Das erste Kapitel in der Biografie von Roman Josi (33) ist untypisch für die Geschichte eines Eishockey-Helden. Mama Doris berichtet von einer regelrechten Puck-Abneigung, die ihr jüngster Sprössling im Bambini-Alter an den Tag gelegt hat. «Mein ältester Sohn Yannick ist beim SCB in die Hockey-Schule gegangen. Der Trainer dieser Schule hat bei mir auch früh sein Interesse an Roman angemeldet. Doch der hat abgelehnt. Roman hat in dieser Phase immer wieder betont, dass er ein grosser Fussballer werden will.»
Das grosse Idol vom damals sechsjährigen «Giel» aus dem Berner Vorort Ostermundigen war Gürkan Sermeter, der im Mittelfeld der Berner Young Boys wirbelte. «Ich weiss noch, wie ich mir zu Weihnachten Geld gewünscht habe, damit ich mir ein YB-Leibchen mit Sermeters Rückennummer 8 kaufen konnte», erzählt Josi.
Lieber Fussball als Eishockey
Selbstverständlich hat Roman, der von seinen Angehörigen liebevoll «Rö» genannt wird, dieses Trikot auch getragen, als ihn sein Vater Peter in ein Schnuppertraining der Young Boys F-Junioren gefahren hat. Mehr als dieses eine Schnuppertraining hat er für seinen Herzensklub aber nicht absolviert. Warum? Bei diesem Thema ist man sich in der Familie Josi uneinig. Sein zwei Jahre älterer Bruder Yannick glaubt sich dunkel daran erinnern zu können, «dass die YB-Trainer den Rö für zu wenig talentiert eingestuft haben.»
Roman hält lachend dagegen: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Fussball-Talent für den YB-Nachwuchs nicht gereicht hat. Es muss irgendeinen anderen Grund gegeben haben. Aber ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.» Dafür können sich seine Liebsten sehr genau dran erinnern, wie der «Rö» nach dem frühen Ende seiner Fussball-Laufbahn dann doch fürs Eishockey Feuer gefangen hat.
Einen seiner ersten internationalen Auftritte hatte Josi mit dem SCB Ende der 90er-Jahre an einem Schülerturnier im bayrischen Rosenheim, wo Roman gemeinsam mit seinem Big Brother Yannick ein Abwehr-Paar gebildet hat. «Wir haben bis zum Final kein einziges Gegentor kassiert. Doch dann ist Rö beim Rückwärtslaufen in Scheibenbesitz gestürzt. Der gegnerische Angreifer hat sich den Puck geschnappt und hat unserem Goalie keine Abwehrchance gelassen.» Trotz dieses Umfallers konnten die Josi-Brüder und ihre Teamkollegen den Siegerpokal mit nach Hause nehmen.
Steile Karriere
Während sich Yannick als Teenager plötzlich nicht mehr für die pickelharten Trainings-Einheiten auf dem Eis motivieren konnte, entwickelte sich Roman in rasender Geschwindigkeit zum Roger Federer des Eishockeys. Wenige Monate nach seinem 16. Geburtstag debütierte er mit dem SCB in der NLA, mit 20 durfte er erstmals den Schweizer Meister-Kübel in die Höhe strecken. Im selben Jahr machte Josi mit dem Wechsel in die Organisation der Nashville Predators den grössten Schritt in seinem Leben.
Mit dem Transfer über den grossen Teich bereitete er einigen Angehörigen grossen Kummer. «Ich habe zu diesem Zeitpunkt viele Tränen vergossen, weil ich Angst hatte, dass Roman in den USA grosse Probleme bekommen würde», verrät seine Grossmutter Lydia. Die Sorgen vom «Josi Grosi» haben sich früh als unbegründet erwiesen. Nach einer Saison mit Nashvilles Farmteam Milwaukee Admirals in der AHL, debütierte Josi am 26. November 2011 mit den «Preds» gegen die Detroit Red Wings in der NHL. Sein erstes Tor für Nashville erzielte er zwei Wochen später beim 3:2 Erfolg über die Anaheim Ducks.
Nach dem Gewinn der Silbermedaille und der Auszeichnung zum wertvollsten Spieler bei der WM 2013, setzte Josi seine Unterschrift erstmals unter einen richtig fetten Dollar-Vertrag – 4,4 Millionen pro Saison! Mama Doris äusserte damals trotz dieses Geldregens Bedenken: «Manchmal habe ich Angst, dass der Rö ausgenutzt wird, weil er ein besonders gutmütiger Mensch ist und fast nicht Nein sagen kann.»
Goldenes Herz und schlauer Investor
Dass unser Hockey-Gott ein goldenes Herz besitzt, belegt auch diese Anekdote von Bruder Yannick: «Es hat Zeiten gegeben, in denen sich die Obdachlosen-Magazine in der Wohnung von Rö regelrecht gestapelt haben, weil er einem besonders armen Kerl jeden Tag ein Heftli, welches normalerweise ein Dollar kostet, für zwanzig Dollar abgekauft hat.» In der Zwischenzeit verdient der Eisgenosse, der 2020 in der besten Liga der Welt zum besten Verteidiger ausgerufen wurde, sogar neun Millionen Dollar im Jahr. Der zweifache Vize-Weltmeister spendet jetzt noch mehr Geld für hilfsbedürftige Menschen.
Dieser herzensgute Kerl hat aber auch einen feinen Riecher für gewinnbringende Investitionen. Josi ist wie sein Kumpel Mark Streit an der Marke Norqain beteiligt, die sich in kürzester Zeit auf dem Uhren-Markt etablieren konnte. Mit Streit, Fussball-Held Yann Sommer und Schwingerkönig Christian Stucki hat sich der Stanley Cup-Finalist von 2017 im letzten Sommer auch Anteile der Mineralquelle in seinem Heimatort Adelboden erworben.
Zudem besitzt Josi ein Aktienpaket vom SCB und ist Geschäftspartner von Pop-Gigant Justin Timberlake. Nachdem der ehemalige NSYNC-Frontmann 2021 im Herzen von Nashville das Restaurant «The Twelve Thirty Club» eröffnete, hat sich Josi ein Jahr später finanziell daran beteiligt. Einen absoluten Music-Star hat der Nati-und Predators-Captain übrigens auch in seiner Nachbarschaft – Josi lebt mit seiner Frau Ellie und den Kindern Luca (3) und Ivy (2) wie Rockröhre Sheryl Crow in Nashvilles edlem Aussenbezirk Forrest Hills.
Zur Familie gehören zwei Hunde. Schäferhündin «Bella» und der Rhodesian Ridgeback «Kingsley». Im wichtigsten Moment in Josis Leben hat Kingsley eine ganz wichtige Rolle gespielt: «Bevor ich mich am Weihnachtstag 2017 mit Ellie verlobte, habe ich Kingsley ein Päckli um den Hals geschnallt. Und nachdem Ellie Ja gesagt hat, konnte sie den Ring aus dem von Kingsley getragenen Päckli auspacken.»
Obwohl Josi voraussichtlich auch nach seiner Sportler-Laufbahn seinen Hauptwohnsitz in den USA haben wird, hat er vor zwei Jahren eine prächtige Villa in Stettlen bei Bern bauen lassen. «Nach meiner Karriere möchte ich die Ferien vermehrt in der Schweiz verbringen. Es ist mir wichtig, dass meine Kinder mein wunderbares Heimatland richtig kennenlernen und viel Zeit in den Bergen verbringen können.»