Auf einen Blick
Ein 47-Jähriger, der seit 30 Jahren als Coach tätig ist? Da wird man stutzig. Der ein Finne ist, aber gar nicht mehr aufhört zu reden? Dann erst recht. Wer ist Lauri Marjamäki, der den EHC Kloten nach einer chaotischen Saison übernommen hat und voller Tatendrang ist? In einem Gespräch mit vielen Lachern und offenen Worten erfährt man so einiges über den Mann, der Schalk – aber auch Entschlossenheit – in den Augen hat.
Ein erfolgreicher Trainer, dekoriert mit zwei Meistertiteln (2014, 2015) in der Heimat, einer WM-Silber- sowie Olympia-Bronzemedaille (beide 2014) als Nationalcoach Finnlands, der aber selbst nicht auf eine grossartige Karriere als Spieler zurückblicken kann – das ist selten. Marjamäki, der gleichzeitig Fussball spielt, hört mit Eishockey auf, als er 17 ist. Als Junior ist er für die beiden Klubs Ilves und Koovee aufgelaufen. Hat er nie davon geträumt, Hockey-Profi zu werden? «Nein», sagt Marjamäki ohne Umschweife, «dafür hatte ich nicht genug Biss. Statt ins Gym zu gehen, tat ich lieber Dinge, die Teenager so tun und traf mich mit Mädchen.»
Sein erster Trainer bei Ilves sieht jedoch etwas im jungen Mann und fragt ihn, ob er nicht sein Assistenzcoach sein wolle beim U13-Team. Marjamäki will, «dieser Entscheid macht mich heute noch glücklich». In den insgesamt acht Jahren bei Ilves Tampere habe er erkannt, dass er die Stärke und das Zeug für den Trainerjob habe. «Mit 18 betreute ich 13-Jährige, während Freunde in meinem Alter einen draufmachten und im Ausgang waren. Das hat mich mental gestärkt.»
Üble Schlagzeilen weggesteckt
Dass ihm diese mentale Stärke in seiner Karriere oft helfen wird, weiss er da noch nicht. Denn Marjamäki steht in seiner Laufbahn einige Male im eisigen Gegenwind. Zum Beispiel, als er als Nationaltrainer Finnlands an der WM 2017 in Paris gegen Gastgeber Frankreich eine 1:5-Schlappe einfährt und die Mannschaft während des Turniers kaum je den Tritt findet. «Der am meisten gehasste Mensch des Landes» lautet nur eine der Schlagzeilen über ihn. Der zweifache Vater steckt es weg. «Sagen wir es so, ich habe viel Erfahrung, mit Druck und Kritik umzugehen.» Eine gute Voraussetzung.
Marjamäki ist zwei Saisons (2016 bis 2018) Headcoach der Finnen. Und bekommt danach die Schlagzeile mit auf den weiteren Weg: «Der schlechteste Nati-Trainer der Geschichte». Jobs bei grossen Klubs angelt er sich trotzdem. Von 2018 bis im Februar 2022 ist er Trainer von Jokerit Helsinki, das in der KHL mitmischt. Nach dem Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine bricht er sein Engagement in Russland ab und übernimmt Kärpät Oulu, wo er kurz vor Weihnachten 2023 gefeuert worden ist. Wegen mangelnder sportlicher Erfolge. Kärpät liegt zu jenem Zeitpunkt auf Platz 5 der Tabelle.
Marjamäki hat im letzten Jahrzehnt Mannschaften trainiert, die dem Erfolg verpflichtet gewesen sind. Die stets zu Favoriten um Titel gehört haben. Das hat sich nun geändert, dessen ist sich der Finne bewusst. Und noch etwas anderem: Der 47-Jährige erkennt rückblickend, dass er ausgebrannt, «mental müde», gewesen ist. Mit dem Druck umzugehen, habe Energie gekostet. Die Pause hat ihm gutgetan. «Ich spürte, dass es Zeit für eine neue Herausforderung ist.» Er findet sie in Kloten.
Erstmals Trainer eines Aussenseiters
Zum ersten Mal steht er ausserhalb seiner Heimat an der Bande, zum ersten Mal bei einem Aussenseiter. Nach ersten Telefonaten mit Klotens sportlichem Berater Jeff Tomlinson ist Marjamäki bereits sehr interessiert, nach dem ersten persönlichen Treffen mit der Klubführung überzeugt. Er macht keinen Hehl daraus, dass er viele schlechte Dinge über den Klub gehört habe. «Aber genau diese Situation birgt Chancen. Es ist nicht fair, nur auf die Vergangenheit zu schauen. Jetzt braucht es einfach Beharrlichkeit.»
Nicht nur für Marjamäki soll es ein Neustart sein – auch für den EHC Kloten, der nach einer chaotischen letzten Saison Ruhe braucht. Dafür sollen nebst dem Headcoach auch weitere neue Gesichter sorgen wie Sportchef Ricardo Schödler (36) oder Assistenztrainer Beni Winkler (47). Auch im Verwaltungsrat hat es Veränderungen gegeben. Marjamäki ist voller Tatendrang. «Ich habe das Feuer und meine Leidenschaft wieder gefunden. Jeden Tag lächle ich, wenn ich zur Eishalle fahre.»
Nach seinem Amtsantritt in Kloten liegt der erste Fokus des Trainers darauf, ein solides Fundament mit dem Team aufzubauen, auf das es in schwierigen Situationen zählen kann. «Ich habe den Spielern als Erstes gesagt, dass ich ohne ihr Vertrauen nicht coachen kann.» Denn ihm ist bewusst, dass Herausforderungen warten. Bei einem Underdog müsse man konkurrenzfähig bleiben, sich aber gleichzeitig um die Spieler kümmern. Junge Talente weiterzuentwickeln, gehört zu einer von Marjamäkis Stärken.
Er erwartet schwierige Phasen, «vielleicht mit Niederlagenserien. Aber dann entscheidet das Team, aus welchem Holz wir geschnitzt sind und wie wir damit umgehen». Immer wieder fällt das Wort Beharrlichkeit. «Sieben gute Tage machen eine gute Woche, vier gute Wochen einen guten Monat. So halte ich das.» Zudem möchte er von den Spielern am Tag nach einem Match deren Meinung dazu wissen, wie es ihnen als Team gelungen ist, die Werte und Ziele im Auge zu behalten. Nach sechs Partien will er sich selbst ein erstes Bild machen.
Ehefrau in der finnischen «Hockey Hall of Fame»
Im Wissen, dass er sich in Kloten voll reinknien möchte, hat die Familie gemeinsam entschieden, dass seine Frau Sari (52) und die beiden Kinder Milja (16) und Ilari (12) vorerst im finnischen Tampere wohnen bleiben und regelmässig zu Besuch kommen. Die Spiele seines Teams aber möchte sich Marjamäkis Frau dennoch immer ansehen. Denn: Sie ist die erfolgreiche Ex-Hockeyspielerin der Familie! Sari Marjamäki Fisk gehört Finnlands «Hockey Hall of Fame» an.
In ihrer Karriere hat die einstige Nationalstürmerin unzählige Medaillen gewonnen: Viermal Europacup-Gold, einmal Olympia-Bronze und sechsmal WM-Bronze. Was würde sie über ihren Mann sagen, wenn man sie fragen würde, was für ihn typisch ist? «Dass ich überall in der Wohnung meine Kleider liegen lasse und sie nicht weiss, welche in die Wäsche gehören und welche sauber sind», antwortet der Kloten-Trainer und muss schallend lachen, bevor er in die Garderobe zurückgeht.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | ZSC Lions | 27 | 32 | 58 | |
2 | HC Davos | 31 | 26 | 57 | |
3 | Lausanne HC | 30 | 9 | 56 | |
4 | EHC Kloten | 31 | 0 | 53 | |
5 | SC Bern | 30 | 17 | 52 | |
6 | EV Zug | 29 | 16 | 46 | |
7 | SCL Tigers | 29 | 3 | 41 | |
8 | EHC Biel | 29 | 1 | 40 | |
9 | HC Fribourg-Gottéron | 30 | -8 | 39 | |
10 | HC Ambri-Piotta | 30 | -19 | 39 | |
11 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 31 | -15 | 39 | |
12 | Genève-Servette HC | 27 | 0 | 36 | |
13 | HC Lugano | 29 | -22 | 36 | |
14 | HC Ajoie | 29 | -40 | 26 |