Hockey-Boss Schärer über den Nati-Trainer
Woran der Deal mit Patrick Fischer noch scheitern könnte

Seit 100 Tagen ist Ex-Handball-Star Stefan Schärer (58) als neuer Präsident von Swiss Ice Hockey im Amt. Im Blick-Interview zieht er eine erste Bilanz und sagt, wie weit er bei seinen Baustellen ist.
Publiziert: 20.12.2023 um 10:43 Uhr
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Aktualisiert: 20.12.2023 um 10:58 Uhr
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Stefan Schärer (r.) übernahm am 11. September von Michael Rindlisbacher.
Foto: SIHF
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Marcel AllemannReporter Eishockey

Blick: Stefan Schärer, wie fällt Ihre Bilanz nach 100 Tagen im Amt aus?
Stefan Schärer: Ich konnte viel lernen, kennenlernen, Meinungen einholen, mir ein Bild verschaffen, sehen, wie viel Herzblut in diesem Sport steckt und wie viele Leute sich da auf vielen Ebenen engagieren. Auch im Verband. Für die Aussenwirkung hatten wir schöne Turniere. Und wir haben gewisse Schritte in die richtige Richtung gemacht, was die Kommunikation zwischen der National League und dem Verband betrifft. Wir haben da wieder strukturierte Prozesse, in denen man sich austauscht. Die National League befindet sich auch in der Erarbeitung einer Strategie, die wichtig ist, damit wir im nächsten Jahr ein gemeinsames Bild entwickeln. Wir haben eine gewisse Ruhe reingebracht und arbeiten an einem Kooperationsvertrag zwischen der National League und dem Verband, der für drei Jahre gelten soll.

Durch Ihre Vergangenheit hatten Sie gute Kenntnisse von den Vorgängen im Handball-Verband, wie viel komplexer und schwieriger ist im Vergleich dazu der Eishockey-Verband?
Der markanteste Unterschied ist, dass so viel Geld im System des Eishockey-Sports ist – vor allem bei 14 bis 20 Klubs, die zusammen mehrere Hundert Millionen Franken umsetzen. Dadurch besteht eine Kraft, die sehr kurzfristig und auch kurzsichtig wirken kann. Das hat man in fast allen anderen Sportarten ausser Fussball nicht, in diesen ist mehr der Athlet, die nächste EM, WM, Olympia, die Entwicklung des Sports, des Athleten und der Mannschaft im Blickfeld. Bei uns im Eishockey gibt es mit der National League ein sehr dominierendes Produkt mit viel Geld. Das ist zwar toll, aber führt auch dazu, dass Entscheide gefällt werden, die vielleicht nur kurzfristig relevant sind.

Als Handballer, der jetzt für das Eishockey tätig ist – wer beeindruckt Sie mehr, unser Über-Handballer Andy Schmid oder unser Vorzeige-Hockeyaner Roman Josi?
Ich glaube, dass es in der NHL schwieriger ist, den Status eines solchen Topspielers zu bekommen, allein schon durch die Unmenge von Spielern in Nordamerika. Ohne Andy Schmid zu nahe treten zu wollen, da gibt es massiv mehr Konkurrenz und der Stellenwert ist höher. Das begründet auch, weshalb ein NHL-Spieler massiv mehr verdient. Unabhängig von der Sportart, um einen solchen Status wie Schmid und Josi zu erreichen, muss man ein absoluter Ausnahmekönner sein.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie bei Ihrem Amtsantritt beim Verband einige Baustellen angetroffen haben. Wie gut kommen Sie da im Vergleich zu den Langzeit-Baustellen, die man auf den Strassen immer wieder antrifft, voran?
Wie das bei Baustellen so ist – sie schliessen sich selten von heute auf morgen. Bei den Baustellen, die ich bei uns sehe, haben wir die ersten Pfähle eingeschlagen. Etwa durch den bereits erwähnten Kooperationsvertrag zwischen Verband und Liga, den wir bis im Februar aufsetzen und abschliessen wollen und in dem dann die Geldflüsse geregelt werden und nicht jedes Mal wieder neu ausgehandelt werden müssen. Wir konnten da einen konstruktiven Prozess in Gang setzen. Auch tauschen wir uns in strukturierter Form aus, der gegenseitige Informationsfluss läuft wieder – was in den letzten Jahren nicht mehr der Fall war. So gesehen hoffe ich schon, dass unsere Baustellen schneller zugehen und geteert werden können als viele auf den Strassen.

Schauen wir einige Baustellen im Detail an. Zuerst die Baustelle Nati mit der ausstehenden Vertragsverlängerung von Trainer Patrick Fischer. Nach dem öffentlichen Bekenntnis zu ihm gewinnt man den Eindruck, dass die Vertragsverlängerung bis 2026 nur noch an unterschiedlichen Vorstellungen der Ausstiegsklauseln scheitern könnte.
Ja, das kann man so sagen. Es passt alles, wir wollen mit Patrick Fischer weitermachen. Aber wir müssen trotzdem auch die Möglichkeit haben, dies nach der nächsten WM nochmals fair zu hinterfragen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass es klappt?
Ich selbst bin da nicht nah dran, die Gespräche mit Fischer und seinem Agenten werden auf operativer Ebene geführt. Fischer sieht auch den Leuchtturm mit der Heim-WM 2026 und daher hoffe ich, dass wir uns in einer für alle passenden Form finden. Das Geld, das uns aus den Verbandsfinanzen zur Verfügung steht, müssen wir bestmöglich einsetzen. Deshalb sind wir in diesem Bereich limitiert, vor allem auch im Vergleich zu einem Klub mit einem Mäzen. Ich würde mich freuen, wenn Patrick Fischer und sein Agent das gesamte Bild sehen.

Stefan Schärer persönlich

Der Aargauer Stefan Schärer (58) ist eine Schweizer Handball-Legende. Er feierte mit Amicitia Zürich und Pfadi Winterthur insgesamt neun Meistertitel, bestritt 204 Länderspiele, erreichte mit der Nati an der WM 1993 den 4. Platz und stand dieser als Captain an den Olympischen Spielen 1996 vor. Zudem führte Schärer damals in Atlanta die Schweizer Delegation als Fahnenträger an der Eröffnungsfeier an. Nach seiner Aktivzeit war er von 2002 bis 2006 Präsident von Pfadi Winterthur und 2009 kurz Sportchef bei der GC-Handball-Sektion. Beruflich ist Schärer als Unternehmer tätig, unter anderem in der digitalen Immobilien-Branche. Seit dem 11. September 2023 ist Schärer der neue Präsident der Swiss Ice Hockey Federation.

Der Aargauer Stefan Schärer (58) ist eine Schweizer Handball-Legende. Er feierte mit Amicitia Zürich und Pfadi Winterthur insgesamt neun Meistertitel, bestritt 204 Länderspiele, erreichte mit der Nati an der WM 1993 den 4. Platz und stand dieser als Captain an den Olympischen Spielen 1996 vor. Zudem führte Schärer damals in Atlanta die Schweizer Delegation als Fahnenträger an der Eröffnungsfeier an. Nach seiner Aktivzeit war er von 2002 bis 2006 Präsident von Pfadi Winterthur und 2009 kurz Sportchef bei der GC-Handball-Sektion. Beruflich ist Schärer als Unternehmer tätig, unter anderem in der digitalen Immobilien-Branche. Seit dem 11. September 2023 ist Schärer der neue Präsident der Swiss Ice Hockey Federation.

Bezüglich der Baustelle beim Knatsch zwischen Verband und Liga haben Sie gewisse Fortschritte mit dem neuen Kooperationsvertrag bereits angesprochen. Aber bleibt diese Baustelle die grösste Herausforderung?
Man hat zwar immer verschiedene Baustellen, aber das ist zweifellos eine sehr grosse, denn das Eishockey-Haus Schweiz braucht ein gemeinsames Zielbild. Dazu müssen die Strategien der National League und des Verbands aufeinander ausgerichtet sein und der Kooperationsvertrag ist ein Teil davon. Die National League ist ein super Produkt mit viel medialem Interesse dank professionellen Vereinen mit ihren kleineren und grösseren Budgets. Daneben leistet der Verband als Dienstleistungszentrum aber die gesamte umfangreiche Basisarbeit, welche schliesslich dazu führt, dass wir zusammen mit den National-League-Klubs auch erfolgreiche Nationalmannschaften haben. Wie bringt man dies zusammen, damit man langfristig eine einheitliche Strategie verfolgt, wenn man auch kurzfristig unterschiedliche Zielsetzungen hat? Diese Themen werden uns in den nächsten sechs bis neun Monaten sehr beschäftigen.

In der Vergangenheit war von Exponenten immer wieder zu hören, dass Liga-CEO Denis Vaucher über einen sehr eigenwilligen Charakter verfüge und es daher schwierig sei, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Ich nehme das zwar zur Kenntnis, aber befasse mich nicht mit alten Zöpfen. Ich versuche, alle Menschen neutral, sachlich und respektvoll zu behandeln, so wie das jeder auch verdient hat. Bis jetzt kann ich sagen, dass man untereinander normal kommuniziert und sich normal austauscht.

Dann sind Sie demnach auch zuversichtlich, dass sich das nach aussen gebrochen wirkende Verhältnis zwischen Vaucher und den Verbandsführungsleuten um Nati-Direktor Weibel und CEO Bloch kitten lässt?
Mir ist klar, dass es da Vergangenheiten und auch Emotionalitäten gibt. Ich vergleiche es damit, wie Spieler unterschiedlicher Klubs auf dem Feld Fehden austragen und in der Nati trotzdem fähig sein müssen, gemeinsam Erfolg zu haben. Die Liga und wir haben zwar im Alltag zum Teil unterschiedliche Ziele, aber lasst uns daneben gemeinsam sachlich und zielorientiert am bestmöglichen Hockey-Produkt arbeiten! Die Frage ist dabei, ob die involvierten Menschen alte Emotionalitäten ausblenden können – bis jetzt klappt das.

Eine unendliche Grossbaustelle scheint die Swiss League zu sein, die letzte Saison fast vor dem Kollaps stand. Wie sehen Sie da die Ausgangslage?
Das ist in der Tat eine Herausforderung, die nur gelöst werden kann, wenn die National League in ihrer Strategie eine klare Vorstellung von der Rolle der Swiss League hat. Aus Sicht des Verbandes soll die Swiss League eine semiprofessionelle Talentschmiede des Schweizer Eishockeys sein und nicht selbst wursteln, so wie es in der näheren Vergangenheit der Fall war. Dem Verband wird es jedoch nicht möglich sein, aus Verbandskraft die Swiss League als semiprofessionelle Liga am Leben zu erhalten. Das ist auch nicht die Aufgabe des Verbandes. Der Verband kann zwar helfen, aber nur mit beschränkten finanziellen Möglichkeiten. Daher braucht es alle drei Parteien am Tisch, in einem gemeinsamen Verständnis. Aber sehr bedeutend wird dabei die Sichtweise der National League sein.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
20
12
40
2
ZSC Lions
ZSC Lions
18
20
39
3
HC Davos
HC Davos
19
21
38
4
SC Bern
SC Bern
20
15
33
5
EHC Biel
EHC Biel
19
4
32
6
EV Zug
EV Zug
19
11
29
7
EHC Kloten
EHC Kloten
19
-2
28
8
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
19
-8
26
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
18
-10
24
10
HC Lugano
HC Lugano
17
-13
22
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
19
-11
22
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
16
-2
21
13
SCL Tigers
SCL Tigers
17
-3
21
14
HC Ajoie
HC Ajoie
18
-34
12
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