Winnipeg. Mitten in der Prärie Kanadas. «Winterpeg» wird die Stadt von denen genannt, die es irgendwie gut mit ihr meinen. Andere wählen das Pauschalurteil Straflager oder auch «Shithole» (in etwa: Dreckloch). Was ist nun Sache?
Das Kontinentalklima sorgt für enorm kalte Winter, Durchschnittstemperaturen weit unter null sind in Winnipeg für fünf Monate garantiert. Die Nomenklatur «Winterpeg» ist kein Hirngespinst und keine Bösartigkeit, vielmehr ein Wortspiel mit konkretem Hintergrund. Es gibt Menschen, die lange, kalte Winter schätzen. Der ehemalige Schweizer Nati-Coach Ralph Krueger (63) ist in Winnipeg geboren und aufgewachsen. «Kalt? Die Winter sind schonungslos, es herrschen dauerhaft minus 20 Grad, die sich anfühlen wie minus 30 Grad. Aber es ist eine grossartige Stadt, um Eishockey zu spielen.»
Winnipeg biete eine hemdsärmlige Umgebung, sagt Krueger, mit einer tief verwurzelten Arbeiter- und Bauernkultur. Das Motto auf den Nummernschildern der Autos («Friendly Manitoba») komme nicht von ungefähr: «Die harten Bedingungen schweissen zusammen, man hat keine andere Wahl, als freundlich zu sein.» Was Krueger auch hervorhebt: Die «Winnipegger» stehen mit Inbrunst hinter ihren Sportmannschaften. Im Sommer teilen sich die Jets den Zuspruch mit den «Blue Bombers», die in der kanadischen Football-Liga CFL auftreten.
Die Jets sind seit 2011 zurück in Winnipeg
Das dominierende Thema sind allerdings die Jets, zumindest, seit sie wieder in der Stadt sind: 1996 war die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Franchise nach Phoenix (US-Gliedstaat Arizona) verscherbelt worden, 2011 kaufte die Holding «True North Sports & Entertainment» die NHL-Rechte der «Atlanta Thrashers» und brachte die Organisation nach Winnipeg. Die in den Verkauf gebrachten 13’000 Saisonkarten waren innerhalb von wenigen Minuten weg. Krueger: «In Kanada zu spielen, ist was anderes, als in den USA zu spielen. Und in Winnipeg zu spielen, ist noch mal was anderes, als in Vancouver, Toronto oder Ottawa zu spielen.» Die Basis der Jets ist das «Canada Life Centre» in Downtown Winnipeg, ein Stadion mit 15’004 Plätzen für Eishockeyzuschauer. «In der NHL eines der kleinsten Stadien, aber die Zuschauer sind sehr nah, das ist ein Hexenkessel mit grossartiger Atmosphäre.»
Wenn draussen eisige Winde durch die Stadt ziehen, hält sich kaum einer im Freien auf. In der Innenstadt führen zahlreiche ober- und unterirdische Tunnel direkt zu dem Komplex an Gebäuden, der auch das Canada Life Centre beherbergt.
Soziale Probleme, Obdachlosigkeit
Wer sich draussen aufhält, tut das oft nicht ganz freiwillig. Ein Journalist wunderte sich 2010 während des Vorbereitungs-Camps der Schweizer Nati für Olympia in Vancouver, wie viele Leute im Stadtzentrum bei eisigen Temperaturen im Freien «herumlungern». Die Obdachlosigkeit mit ihren Kollateralschäden war damals ein Problem in Winnipeg. Ein Problem, das immer noch besteht. Viele dieser Obdachlosen sind indigener Abstammung, die «First Nations» machen rund 10 Prozent der Bevölkerung im Grossraum Winnipeg aus. Wie fast überall in Nordamerika leiden die Nachfahren der Ureinwohner immer noch unter grossen sozialen Problemen. Alkoholismus, Drogensucht, Verelendung und Obdachlosigkeit sind weitverbreitete Symptome der während Jahrzehnten verfolgten Politik des Vergessens und der Missachtung.
Wer es sich leisten kann, zieht in die Vorstädte
Die, die es sich leisten können, ziehen in die Vorstädte im nahen Umland. So wie das in vielen Metropolregionen Nordamerikas der Fall ist. So hielt es auch Luca Sbisa: Der ehemalige Schweizer NHL-Profi spielte 2019/2020 während einer Saison für die Jets. Er wohne nur 15 Minuten vom Stadion entfernt, in einer Umgebung, in der die Natur traumhaft schön sei, sagte Sbisa damals zu Blick. «Es ist zwar meistens sehr kalt, dafür scheint fast immer die Sonne.» Eine Umgebung, in der sich auch der Churer Nino Niederreiter wohlfühlen dürfte.