Rikard Grönborg spricht über seine Lions-Entlassung
«Der ZSC ist das beste Team – ich muss es wissen»

Der Weltmeister spricht über den blauen Brief, sein Verhältnis zu Sportchef Leuenberger und seine Vorstellung der Identität eines Klubs. Und er verrät, wem er im Meisterrennen die Daumen drückt.
Publiziert: 04.01.2023 um 16:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2023 um 17:51 Uhr
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Nach fast vier Jahren muss sich Rikard Grönborg von Zürich verabschieden.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Dino Kessler (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Herr Grönborg, dritter Zwischenrang, die beste Abwehr, die wenigsten Gegentore und hinter Genf der beste Punkteschnitt der Liga im Kalenderjahr 2022. Und Sie werden entlassen. Waren Sie schockiert?
Rikard Grönborg: Ich war erst überrascht und dann enttäuscht. Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu interpretieren: den analytischen, logischen Weg und die emotionale Schiene. Meine analytische Seite sagt mir: Ich wurde engagiert, um diese Organisation besser zu machen, der Mannschaft dabei zu helfen, sich über eine bestimmte Zeitspanne zu verbessern. Als ich nach Zürich kam, gab es hier ziemlich viel Unruhe, man hatte gerade die Playoffs verpasst. Im ersten Jahr waren wir das beste Team der Liga, leider fielen aber wegen der Pandemie die Playoffs ins Wasser. Der emotionale Part? Es ist hart, jetzt gehen zu müssen, ich bin eng mit diesem Team verbunden. Die Mannschaft hat die Qualität für den Titel, und sie wird im letzten Drittel der Saison ihren Höhepunkt erreichen.

Glauben Sie, die Entlassung hat irgendetwas mit dem dramatisch verlorenen Final der letzten Saison zu tun?
Uns fehlte ein Sieg. Es ist aber nicht meine Aufgabe, über den Grund der Entlassung zu spekulieren. Die Verantwortlichen waren überzeugt, die beste Entscheidung für die Organisation zu treffen, das habe ich zu respektieren. Wenn du einen Job bekommst, wirst du dafür bezahlt, dein Bestes zu geben, solange du da bist. Das habe ich gemacht.

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«Schauen Sie sich die erfolgreichsten Organisationen weltweit an, die vertrauen meist lange Zeit auf die gleichen Leute.»
Rikard Grönborg
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Nach dem Wechsel gab es Stimmen aus der Mannschaft, die sich über ihre Art der Kommunikation beklagten. Captain Geering meinte: «Wir wollten, dass es gesagt wird, wenn man schlecht spielt und es auch Konsequenzen hat.»
Davon habe ich bisher nichts gehört, aber wenn das so ist, muss ich das akzeptieren. Viele dieser Spieler haben ZSC-Blut in ihren Adern, da steckt viel Leidenschaft mit drin.

Es gab auch Gerüchte über Spannungen zwischen Ihnen und Sportchef Sven Leuenberger.
Wir sind beide Profis, ich war als Trainer angestellt und sagte meine Meinung als Trainer, Sven ist Sportchef und vertritt seine Meinung als Sportchef. Auch wenn wir nicht immer die gleichen Ansichten teilten, war es produktiv und der Umgang respektvoll.

Sie glauben nicht, dass dieses Verhältnis negativen Einfluss auf Ihren Job oder das Team hatte?
Ich denke, es spricht für eine gesunde Diskussionskultur, wenn verschiedene Meinungen in unterschiedlichen Situationen in Einklang gebracht werden können.

ZSC mehrere Wochen ohne Christian Marti

Die ZSC Lions müssen bis auf Weiteres auf Christian Marti verzichten. Der Nationalverteidiger verletzte sich im Training am Oberkörper. Die genaue Art der Verletzung ist nicht bekannt. Die Zürcher lassen aber verlauten, dass Marti «mehrere Wochen» ausfällt. (SDA)

Die ZSC Lions müssen bis auf Weiteres auf Christian Marti verzichten. Der Nationalverteidiger verletzte sich im Training am Oberkörper. Die genaue Art der Verletzung ist nicht bekannt. Die Zürcher lassen aber verlauten, dass Marti «mehrere Wochen» ausfällt. (SDA)

Die ZSC Lions alimentieren eine der grössten Nachwuchsabteilungen Europas, trotzdem finden nur wenige den Weg in die National League. Wurden Sie explizit aufgefordert, Nachwuchs zu integrieren?
In dieser Mannschaft stehen bereits viele eigene Spieler. Zuletzt sind wohl nicht sehr viele dazugekommen, es gab aber auch noch die Regeln der Pandemie, da war es nicht so leicht, Spieler zwischen verschiedenen Teams zu bewegen. In naher Zukunft wird sich die Lage aber ändern, da kommen einige nach, die das Rüstzeug haben.

Wird dem Titelgewinn in der Schweiz eine zu grosse Bedeutung zugemessen? In Schweden werden junge Spieler viel früher eingesetzt, in der Schweiz möchte man Planungssicherheit.
Alles beginnt mit einer Richtung, einer Philosophie, die von unten bis oben gelebt wird. Dann braucht es Kontinuität und den Glauben, das Richtige zu tun. Schauen Sie sich die erfolgreichsten Organisationen weltweit an, die vertrauen meist lange Zeit auf die gleichen Leute.

Wie wichtig ist es, eine Identität zu verfolgen, eine bestimmte Idee, wie man spielen möchte?
Sehr wichtig. Man vertraut darauf, die richtige Idee zu haben, unabhängig vom kurzfristigen Erfolg. Erfolg auf höchstem Level bedeutet, langfristig zu den Besten zu gehören, aber es bedeutet nicht zwingend, dass man jedes Jahr einen Titel gewinnt. Zug hat zwei Titel in Folge geholt, das ist bewundernswert, aber eigentlich unlogisch in einer Liga mit dieser Ausgeglichenheit.

Sie werden in Zürich von Marc Crawford abgelöst – zwei ziemlich verschiedene Typen von Trainern. Wo ist in diesem Schritt noch eine Spur von Vereinsphilosophie zu erkennen?
Es ist nicht meine Aufgabe, die Entscheidung der ZSC Lions zu kommentieren. Grundsätzlich glaube ich an das Prinzip der Konstanz.

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«In Schweden ist die zweite Liga ziemlich attraktiv, keiner hat ein Problem damit, da zu spielen.»
Rikard Grönborg
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In der Schweiz wird gerade die Swiss League abgewrackt, der Unterbau der National League. Kann das gut gehen?
Es braucht ein Zusammenspiel der Ligen, ein harmonierendes Konstrukt. In Schweden ist die zweite Liga ziemlich attraktiv, keiner hat ein Problem damit, da zu spielen. In Schweden gibt es aber auch andere Regeln, keine mächtigen Besitzer, die alleine entscheiden. Die Mitglieder halten mindestens 51 Prozent und bestimmen so, wie die Klubs geführt werden und wo die Reise hingehen soll.

Spielen die Ausländer in der Schweiz eine zu wichtige Rolle?
Das habe ich mir nie überlegt. In Schweden gibt es keine Einschränkung, aber das war in Schweden auch nie ein Thema. Das Schweizer Eishockey müsste wohl den Willen haben, mehr Nachwuchs zu produzieren.

Rikard Grönborg persönlich

Rikard Grönborg, geboren am 8. März 1968 in Huddinge (Stockholm). Verheiratet mit Dawnie (37), Vater von Chloe (10) und Grace (4). Besitzt neben dem schwedischen auch den amerikanischen Pass, hat Uni-Abschlüsse in Journalismus (Bachelor) und Leadership (Master) der Universität St. Cloud (Minnesota). Weltmeister (2017, 2018) mit Schweden, bei den ZSC Lions als Cheftrainer von Sommer 2019 bis am 28. Dezember 2022.

Rikard Grönborg, geboren am 8. März 1968 in Huddinge (Stockholm). Verheiratet mit Dawnie (37), Vater von Chloe (10) und Grace (4). Besitzt neben dem schwedischen auch den amerikanischen Pass, hat Uni-Abschlüsse in Journalismus (Bachelor) und Leadership (Master) der Universität St. Cloud (Minnesota). Weltmeister (2017, 2018) mit Schweden, bei den ZSC Lions als Cheftrainer von Sommer 2019 bis am 28. Dezember 2022.

Wie?
Das weiss ich nicht. Finnland hat nicht mehr Einwohner als die Schweiz, aber mehr Eishockeyspieler. Aber in Finnland ist Eishockey auch unbestritten der Nationalsport.

Was werden Sie in nächster Zeit tun?
Abschalten und mit der Familie nach Zermatt fahren.

Werden Sie das Schweizer Eishockey weiter verfolgen?
In den nächsten Tagen vielleicht nicht. Aber ich glaube, dass die ZSC Lions das stärkste Team der Liga sind und den Titel holen werden. Das würde mich glücklich machen, für die Spieler, für den Staff und auch für die vielen Fans. Als wir letztes Jahr den Titel im siebten Spiel verloren hatten, belohnten uns die Fans in Zürich trotzdem mit einem fantastischen Empfang.

Warum glauben Sie, dass die Lions das stärkste Team sind?
Ich muss es wissen. Sehen Sie, die schwerste Arbeit ist erledigt, es verbleiben beispielsweise nur noch sieben Auswärtsspiele. Die Monate vor und während des Umzugs ins neue Stadion waren teilweise sehr anstrengend, da sind wir aber sehr gut durchgekommen. Ich glaube daran, dass sie es schaffen.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
31
12
59
2
ZSC Lions
ZSC Lions
28
31
58
3
HC Davos
HC Davos
32
25
58
4
SC Bern
SC Bern
31
18
55
5
EHC Kloten
EHC Kloten
32
-1
54
6
EV Zug
EV Zug
30
20
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
30
4
44
8
EHC Biel
EHC Biel
30
2
42
9
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
32
-11
42
10
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
31
-18
41
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
31
-12
39
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
28
-3
36
13
HC Lugano
HC Lugano
30
-23
36
14
HC Ajoie
HC Ajoie
30
-44
26
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