Nie an einen Wechsel gedacht?
Nicht wirklich.

Also hatten Sie bestimmt mal ein Angebot für Ferrari.
Nie. Okay, wir haben sicher mal ein paar belanglose Gespräche geführt. Ich kenne viele gute Leute dort. Aber ich fühlte mich nie bereit, nach Italien zu ziehen.

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«Kinder? Dafür habe ich keine Zeit.»
Lewis Hamilton, zu seiner Familienplanung
»

Unheimlich ist Ihre Anzahl von Podiumsauftritten – es sind schon 196.
Das ist ein Wahnsinn, da werde ich die 200 sicher noch schaffen (lacht).

Nico Hülkenberg hat 197 Rennen und stand noch nie auf dem Treppchen.
Er hat es 2010 in Brasilien bei seiner Poleposition auf Williams verpasst.

Viele Fahrer haben aufgehört und sind dann doch wieder zurückgekommen.
Das wird mir nicht passieren. Wenn das Kapital zu Ende ist, dann ist auch Schluss. Ich kann mir nicht vorstellen, im Fahrerlager oder in der Garage zu stehen – ohne dann in ein Auto zu steigen. Aber wie schon einmal gesagt: Sag niemals nie.

Sie werden im Januar 39 Jahre alt. Da wäre es doch einmal Zeit, an Kinder zu denken …
(Denkt nach) Nicht im Moment. Nein. Dafür habe ich keine Zeit – ich geniesse es, Onkel zu sein!

Also wollen Sie keine Verantwortung übernehmen?
Genau, ich habe mich für diesen grossen Schritt noch nicht entschieden. Ich habe noch Ziele mit dem Rennwagen – und da muss alles hintenanstehen. Ich will meinen Job zu 100 Prozent machen. Natürlich musst du zum Privatleben die nötige Balance finden und Kompromisse eingehen. Aber glücklicherweise ist dieser Tag noch nicht gekommen.

Vielleicht nach dem achten WM-Titel?
Ich habe nie gesagt, dass der achte Titel ein Stoppsignal für mich wäre. Aber das weiss ich nur, wenn ich dort auch wirklich ankomme.

Hängt also alles vom neuen Mercedes W15 ab.
Sie sagen es. Ohne ein tolles Auto kannst du die grossen Ziele in der Formel 1 kaum erreichen. Niemand.

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