Blick: Man hat das Gefühl, Sie seien sich spinnefeind. Und jetzt sitzen Sie hier gemeinsam an einem Tisch.
Patrick Fischer: Letzte Woche ist einiges gelaufen. Und dabei ist ein falsches Bild entstanden. Als Stefan Präsident wurde, war es eine unglaublich schwierige Situation. Damals war die Situation zwischen Verband und Liga angespannt. Es gab Exponenten, die nicht mehr miteinander auskamen. Dann wusste man natürlich auch, wer ihn vorgeschlagen hatte …
Die National League.
Fischer: Ja, deshalb war am Anfang auch ein Misstrauen da. Ich hatte in den letzten Jahren nie mit der Verbandspolitik zu tun. Aber für meine Kollegen auf der Geschäftsstelle war es wirklich ein Thema in den letzten Monaten. Es wurde immer wieder über Stefan diskutiert. Ich schaltete mich ein, weil ich unabhängig bin. Als ich mich dann letzten Montag mit Stefan zusammensetzte, war meine erste Frage: «Wie geht es Dir?» Und Du hast mir gesagt: «Sch…»
Stefan Schärer: Ich habe ihm gesagt, dass ich mit meiner Frau am Wochenende über die Situation gesprochen hatte. Wir kamen dabei zum Entscheid, dass ich in den nächsten Tagen meinen Rücktritt geben werde.
Fischer: Am Mittwoch ist es dann auch passiert. Ich finde es schade, wie es jetzt rübergekommen ist. Im Sinne von, ich habe Stefan zum Rücktritt bewegt. Aber es ist wirklich so: Stefan hat viel aufgewirbelt, hat vieles angeschaut. Das fanden nicht alle cool. Aber: Es haben alle wieder begonnen, miteinander zu sprechen. Das ist eigentlich eine Wunderheilung.
Seit Dezember 2015 ist Patrick Fischer (49) Nati-Trainer und holte 2022 in Prag und 2018 in Kopenhagen, wie schon 2013 als Assistent von Sean Simpson, WM-Silber. Davor stand er während zweieinhalb Saisons beim HC Lugano an der Bande. Als Spieler war er bei Zug, Lugano (Meister 1999), Davos (Meister 2002), den Phoenix Coyotes und SKA St. Petersburg aktiv und bestritt 183 Länderspiele.
Seit Dezember 2015 ist Patrick Fischer (49) Nati-Trainer und holte 2022 in Prag und 2018 in Kopenhagen, wie schon 2013 als Assistent von Sean Simpson, WM-Silber. Davor stand er während zweieinhalb Saisons beim HC Lugano an der Bande. Als Spieler war er bei Zug, Lugano (Meister 1999), Davos (Meister 2002), den Phoenix Coyotes und SKA St. Petersburg aktiv und bestritt 183 Länderspiele.
Wie kam es zu diesem unrühmlichen Ende?
Schärer: Bevor ich anfing, hatte ich einen Erwartungsbrief von Denis Vaucher (CEO der NL, die Red.) und Matthias Berner (NL-Präsident, die Red.) erhalten. Darin hiess es, ich solle die Strukturen, Personenprozesse und Aufgabenverteilung seitens der Verbands-Geschäftsleitung und des VR analysieren und nötigenfalls optimieren.
So entstand die Missstimmung auf der Geschäftsstelle in Glattbrugg. Doch da gab es noch die andere Seite.
Schärer: Ich habe immer gesagt: Wenn ich in 10, 15 Jahren zurückblicke, möchte ich sagen können: Ich konnte etwas bewegen, das Hockey ist weitergekommen oder zumindest nicht schlechter geworden. Bin ich dynamisch, bin ich direkt, bin ich Unternehmer? Ja. Das hat man aber gewusst. Ich halte den Finger auf wunde Punkte. Möchte, dass wir jeden Tag besser werden. Und von der NL, die mich portierte, hiess es, dass ich als Gast regelmässig bei den NL-VR-Meetings integriert werde. Das war Anfang Juli 2023.
Der Aargauer Stefan Schärer (59) ist eine Handball-Legende. Er feierte mit Amicitia Zürich und Pfadi Winterthur insgesamt neun Meistertitel, bestritt 204 Länderspiele, erreichte mit der Nati an der WM 1993 den 4. Platz und stand dieser als Captain an den Olympischen Spielen 1996 vor. Zudem führte Schärer damals in Atlanta die Schweizer Delegation als Fahnenträger an der Eröffnungsfeier an. Schärer ist als Unternehmer tätig, unter anderem in der digitalen Immobilien-Branche. Im September 2023 wurde Schärer neuer Präsident der Swiss Ice Hockey Federation, legte aber letzte Woche nach nur 15 Monaten und vielen Nebengeräuschen sein Amt nieder.
Der Aargauer Stefan Schärer (59) ist eine Handball-Legende. Er feierte mit Amicitia Zürich und Pfadi Winterthur insgesamt neun Meistertitel, bestritt 204 Länderspiele, erreichte mit der Nati an der WM 1993 den 4. Platz und stand dieser als Captain an den Olympischen Spielen 1996 vor. Zudem führte Schärer damals in Atlanta die Schweizer Delegation als Fahnenträger an der Eröffnungsfeier an. Schärer ist als Unternehmer tätig, unter anderem in der digitalen Immobilien-Branche. Im September 2023 wurde Schärer neuer Präsident der Swiss Ice Hockey Federation, legte aber letzte Woche nach nur 15 Monaten und vielen Nebengeräuschen sein Amt nieder.
Das war ein leeres Versprechen?
Schärer: Ja, ich bin nie in den VR integriert worden. Im Nachhinein hätte ich, als mir Vaucher sagte, ich dürfe eine halbe Stunde vorbeikommen, sagen sollen: Moment, stopp! Ich habe ganz andere Vorgaben bekommen. Seither sage ich: Wir haben drei Baustellen. Erstens, die Modernisierung des Verbandes. Zweitens die Struktur, wie die NL funktioniert. Bei der Abspaltung vom Verband hat Vaucher die Struktur so aufsetzen können, dass er quasi jeden Entscheid definiert. Es gibt aus meiner Sicht keine erkennbare Strategie. Wenn es eine gäbe, müsste sich der CEO daran orientieren. Das hat man nicht gerne gehört. Drittens braucht es eine Liga-Reform mit einer nachhaltigen Stabilisierung der Swiss League für einen erfolgreichen Athletenweg.
Gibt es noch andere Punkte?
Schärer: Ja, die ganze Governance mit den Entscheidungsprozessen funktioniert in der NL AG falsch. Wenn es eine Finanzkommission gibt, sitzen dort wieder die gleichen Leute. Wie Marc Lüthi, der immer, wenn es um Geld geht … wir wissen, wie er funktioniert: Schönes Wetter draussen ...
Er steht aufs Bremspedal?
Schärer: Das ist okay. Nur: Wenn die Kommission dann noch aus NL-Präsident Berner, der macht, was Vaucher sagt, Vaucher und noch zwei CEOs besteht, werden alle Entscheidungen so vorbereitet, wie es Vaucher und Lüthi gerne haben. Wer regiert in diesem Tempel? In Einzelgesprächen habe ich dann festgestellt, dass die Klub-Präsidenten oft eine verbandsnähere Sicht haben, weil sie auch Unternehmer sind. Weil sie Geld ins System bringen. Die sagen: Hey, in 10, 15 Jahren ist mir der Sport auch noch wichtig. Ein Klub-CEO ist viel mehr getrieben durch das Tagesgeschäft.
Sie scheinen nicht der gleichen Ansicht wie Patrick Fischer zu sein, der denkt, dass man jetzt dank Ihnen näher zusammen ist?
Schärer: Das ist eine Momentaufnahme. Was daraus wird, werdet ihr dann in Zukunft beobachten können. Da habe ich noch meine Zweifel. Ich wäre froh, wenn es so wäre.
Fischer: Stefan hat es gut aufgezeigt. Wir müssen die Probleme zusammen lösen. Deine Art und Weise war dann sehr direkt.
Schärer: Aber immer sachlich, konstruktiv, nie beleidigend.
Fischer: Du hattest den Auftrag, die Prozesse bei uns zu analysieren und zu optimieren. Mit unserer Silbermedaille stand der Verband plötzlich wieder gut da, nachdem davor vieles schlecht geredet wurde. Dann kam es zum Rauswurf von Patrick Bloch (CEO, die Red.) – ich weiss, das war ein Entscheid des gesamten VRs, nicht von Dir alleine. Im Büro dachten viele: Das war der Erste. Was kommt noch alles? Es ist noch mehr Angst und Panik ausgebrochen.
Deshalb sind Sie am letzten Montag mit der Absicht ins Gespräch gegangen, den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen?
Fischer: Ganz klar. Es hatten schon einige versucht, Stefan zu sagen: geh doch. Wir haben miteinander gesprochen, um zu sagen: Stopp es, bevor das medial weiter ausartet. Jedes Mal, wenn jemand krank wurde, hat man das am Chef festgemacht.
Schärer: Was hat der Präsident mit der Belegschaft zu tun? Ich habe Veränderungen angestossen. Aber seit dem September war ich vier, fünf Mal auf der Geschäftsstelle. Seit November haben wir einen neuen CEO (Martin Baumann, die Red.). Ich hatte den VR hinter mir. Darum habe ich gesagt: Wenn einzelne das Gefühl haben, ich sei unangenehm, so what? Aber wenn es mir in diesem Umfeld keinen Spass mehr macht und man nichts verändern will, sage ich mir: Was soll das? Rückblickend hätte ich schon vor einem Jahr auf die Hinterbeine stehen müssen.
Was steckt dann hinter dieser Streik-Androhung, von der Rede ist?
Fischer: Es war wirklich ein schlechtes Klima. Ich habe gesagt: Ich werde noch einmal mit Stefan sprechen, im Sinne von: Ich glaube, es ist besser für alle, wenn du gehst. Aber wir wollten keinen Rauch verursachen.
Schärer: Relevant sind der September, Oktober und Mitte November. Matthias Berner hatte mir schon Ende September nahegelegt, selbstständig zurücktreten. Ja, wieso? Gibt es hier demokratische Prozesse? «Ja, sonst müssen wir Dich abwählen.» Doch diese Mehrheiten hat man im Oktober bei der NL und SL nicht gefunden. Und dann wurde es unschön und es kam zu einem Artikel in der «NZZ» mit diffamierenden Sachen. Und ich fragte mich: Will ich das? Das hat keinen Sinn. Und: Es ist doch simpel. Vaucher mit Lüthi als Backup wollen nicht schuld sein, dass jetzt bereits der dritte Präsident geht. Da kann man ja die Belegschaft vorschieben.
Kam es zu mehr Miteinander, weil alle gegen Schärer waren?
Fischer: Wir konnten miteinander die Lösung vorantreiben. Für Stefan ist es doof, wie es teilweise dargestellt wurde und dass er den Winkelried spielen musste.
Schärer: Dass jetzt etwas miteinander entstehen kann, ist auch meine Hoffnung. Wenn man dann eines Tages zurückschauen könnte und zum Urteil kommt, dass ich damals doch einiges erreicht habe, dann kann ich damit leben, der Winkelried gewesen zu sein.
Weder Vaucher noch sonst jemand von der National League war jedoch an eurem Weihnachtsessen dabei, das plötzlich zum grossen Thema wurde, weil dort in Abwesenheit des angeblich unerwünschten Stefan Schärer die Revolution gegen ihn ausgeheckt worden sein soll.
Schärer: Um dies klarzustellen: Ich habe bereits vor drei Monaten mitgeteilt, dass ich da nicht dabeisein kann, weil an diesem Datum meine Frau Geburtstag hat. Aber mir ist im Nachhinein auch bewusst, dass ich dort wahrscheinlich nicht besonders willkommen gewesen wäre.
Fischer: An diesem Weihnachtsessen waren wir in keiner guten Phase. Gewisse Leute waren unzufrieden, gewisse Leute haben krankheitshalber gefehlt. Es war keine weihnachtliche Stimmung. Dieses Klima haben wir erkannt, auch ich habe es so wahrgenommen. Und daraus entstand das Vorhaben, mit Stefan zu reden, ihm bewusst zu machen, dass auch auf der Geschäftsstelle eine Stimmung gegen ihn herrscht.
Wäre ein diplomatischeres Vorgehen und ein regelmässiger Austausch mit Vaucher sinnvoller gewesen?
Schärer: Den hatte ich regelmässig und deshalb ist es für mich schwierig, das alles zu verstehen. Noch Ende August waren wir zusammen bei einem konstruktiven Mittagessen. Doch als Vaucher dann nach der Entlassung von Bloch spürte, dass intern Unruheherde entstehen, begann er meine Absetzungs-Kampagne zu orchestrieren.
Vaucher war für Sie der Initiator?
Schärer: Klar gibt es noch andere Beteiligte, aber von Seite NL war er sicherlich eine treibende Kraft.
Würden Sie im Nachhinein zu Patrick Fischer nach dem gewonnenen WM-Viertelfinal gegen Deutschland nochmals sagen: «Irgendwann hat jeder Glück»?
Schärer: So habe ich es nicht gesagt. Dies wurde falsch verstanden. Darüber haben Patrick und ich anfangs Juni gesprochen und diese Sache ausgeräumt.
Aber sowas will doch kein Trainer dieser Welt nach einem grossen Sieg unter grossem Druck hören.
Schärer: Vielleicht war es der falsche Moment, das gebe ich zu. Ich habe gesagt, dass auch ein guter Trainer manchmal ein wenig Glück braucht im richtigen Moment. Denn der Deutschland-Match hätte in einer gewissen Phase des Spiels auch kippen können. Aber ich habe mich über den Sieg gefreut.
Korrigendum, 10.12.2024: In einer früheren Version des Interviews sagte Stefan Schärer: «Dann gibt es eine Lizenzkommission: Vaucher, Berner, ein Externer.» Das ist faktisch falsch. Die Lizenzkommission besteht aus Hans Jürg Steiner (Präsent), Pascal Aebischer und Pascal Vögtlin.