So kam es zum Schärer-Rücktritt
Das Protokoll zum Knall beim Hockey-Verband

Der Knall ist Tatsache: Ex-Handball-Star Stefan Schärer (59) ist nach 15 Monaten im Amt bereits nicht mehr Hockeyboss. Wie er als Strahlemann begann und schliesslich in den Rücktritt gedrängt wurde.
Publiziert: 05.12.2024 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2024 um 22:19 Uhr
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Stefan Schärer ist als Präsident des Eishockeyverbandes zurückgetreten.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Nach 15 Monaten tritt Stefan Schärer als SIHF-Präsident zurück
  • Blick liefert das Protokoll des Knalls
  • Am Ende wurde Schärer zum Rücktritt gedrängt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Juni 2023

Im Kandidatenrennen um die Nachfolge von Michael Rindlisbacher als Präsident der Swiss Ice Hockey Federation (SIHF) taucht der Name von Stefan Schärer (59) auf. Der Ex-Handballer überzeugt in seinem Auftreten und wird in der gemeinsamen Sitzung der National League und der Swiss League offiziell nominiert. Die Idee, dass jemand von aussen kommt, der nicht schon mit Klubs oder der Liga verbandelt ist, gefällt vielen.

September 2023

An der Generalversammlung der SIHF wird Schärer gewählt. Die Hoffnung ist gross, dass der Ex-Sportler und Unternehmer neuen Schwung in das zuletzt sehr verstaubt wirkende Amt bringen kann. Und er die entstandenen Risse zwischen der National League und der SIHF kittet. Bei seinen ersten Auftritten in seiner neuen Funktion weiss Schärer als Strahlemann zu überzeugen. Schärer will in die Hockey- und Verbandswelt eintauchen, sich ein konkretes Bild machen. Noch stört sich niemand daran.

November 2023

Als die Vertragsverlängerung von Nati-Trainer Patrick Fischer, dessen Vertrag mit der WM 2024 ausläuft, zum medialen Thema wird, rückt auch Schärer erstmals in den Mittelpunkt. Er will zwar mit Fischer den Vertrag bis zur Heim-WM 2026 verlängern, aber nicht ohne dabei eine finanzielle Absicherung einzubauen, falls die WM 2024 in die Hosen geht. Hinter vorgehaltener Hand tauchen die ersten Stimmen auf, die über Schärer schnöden. Einerseits wird gefragt, was der eigentlich tue, von anderer Seite wird ihm vorgeworfen, dass er sich zu sehr einmische.

Februar 2024

Die Parteien finden sich. Der Vertrag mit Fischer wird mitten in einer Niederlagenserie auf der Euro Hockey Tour bis 2026 verlängert. Mit einer Ausstiegsklausel als Absicherung. Über deren Inhalte wird Stillschweigen vereinbart. Aber es ist klar, dass Fischer an der bevorstehenden WM liefern muss. Er selbst wertet die Verlängerung «als starkes Zeichen».

Mai 2024

Die Nati zieht an der WM in Prag in die Viertelfinals ein, schlägt dort (endlich) Deutschland und holt WM-Silber. Fischer ist nun nicht mehr der angeschlagene Nationaltrainer, sondern wieder ein Volksheld. Die Ausstiegsklausel im Vertrag ist nach diesem Erfolg natürlich kein Thema mehr. Und auch Schärer darf sich an seiner ersten WM als Hockeyboss im Glanz der Medaille sonnen.

August 2024

Zum Ende des Sommers ziehen beim Verband dunkle Wolken auf. Per Beschluss des Verwaltungsrats entlässt Schärer SIHF-Geschäftsführer Patrick Bloch. Man brauche neue Impulse, heisst es. Im gleichen Zeitraum formiert sich vonseiten der Klubs mehr Widerstand gegen Schärer. Die Formation um SCB-Boss Marc Lüthi, der Schärer von Anfang an skeptisch gesinnt war, wird grösser. Auch andere starke Exponenten wie ZSC-CEO Peter Zahner gesellen sich dazu. Bloch sei ein Bauernopfer, um von der eigenen Schwäche abzulenken, ist zu hören. Schärer wird auch vorgeworfen, sich in Bereiche einzumischen, die ihn schlicht nichts angehen. So etwa, als er in der Causa des bei der Nati in Ungnade gefallenen Verteidiger-Talents Lian Bichsel vorprescht, sehr zum Unmut der Nati-Führung um Lars Weibel und Fischer. Auch werden Klagen aus der SIHF-Geschäftsstelle in Glattbrugg ZH nach Aussen getragen, dass es mit Schärer im persönlichen Umgang schwierig sei.

September 2024

Blick macht die Opposition gegen Schärer unter dem Titel «SIHF-Präsident Schärer auf der Abschussliste» publik. Er habe die Gräben zwischen Liga und Verband noch vertieft, statt diese zuzuschütten, ist einer der meistgenannten Vorwürfe. Zudem hatte sich Schärer direkt an die Präsidenten der NL-Klubs gewandt und sie aufgeboten, um sportstrategische Themen zu erläutern, und so die Sportdirektoren und Geschäftsführer rechts überholt – was diesen gar nicht passte. Auch dass er nicht aus Hockeykreisen stammt – bei seiner Wahl noch ein Pluspunkt – wird ihm inzwischen vorgehalten. Schärer stellt sich den Vorwürfen und versucht, sie zu entkräften. Von einem Rücktritt will er zu diesem Zeitpunkt nichts wissen, es entspricht nicht seinem Sportsgeist, bei Gegenwind gleich einzuknicken. Die diskutierte Einberufung einer ausserordentlichen GV könnte für die Anti-Schärer-Front zum Eigentor werden, weil es zu diesem Zeitpunkt doch auch noch Fürsprecher für ihn gibt, die finden, man könne ihn nach dieser kurzen Amtszeit nicht abwählen und sich einem solchen Medienspektakel aussetzen.

November 2024

Während Schärer eine Erfolgsmeldung zu verbuchen hat und den unsäglichen Wappenstreit beendet, zieht sich im Hintergrund die Schlinge weiter zu. Schärer ist im ganzen Hockey-Gebilde immer mehr auf sich allein gestellt. Der zuvor noch moderate HCD-Präsident Gaudenz Domenig wirft ihm in der NZZ vor, mit der Dampfwalze eingefahren zu sein. Es gibt für ihn auch noch eine zweite, wenn auch ungewollte Erfolgsmeldung: Schärer hat es geschafft, die Liga und den Verband wieder näher zusammenzubringen. Allerdings nicht so, wie er sich das vorgestellt hat, sondern weil der gemeinsame Widerstand gegen ihn weiter wächst.

Dezember 2024

Von der Geschäftsstelle in Glattbrugg sind Streikdrohungen zu hören, entsprechende Pläne wurden am Weihnachtsessen geschmiedet. Am Wochenende sagt Marc Lüthi im Blick auf die Frage, wie sich Schärer macht: «Schönes Wetter draussen, nicht?» Und dann geht es am Montag und Dienstag plötzlich ganz schnell – der grosse Knall wird orchestriert. Der inzwischen völlig isolierte Schärer wird alternativlos zum Rücktritt gedrängt, bis er schliesslich einwilligt. Anschliessend wird noch an der offiziellen Rücktrittsmeldung gefeilt, sodass alle halbwegs aus der Nummer rauskommen, ohne komplett das Gesicht zu verlieren. Die Hauptfiguren in diesem Schauspiel gehen auf Tauchstation. «Ich werde nicht öffentlich nachtreten», sagt Lüthi. «Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nichts, wir müssen nach vorne schauen», meldet Zahner. Und auch Schärer beisst sich auf die Zunge, als er Blick höflich mitteilt: «Alles, was es zu sagen gibt, steht in der Medienmitteilung.»

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Davos
HC Davos
29
31
57
2
ZSC Lions
ZSC Lions
26
31
55
3
Lausanne HC
Lausanne HC
28
2
50
4
SC Bern
SC Bern
28
18
49
5
EHC Kloten
EHC Kloten
29
-5
47
6
EV Zug
EV Zug
28
19
46
7
EHC Biel
EHC Biel
28
4
40
8
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
28
-11
39
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
29
-6
39
10
SCL Tigers
SCL Tigers
27
1
38
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
26
1
36
12
HC Lugano
HC Lugano
27
-22
33
13
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
29
-20
33
14
HC Ajoie
HC Ajoie
28
-43
23
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