Ex-SCB-Sportchef Chatelain räumt Fehler ein
«Das ging in die Hose!»

Im Frühjahr wurde Alex Chatelain als SCB-Sportchef abgesetzt. Jetzt liegt «sein» Team am Tabellenende. Der 42-Jährige räumt Fehler ein.
Publiziert: 11.01.2021 um 01:57 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2021 um 10:08 Uhr
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Alex Chatelain erkannte schon 2018 eine mentale Müdigkeit.
Foto: PIUS KOLLER
Angelo Rocchinotti

BLICK: Herr Chatelain, können Sie überhaupt noch ruhig schlafen?
Alex Chatelain: Ja, wieso nicht? Ich konnte auch in der letzten Saison, als es schlecht lief und ich mehr im Fokus stand, relativ gut abschalten. Ich lese, treibe Sport oder halte mich in der Natur auf. Aber natürlich beschäftigt die Situation alle stark.

Ihr Team, das Sie zusammengestellt haben, ist innerhalb von 20 Monaten auf den letzten Platz gestürzt. Haben Sie nur Nieten eingekauft?
Es ist noch nicht lange her, da war ein grosser Teil dieses Teams sehr erfolgreich. Uns war bewusst, dass wir aktuell über keine Mannschaft verfügen, die ganz vorne mitspielen kann. Dass der Absturz jedoch so gross sein wird, damit hat niemand gerechnet.

Wo liegt die Ursache?
Ich erkannte nach der Halbfinalniederlage 2018 gegen die ZSC Lions erste Anzeichen einer mentalen Müdigkeit. Wir diskutierten darüber, wie wir weiterfahren wollen und fragten uns, ob es einen Umbruch braucht. Wir kamen zum Schluss, dass wir in den bestehenden Strukturen eine sanfte Verjüngung einleiten wollen. Das ging kurzfristig auf. Keiner war nach dem Playoff-Out zufrieden. Alle rafften sich auf. Und wir legten eine super Saison hin.

Einen Moment. Es wurde über langweiliges Hockey debattiert. Und Trainer Kari Jalonen stand während den Playoffs unter Druck von ganz oben.
Letzteres kann ich nicht beurteilen. Wir haben die Quali gewonnen, im Viertelfinal viel Energie verbraucht und den Halbfinal mit Ach und Krach überstanden, dann aber dank Teamspirit und Kampf den Titel geholt. Es zeigt, wie die Erwartungshaltung intern aber auch im Umfeld ins Unermessliche gestiegen ist. Ich fand das Hockey nicht langweilig. Es war technisch und taktisch sehr gut, hoch effizient und unseren Möglichkeiten angepasst. Aber wenn man 10 Mal sagt, es sei langweilig, beginnen es die Leute irgendwann zu glauben.

Was würden Sie heute anders machen?
Hätten wir den Umbruch früher eingeleitet, hätten wir ziemlich sicher den Meistertitel 2019 nicht mehr geholt, wären jetzt aber kaum dermassen abgestürzt. Kurzfristig ging die Strategie auf, mittelfristig ging sie total in die Hosen. Wir haben die Zitrone ausgepresst, bis nichts mehr kam und zahlen nun einen hohen Preis dafür. Dafür übernehme ich die Verantwortung und trage die Konsequenzen. Ich bin nicht mehr Sportchef.

Was werfen Sie sich vor?
Ich hätte vehementer mein Bauchgefühl vertreten sollen. Ich spürte im Team 2018 diese Müdigkeit, legte aber vieles auf die physische Komponente, da 13 Spieler bei Olympia waren, ihre gesteckten Ziele damit erreicht haben und sich danach nicht mehr ganz aufraffen konnten.

Dann hätte man aber im Herbst 2019 nicht mehr mit Trainer Kari Jalonen verlängern dürfen.
Richtig. Wir hätten am ursprünglichen Plan festhalten, nach vier Jahren einen Neuanfang machen sollen und auch bei der Kaderzusammenstellung andere Wege gehen müssen. Der Titel 2019 hat uns selbstzufrieden und satt gemacht. Ich hätte das erkennen müssen, gerade auch weil es im Jahr zuvor erste Anzeichen gab. Auch Kari Jalonen hat lange betont, es brauche nach vier Saisons einen Schnitt. Es ist extrem schade. 15 oder 20 Jahre lang erhoffte man sich auf der Trainerposition Kontinuität. Nun haben wir diese innert kürzester Zeit verloren und sind zu einer Hire-and-Fire-Mentalität zurückgekehrt. Das wieder zu korrigieren, wird seine Zeit brauchen.

Ist es nicht etwas einfach, nun noch auf Jalonen zu zeigen?
Das mache ich überhaupt nicht! Wir waren als gesamte Organisation etwas satt, machten immer dasselbe und brachten auch die Teamhierarchie nicht durcheinander. Wenn man mit demselben Kader und denselben Trainern weiterfährt, muss man irgendwann neue Reize setzen. Doch Dinge ändern, die drei Jahre funktioniert haben, ist stets auch mit Risiko behaftet. Wir hätten mit Kari Jalonen die letzte Saison durchziehen und dann einen Neuanfang machen sollen. Aber das ist hinterher einfach gesagt.

Wer traf die Entscheidungen in Bezug auf Jalonen?
Wir alle haben lange, viel und intensiv diskutiert. Es war nicht so, dass vor der Vertragsverlängerung alle der Meinung waren, es komme schon gut. Kari Jalonen ist ein Super-Coach. Bei solchen Entscheidungen macht man es sich nie leicht.

Sie sprachen das Kader an: Ihnen wird vorgeworfen, mit Spielern zu überhöhten Preisen verlängert zu haben statt das Geld in Top-Transfers zu investieren.
Arno Del Curto sagte neulich, es sei nach Meistertiteln immer schwierig gewesen, das Team beisammenzuhalten, weil die Leistungsträger durch die Erfolge immer teurer wurden. Vor diesem Problem standen auch wir. Vielleicht hätten wir uns vom einen oder anderen Spieler trennen und das Geld in einen Top-Shot investieren müssen. Dann wäre uns aber die Breite flöten gegangen, die uns die Titel beschert hat. Im Nachhinein kann man sagen: Gut für 2019, schlecht für 2020.

Statt einen Durchschnittsspieler zu holen, hätte man auf einen Jungen setzen und das Geld in Grégory Hofmann investieren können.
Unsere erste Linie bestand die ganze Zeit über aus Mark Arcobello, Simon Moser und Thomas Rüfenacht. Dann folgten Tristan Scherwey, Gaëtan Haas und die weiteren Ausländer. Das führte dazu, dass die Schweizer Top-Shots sich fragten, wo denn ihr Platz wäre? Wir hatten eine starre Teamhierarchie.

Wieso verlassen immer wieder eigene Spieler den Klub? Jetzt wechseln mit Burren und Heim gleich zwei Spieler nach Ambri.
Zu den beiden Genannten kann ich nichts sagen. Fakt ist, dass es immer Spieler gab, die sich ihre Sporen abverdienen oder ihre Entwicklung in einem anderen Umfeld weiter vorantreiben wollten. Ich finde das auch nicht schlimm. Dem einen Spieler tut es gut, wenn er sich neu beweisen muss. Der andere braucht sein gewohntes Umfeld. Für Marco Müller beispielsweise war es genau das Richtige. Den Weg, den er in Ambri einschlug, hätte er bei uns nicht machen können. Aber selbstverständlich hoffe ich, dass «Mülli» irgendwann wieder zum SCB zurückkehrt. Wichtig ist, dass man sich im Guten trennt und sich jederzeit in die Augen schauen kann.

Sie wurden nach der letzten Saison als Sportchef abgesetzt, äusserten danach im BLICK auch Ihr Unverständnis.
Weil es drei Jahre super funktioniert hat, ich in diesem einen schlechten Jahr aber sehr viel mehr gelernt habe als zuvor. Ich weiss, was ich falsch machte. Dass ich diese Erfahrungen nicht mitnehmen konnte, hat mich anfangs stark beschäftigt und stinkte mir. Der SCB verpasste 2014 schon einmal die Playoffs, hat aber vielleicht gerade an diesem Punkt die richtigen Schlüsse gezogen und so das Fundament für die nächsten Erfolge gelegt.

Also hat das Fundament für die Titel Ihr Vorgänger Sven Leuenberger gelegt?
Selbstverständlich war das Fundament gut. Aber das Fundament, Meister zu werden, haben auch andere. Uns ist es mit entsprechenden Massnahmen gelungen, den letzten Schritt zu machen. Es geht auch nicht nur um Transfers. Man muss den Tross führen, die Spieler bei der Stange halten können. Es gab auch unzählige Diskussionen mit Kari Jalonen, die alle fruchtbar waren. Er kann ein sturer Bock sein. Es braucht viel, ihn zu überzeugen. Er hat die gesamte Organisation herausgefordert.

Wie gut ist denn nun dieses Team?
Aus meiner Sicht gut genug für die Top 6.

Doch wirklich rosig sieht die Zukunft nicht aus. Im Hinblick auf die nächste Saison muss Bern eine Million Franken einsparen.
Das macht es nicht leichter. Auch wenn ich mich dagegen wehre, Corona stets als Ausrede bereit zu halten. Es wird nicht von heute auf morgen besser und ist mit viel harter Arbeit verbunden.

Die nun Ihre Nachfolgerin Florence Schelling verrichten soll und sich schon den einen oder anderen Fauxpas geleistet hat. Man fragt sich, ob sie der Aufgabe gewachsen ist?
Das fragen Sie sich vielleicht. Ich stehe als Assistent von Mario Kogler an der Bande, war zuvor für den Scoutingbereich und die Analytics zuständig. Es wäre vermessen, würde ich die Arbeit einzelner Personen beurteilen. Und: Gäbe es etwas zu kritisieren, würde ich das bestimmt nicht öffentlich tun.

McSorley soll kommen – Schelling soll bleiben
2:34
Zwei Minuten für Dino:Das sind die wirklichen SCB-Probleme
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