Viertelfinal – und was noch?
Das muss die Nati in Prag abliefern

Nati-Coach Patrick Fischer besitzt einen Vertrag bis 2026 und steht trotzdem unter Beobachtung. Eine Analyse zur Lage der Schweizer Nationalmannschaft vor der WM 2024 – und was von der Nati erwartet werden darf.
Publiziert: 10.05.2024 um 08:44 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2024 um 09:28 Uhr
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Da gehts lang: Nati-Coach Fischer gibt die Richtung für die WM vor.
Foto: Pius Koller
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Dino KesslerLeiter Eishockey-Ressort

Falls die Nati an dieser WM auf Angstgegner Deutschland trifft, kann das nur in einem K.o.-Spiel sein. Das ist gut so. Und für einmal darf man dann sogar einen Sieg gegen diesen Gegner einfordern. Aber nicht etwa darum, weil die Schweiz den Deutschen beim Eishockey etwa überlegen wäre, nein. Sondern deswegen, weil man gegen einen Gegner auf Augenhöhe in drei Vergleichen unter K.-o.-Bedingungen schon mindestens einen Sieg erwarten darf. Man erinnert sich höchst ungern an die Viertelfinal-Pleiten der Jahre 2021 und 2023 gegen diesen Gegner, ein weiterer K.-o.-Schlag in diesem Vergleich dürfte nicht nur die Volksseele zum Kochen bringen, sondern auch den Kopf von Nati-Coach Patrick Fischer kosten. 

Der Vertrag des Zugers wurde zwar bis 2026 verlängert, allerdings hat sich der Eishockey-Verband (SIHF) eine Klausel gesichert, die den Funktionären eine Neubeurteilung der Vertragssituation nach der WM 2024 erlaubt. Der Wortlaut dieser Klausel wurde nie aufgeschlüsselt, dies wohl darum, weil da gar nicht viel mehr drinsteht als eben die Möglichkeit, grundsätzlich über die Bücher gehen zu können. Zum Zeitpunkt der Verlängerung (Mitte Februar) konnte keiner beziffern, wie viele NHL-Stars die Mannschaft verstärken werden, eine eigentliche Zielsetzung kann darum erst jetzt erfolgen. Also: Mit Akira Schmid, Jonas Siegenthaler, Nico Hischier, Philip Kurashev, Nino Niederreiter und vor allem Roman Josi als Verstärkung für die National-League-Auswahl darf man von der Schweiz die souveräne Viertelfinal-Qualifikation einfordern. Souverän bedeutet nicht: Gruppensieg. Souverän bedeutet in diesem Kontext nur, dass man bitteschön keine bösen Überraschungen gegen Norwegen, Österreich, Dänemark und Grossbritannien erleben möchte.

Wenn Josi mit den Hüften wackelt

Fischers Enthusiasmus und seine Doktrin, gegen jeden Gegner das Spiel bestimmen zu wollen, hat dazu geführt, dass diese Pflichtsiege in den letzten Jahren mit breiter Brust eingefahren wurden. In diesem Stil sollte es schon weitergehen. Gegen Kanada, Tschechien und Finnland – die anderen Gruppengegner – darf man Siege ebenso wenig voraussetzen wie einen Erfolg im Viertelfinal gegen höher dotierte Nationen. Aber man darf erwarten, dass gegen Kanada, Finnland und Tschechien mutiges, selbstbewusstes Eishockey gezeigt wird, das mit Angriffs- und vielleicht etwas Rauflust gewürzt wird.

Als Nummer 7 der Weltrangliste ist man zwar an den Top-Nationen dran, aber eben nicht mittendrin. Das ändert sich auch mit der erstmaligen Teilnahme Roman Josis seit 2019 nicht grundsätzlich. Der Berner ist einer der besten Verteidiger in der besten Liga der Welt, er kann wohl das Spiel ankurbeln und dirigieren, er kann mit zwei, drei Hüftwacklern ganze Abwehrreihen einstürzen lassen, aber tatsächliche Wunder vollbringen kann auch er nicht. 

Patrick Fischers WM-Bilanz

2016 (Moskau): Viertelfinal verpasst (Rang 11)
2017 (Paris): Viertelfinal-Out gegen Schweden (Rang 6)
2018 (Kopenhagen): Final-Niederlage gegen Schweden (Rang 2)
2019 (Bratislava): Viertelfinal-Out gegen Kanada (Rang 8)
2020 keine WM
2021 (Riga): Viertelfinal-Out gegen Deutschland (Rang 6)
2022 (Tampere): Viertelfinal-Out gegen die USA (Rang 5)
2023 (Tampere): Viertelfinal-Out gegen Deutschland (Rang 5)

2016 (Moskau): Viertelfinal verpasst (Rang 11)
2017 (Paris): Viertelfinal-Out gegen Schweden (Rang 6)
2018 (Kopenhagen): Final-Niederlage gegen Schweden (Rang 2)
2019 (Bratislava): Viertelfinal-Out gegen Kanada (Rang 8)
2020 keine WM
2021 (Riga): Viertelfinal-Out gegen Deutschland (Rang 6)
2022 (Tampere): Viertelfinal-Out gegen die USA (Rang 5)
2023 (Tampere): Viertelfinal-Out gegen Deutschland (Rang 5)

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Wesentliche Abhängigkeit von den NHL-Stars

Die Abhängigkeit der Schweizer Nati von der Teilnahme der NHL-Stars ist wesentlich, die Euro Hockey Games haben das aufgezeigt: Von zwölf Partien gegen Schweden, Finnland und Tschechien konnte die National-League-Auswahl erst eine gewinnen, als schon drei NHL-Spieler mit an Bord waren. Das kann man am Trainer festnageln, falls man ihn auf dem Kieker hat, aber die logische Erklärung ist viel einfacher: In der nationalen Meisterschaft wird zwar attraktives Eishockey gespielt, aber der internationale Standard bezüglich Intensität kommt nur in homöopathischen Dosen zur Anwendung – oder wenn sich die Playoffs zuspitzen. Ansonsten besteht da in der Schweiz noch viel Luft nach oben. 

Das Hoffen auf Deutschland

Unter Patrick Fischer hat sich die Schweiz trotzdem zu einem permanenten Anwärter auf einen Platz in den Halbfinals entwickelt. Was uns weiterhin von den Top-Nationen trennt, ist neben der Intensität im Tagesgeschäft der Liga aber vor allem die Anzahl an NHL-Stammspielern. Ein Quervergleich mit den Euro-Games-Konkurrenten Schweden, Finnland und Tschechien sowie Angstgegner Deutschland zeigt folgendes Bild: Während der vergangenen NHL-Qualifikation wurden 89 Feldspieler aus Schweden, 40 Finnen und 26 Tschechen, aber nur 9 Schweizer und 7 Deutsche eingesetzt. Wir sind also auf einer Ebene mit dem aktuellen Vize-Weltmeister Deutschland, aber trotzdem weit davon entfernt, eine Top-Nation zu sein. Wobei «weit» in diesem Kontext ein dehnbarer Begriff ist: Manchmal braucht es nur einen Sieg gegen einen Gegner auf Augenhöhe – und schon ist man für einen Moment mittendrin. Und wir hoffen darauf, dass der Gegner im Viertelfinal Deutschland heisst. 

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