SCB-Sportchefin Schelling
«Bin sehr froh, stehe ich nicht mehr derart im Fokus»

Ihre Verpflichtung sorgte für Aufsehen. Doch zuletzt ist es um Florence Schelling ruhig geworden. Nun spricht sie über das Rampenlicht, die Kritik, CEO Marc Lüthi und die Zukunft des SCB.
Publiziert: 14.03.2021 um 11:16 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2021 um 17:24 Uhr
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Florence Schelling ist seit elf Monaten Sportchefin beim SC Bern.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Angelo Rocchinotti

Frau Schelling, in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit standen Sie permanent im Fokus, gaben Interview um Interview. Nun wurde es ruhig. Haben Sie sich bewusst zurückgezogen?
Florence Schelling: Ich bin sehr froh, dass diese Zeit vorbei ist, als ich derart im Fokus stand. Ich habe diese Aufmerksamkeit ja nicht gesucht. Erstens möchte ich aufgrund meiner Arbeit und nicht wegen meiner Person in der Öffentlichkeit stehen. Andererseits stecken wir aktuell in einer sehr harten Phase. Es geht um den Sport. Und ich erledige meine Arbeit im Hintergrund.

Hätten Sie sich gewünscht, Ihre Ernennung zur Sportchefin hätte weniger Wirbel ausgelöst?
Ich bin die erste Frau in dieser Position. Dass dies Wellen schlug, ist klar. Ich habe sehr viele Reaktionen erhalten. Mütter und auch Väter schrieben mir, sie sehen mich als Wegbereiterin für ihre Töchter. Junge Frauen erkennen nun, dass sie beispielsweise Sportchefin werden können. Dass immer mehr Frauen Funktionen übernehmen, die bisher von ausschliesslich Männern ausgeübt wurden, ergibt für die kommende Generation eine völlig neue Perspektive.

Aber?
Wichtig ist, dass es nichts Aussergewöhnliches mehr ist, wenn dereinst eine zweite oder dritte Frau ein solches Amt bekleiden wird. Das Frauenstimmrecht ist heute auch kein Thema mehr. Alles braucht Zeit. Und es braucht Frauen, die diesen Schritt machen.

Hinkt die Schweiz hinterher?
Ich kann nur von meinen Erfahrungen aus Amerika, Kanada und Schweden reden: Was Frauen im Sport betrifft, sind wir im Rückstand. Auch die Akzeptanz in Bezug auf das Frauenhockey ist in diesen Ländern grösser. Bei uns geniesst dieser Sport noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit.

Sie sagten bei Ihrer Ankunft, Sie hätten ein Bärenfell. Ist dieses Fell dick genug?
Ja. Auch wenn es nicht immer leicht war. Doch ich war jahrelang Torhüterin. Und als Goalie hast du viel Druck. Alle können Fehler machen, die nicht immer gleich gravierende Folgen haben. Doch sobald der Goalie einen Fehler begeht, ist der Puck im Tor. Man muss das Geschehene sofort analysieren und abhaken können. Und man muss die Lehren daraus ziehen.

Die Kritik, die auf Sie einprasselte, fiel teilweise heftig aus.
Wie gesagt: Es war nicht leicht. Aber ich habe damals als Torhüterin eine Technik entwickelt, die sich bewährt hat. Ich möchte mich jeden Tag verbessern, will das und kann das auch. Wichtig ist, dass Fehler nicht zweimal geschehen. Ich bin ein sehr zielorientierter Mensch. Es gibt einen Weg. Und es gibt Hindernisse. Diese nehme ich wie ein Gegentor.

Würden Sie rückblickend etwas anders machen?
Ich möchte jetzt keine Bilanz ziehen. Wir stehen mitten in der Saison.

Haben Sie Ihren Entscheid, Sportchefin zu werden, jemals bereut?
Nein, auf keinen Fall!

Was hat die Verpflichtung von Raeto Raffainer verändert?
Er ist mein Chef und Sparringpartner. Raeto verfügt über ein unglaubliches Wissen. Davon können wir alle profitieren. Wir diskutieren intensiv zusammen. Letztlich bin aber ich für die erste Mannschaft verantwortlich.

Er sagte, Sie bekämen eine faire Chance, ein Teil des neuen SCB zu sein. Wie haben Sie diese Aussage aufgefasst?
Er hat recht. Wie alle anderen auch, muss auch ich jeden Tag meine Leistung bringen.

Was waren die grössten Herausforderungen?
Die drei Quarantänen verbunden mit diesem Mammutprogramm jetzt. Wie plant man das? Wie kann man sicherstellen, dass die Gesundheit der Spieler nicht gefährdet ist? Wir haben keine Erfahrungswerte, wissen nicht, was funktionieren wird und was nicht. Es ist eine Gratwanderung.

Sie wollen die erste Mannschaft des SCB wieder an die Spitze führen. Wo stehen Sie im Moment?
Wir stecken in einem Umbruch. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Veränderungen brauchen Zeit. Es wird ein paar Jahre dauern.

Es soll einen Fünfjahresplan geben?
Unser erklärtes Ziel ist, in drei Jahren wieder an der Spitze mitspielen zu können.

Klingt gut, nur ist Ihr Chef Marc Lüthi bekannt für eine kurze Zündschnur. Da helfen langfristige Strategien wenig, wenn man sie beim ersten Gegenwind über den Haufen wirft.
Marc Lüthi steht voll hinter dieser Strategie. Wir haben oft darüber diskutiert, es ist ihm absolut bewusst, dass dieser Prozess Zeit braucht. Nichtsdestotrotz sind Resultate enorm wichtig, müssen die Mannschaft und wir alle Topleistungen erbringen.

Tätigen Sie eigentlich noch Transfers?
Ja, noch sind zwei Ausländerpositionen frei. Ob wir auf zwei Stürmer setzen oder einen Verteidiger holen, ist offen.

Schweizer Spieler verpflichten Sie keine mehr?
Ich beobachte den Markt.

Weshalb wechseln immer wieder eigene Spieler, wie zuletzt André Heim oder Yanik Burren, zur Konkurrenz?
Ich kann verstehen, dass junge Spieler neue Erfahrungen in anderen Klubs machen wollen. Wichtig ist, dass sie wissen, dass sie eines Tages zurückkehren können. Tun sie das, ist ihr Rucksack noch mehr gefüllt. Die gemachten Erfahrungen werden sie und auch uns stärken. Auch in der normalen Berufswelt arbeitet heutzutage kaum noch jemand von der Lehrzeit bis zur Pension im selben Unternehmen.

Trotzdem hat Bern – abgesehen von Torhüter Daniel Manzato – bisher nur Abgänge zu beklagen.
Wir mussten unser Budget um eine Million Franken reduzieren. Wenn man sich anschaut, welche Verträge auslaufen, bleibt da wenig Spielraum.

Also ist diese Mannschaft, die im Tabellenkeller steht, nächste Saison noch schwächer?
Auf keinen Fall! Die Spieler, die wir jetzt haben, sind gut. Der Trainerstaff hat die Aufgabe, aus jedem von ihnen das Beste herauszuholen, damit wir auch als Mannschaft besser werden.

Wie soll das aussehen?
Wir wollen auf jeder Position einen Spezialisten. Neben dem Head-Coach einen Topmann, der die Verteidiger trainiert. Dasselbe bei den Stürmern und Torhütern. Sie alle sollen sich gegenseitig herausfordern.

Und der Chef ist Johan Lundskog.
Dazu äussere ich mich gerne Ende März.

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