Sein Grosi platzt fast vor Stolz
Nati-Star Fiala blüht im Land seiner Wurzeln auf

Kevin Fiala (27) ist beflügelt. Dass ihn seine Grossmutter in ihrer Heimatstadt im Nati-Dress sieht und dass auch seine Eltern an der WM dabei sind, befreit den Stürmer-Star vom ganzen Druck und lässt ihn sein bestes Hockey spielen. «Ich bin so glücklich wie noch nie.»
Publiziert: 19.05.2024 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2024 um 11:04 Uhr
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Applaus für die Schweizer Fans von Kevin Fiala nach der 8:0-Gala gegen Dänemark.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
Nicole Vandenbrouck aus Prag

Bei der Fahrt durch Prag lässt Kevin Fiala seinen Blick schweifen. «Die Karlsbrücke, da war ich vor wenigen Tagen mit meiner Grossmutter Milada, sie hat mich auf einem Spaziergang in der Stadt herumgeführt», erzählt der Nati- und NHL-Star. In ihrer Heimatstadt. Dort, wo Fialas Wurzeln sind, dort, wo seine Eltern als Nachbarskinder aufgewachsen sind.

Sein Grosi lebt noch immer in der Metropole Tschechiens. Darum holt sie ihren Enkel überglücklich am Flughafen ab, als er am Montag aus Los Angeles landet, um die Nationalmannschaft zu verstärken. Das beflügelt den 27-Jährigen, der sich in Kalifornien von seiner Frau Jessica und seinem erst wenige Tage alten Töchterchen Masie-Mae verabschiedet hat.

Fiala feiert einen perfekten Einstand beim 2:1-Penaltysieg – ausgerechnet gegen Tschechien – mit einem Treffer und einem sehenswert verwandelten Penalty. Auf den Zuschauerrängen total aus dem Häuschen: Grosi Milada. Sie sitzt mit ihrem Bruder, einem Tschechien-Fan, im Sektor der Schweizer Anhänger. «Als ich bei Kevins Tor gejubelt habe, dachten bestimmt alle, ich sei eine Schweizerin», berichtet die Tschechin strahlend.

Das Grosi ist immer Fan von Kevins Team

Mittlerweile ist Fiala im Café Savoy angekommen, wo seine Familie auf ihn wartet. Seine Eltern Jan und Renata sind mit dem Auto aus der Ostschweiz angereist. Die Begrüssung ist herzlich, sein Grosi drückt ihm einen Kuss auf die Backe und erzählt weiter: «Ich habe nach dem Tor allen gesagt, dass das mein Enkel ist.» Voller Stolz. Und wenn sie gefragt werde, von welcher Mannschaft sie denn nun Fan sei, antworte sie immer: «Von jener, in der Kevin spielt.»

Seine Grossmutter redet Tschechisch, Kevin Fiala und seine Eltern übersetzen abwechselnd. Die Familie hat viel zu erzählen. Man spürt ihre Vertrautheit. Als Jan Fiala zehnjährig ist, wandern seine Eltern mit ihm von Prag in die Schweiz aus. Er spielt beim EHC Uzwil Eishockey, bringt es in seiner Karriere auf 110 Einsätze in der damaligen NLB (Uzwil, Ajoie, Lyss) und 29 in der NLA (Lugano).

Als er 20 ist, weilt er für ein Freundschaftsspiel in seiner Heimatstadt und besucht seine Grosseltern, die noch immer in der Nachbarschaft von Renata, seiner Sandkasten-Freundin, wohnen. Kurzerhand klingelt er an ihrer Tür und Milada öffnet dem jungen Mann, der ihre Tochter und seine Jugendliebe später heiratet. Sie werden früh Eltern, Kevin hat mit Laura noch eine ältere Schwester.

In Los Angeles sesshaft geworden

Als der Nati-Stürmer aufwächst, bekommt er die Werte einer Familie, die zusammenhält und sich wichtig ist, mit auf den Weg. Auch er selbst hat seine Teenager-Liebe Jessica geheiratet, die er vor zehn Jahren in Schweden in der Schule trifft, als er im Nachwuchs des SHL-Klubs HV71 in Jönköping spielt. Das Paar macht in seinem jungen Leben viel durch. «Meinen ganzen Hockey-Weg mit Hochs und Tiefs bin ich mit ihr gegangen. Jetzt sind wir sesshaft geworden.»

Die Schwedin begleitet ihren Schatz, der 2014 im Jahr ihres Kennenlernens von Nashville in der ersten Runde an elfter Stelle gedraftet wird, in die USA. Er spielt zunächst zwei Jahre in Milwaukee im AHL-Farmteam der Predators, in Nashville bleiben sie vier Jahre. Dann gehts für dreieinhalb Saisons nach Minnesota, wo das Paar 2022 heiratet. Und seit zwei Jahren leben sie in Los Angeles, nachdem Fiala zu den Kings gewechselt hat.

In seiner Karriere fällt er viele Entscheide, die prägend gewesen sind. Doch sein junges Vaterglück verändert nochmals das ganze Leben. «Ich wollte schon immer früh Kinder haben.» Wie er das Gefühl beschreibt, Vater zu sein? «Es ist unglaublich. Von einem Tag auf den anderen ändert sich die Priorität in deinem Leben. Plötzlich ist das kleine Mädchen die Nummer eins. Es ist ein kleines Wunder.» Eltern zu werden sei das Grösste und Beste, was ihnen passiert sei.

Die Familie im Publikum macht ihn noch besser

Die ersten Tage nach der Geburt bleibt Fiala noch bei seiner Frau und dem Baby, bevor er zur Nationalmannschaft stösst. Er habe gewusst, dass er die WM im Land seiner Wurzeln spielen möchte, doch zuerst habe er sich einfach seiner Familie widmen wollen und erst kurzfristig mit seiner Frau den Entscheid gefällt, dass er fliegt.

Seinen Eltern in der Schweiz und seiner Oma in Prag, mit denen er mehrmals wöchentlich am Telefon oder über Facetime spricht, schickt er unzählige Fotos von Masie-Mae. «Aber sie bekamen nie genug davon», sagt er lachend. «Ich spüre, wie meine Tochter die ganze Familie glücklich macht.» Der NHL-Star hofft, dass sie die Kleine bald in Los Angeles besuchen und scherzt weiter: «Jetzt kommen sie ja nicht mehr wegen mir, sondern wegen ihr.»

Kevins Mutter Renata hat mit ihrer Mama Milada bei ihren Besuchen NHL-Matches von ihm in Minnesota und Nashville geschaut. Aber ihn in ihrer Heimatstadt im Schweizer Dress spielen zu sehen, ist für alle etwas Besonderes. Denn: Kevin ist erstmals seit 2015 und jener Weltmeisterschaft wieder in Prag. «Damals war ich erst 18, es war meine zweite WM. Da habe ich nicht realisiert, was passiert. Das Turnier flog nur so an mir vorbei.» Jetzt, neun Jahre später, wisse er, dass er möglicherweise nie mehr hier spielen werde. «Das macht es noch spezieller.» Dass seine Familie im Publikum sitzt, wärmt Fialas Herz – und macht ihn noch besser.

Die WM-Gruppenspiele der Schweizer

Der WM-Spielplan der Schweiz in Prag:

Freitag, 10. Mai: Schweiz – Norwegen, 5:2
Sonntag, 12. Mai: Österreich – Schweiz, 5:6
Montag, 13. Mai: Schweiz – Tschechien, 2:1 n.P.
Mittwoch, 15. Mai: Schweiz – Grossbritannien, 3:0
Samstag, 18. Mai: Dänemark – Schweiz, 8:0
Sonntag, 19. Mai: Schweiz – Kanada, 20.20 Uhr
Dienstag, 21. Mai: Finnland – Schweiz, 20.20 Uhr

Viertelfinal: Donnerstag, 23. Mai

Die Schweizer Nati trifft an der WM in Prag in ihrer Gruppe noch auf Grossbritannien, Dänemark, Kanada und Finnland.
IMAGO/CTK Photo

Der WM-Spielplan der Schweiz in Prag:

Freitag, 10. Mai: Schweiz – Norwegen, 5:2
Sonntag, 12. Mai: Österreich – Schweiz, 5:6
Montag, 13. Mai: Schweiz – Tschechien, 2:1 n.P.
Mittwoch, 15. Mai: Schweiz – Grossbritannien, 3:0
Samstag, 18. Mai: Dänemark – Schweiz, 8:0
Sonntag, 19. Mai: Schweiz – Kanada, 20.20 Uhr
Dienstag, 21. Mai: Finnland – Schweiz, 20.20 Uhr

Viertelfinal: Donnerstag, 23. Mai

«Ich geniesse es richtig, schon das Einlaufen.» Die Freude, vor seinen Liebsten zu spielen, sei riesig. «Dann bin ich befreit, vergesse den ganzen Druck und spiele einfach mein bestes Hockey. Ich bin im Moment und ganz bei mir. Das ist nicht immer leicht. Ich fokussiere mich auf das Jetzt. Es verleiht ein gutes Gefühl, weil die wichtigsten Menschen da sind.» Der Nati-Spieler stellt sich auch vor, wie Masie-Mae zuhause mit ihrer Mama zuschaut, «auch wenn sie das noch nicht kann, aber es gibt mir noch mehr Energie».

Es erinnert Fiala an seine Kindheit, als er mit seinem Vater zu dessen Spielen gegangen ist und mit in die Garderobe darf. Er freut sich schon, bis Masie-Mae dafür alt genug ist. Man spürt: Fiala ist im Leben angekommen. «Ich bin so glücklich wie noch nie. Zum perfekten Glück fehlt nur noch, dass Jessica und Masie-Mae hier wären. Ich bin sehr dankbar, wie alles aufgegangen ist.» Als NHL-Star sein Land an der WM vertreten zu können, davor Vater geworden zu sein, seine Familie sehen zu können zwischen den Spielen – das alles sei nicht selbstverständlich.

Fiala liebt Knödel und das Dessert «Vetrnik»

Aus dem lieben, aber wilden und aufgeweckten Bub, wie ihn Babicka (Oma) Milada beschreibt, ist ein reifer, junger Mann geworden. «Früher ging ich mit ihm in der Altstadt spazieren, nur da war er manchmal etwas bequem und wollte immer Pausen einlegen.» Um Knödel zu essen, eines seiner liebsten traditionellen Gerichte.

Oder die beliebte Süssspeise «Vetrnik», eine Art Windbeutel mit Rahm- und Caramelrahm-Füllung sowie einem Caramel-Guss. Das bestellt sich Fiala auch jetzt, «aber eines für alle zum Teilen», morgen sei Spiel. Ansonsten, so bestätigt auch Papa Jan, sei Kevin immer auf Trab gewesen und ehrgeizig in allen sportlichen Betätigungen, man habe fast keine ruhige Minute gehabt mit ihm.

Sein Grosi schwelgt weiter in Erinnerungen. Kevin habe immer ihre Nähmaschine benutzen wollen, wenn sie daran gesessen habe. Ihr 2007 verstorbener Mann Jiri sei mit ihm Fischen oder Pilze suchen gegangen, wenn der Enkel seine Ferien in Prag verbracht hat. «Schade, dass er Kevin nie hier spielen sehen hat.» Alle schauen sich liebevoll an und nicken, als Grosi Milada auf Tschechisch noch etwas über Kevin erzählt. «Er ist in den letzten zwei, drei Jahren als Mensch ausgeglichener, ruhiger und reifer geworden.» Und als Spieler gewachsen.

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