Auf einen Blick
- Gehirnerschütterungen im Frauen-Eishockey: Ursachen und Präventionsmassnahmen
- Mundschutz und spezielle Übungen können Hirnerschütterungen vorbeugen
- In Schweden sind Gehirnerschütterungen bei Spielerinnen um 75 Prozent zurückgegangen
Zwei Irrtümer halten sich beim Thema Gehirnerschütterungen im Eishockey hartnäckig: Zum einen ist da der Glaube, dass die Verletzung nur nach Checks auftritt. Und zum anderen ist die Annahme verbreitet, dass Frauen davor gefeit sind, weil bei ihnen keine Checks erlaubt sind.
Der EVZ schreibt im aktuellen Klubmagazin «Eiszeit», dass das Team in dieser Saison «zahlreiche verletzungsbedingte Ausfälle» zu verzeichnen hatte. Hauptursache: Gehirnerschütterungen.
Der Medical Staff der Zugerinnen ist alarmiert. «Eine Möglichkeit zur Vorbeugung besteht im Tragen eines Mundschutzes. So werden einerseits Schläge gedämpft, andererseits herrscht mehr Spannung auf dem Nacken», wird Physiotherapeutin Naemi Rüesch zitiert. Zudem hat man besondere Übungen ins Trainings- und Warm-up-Programm eingebaut – für den Nacken, aber auch für die Augen, damit diese dem Spiel länger folgen können.
Letzteres ist im Frauen-Hockey doppelt wichtig, merkt SCB-Athletiktrainer Steven Lingenhag an: «Weil die scheibenführende Spielerin weiss, dass sie nicht gecheckt werden darf, kann sie ihren Kopf unten halten. Dabei wäre es massgebend, um gefährliche Situationen zu vermeiden, dass sie ihn heben und das Geschehen um sie herum im Blick hat.» Denn meistens kommt es dann zu Gehirnerschütterungen, wenn eine Spielerin eine Situation falsch einschätzt oder nicht gefasst ist. Dabei braucht es nicht mal einen harten Check, sondern für ein Schleudertrauma reicht auch ein Zusammenstoss oder leichter Schubser.
Betreuung der Spielerinnen hat Lücken
Auch in Bern wird auf Nackentraining geachtet. «Studien zeigen, dass ein Aufbau der Nackenmuskulatur hilft, den Schweregrad einer Gehirnerschütterung zu minimieren», so Lingenhag.
Bei Beschwerden und Symptomen werden den Spielerinnen spezielle Physio-Programme abgegeben. Dabei wird – wie bei allen Klubs – dem «Return to Play»-Protokoll vom Verband gefolgt, einem Sechspunkteprogramm. Eine Schwierigkeit allerdings sieht Lingenhag im Frauen-Hockey: «Nicht überall bekommen die Spielerinnen eine gleich umfassende Betreuung wie bei den Männern. In der Versorgung sind noch Lücken da.»
Ein Beispiel: Gehirnerschütterungen bleiben unentdeckt, weil die Spielerin am Tag nach dem Match oder Training oft wieder zur Arbeit muss, obwohl sie vielleicht leichte Kopfschmerzen oder Übelkeit plagen. Beides sind Symptome einer Gehirnerschütterung.
Schweden geht einen anderen Weg
Auch Walter Kistler, Klubarzt des HC Davos, befürchtet Dunkelziffern und berichtet von Schätzungen aus der nordamerikanischen Profi-Liga der Frauen (PWHL), dass es pro Team pro Saison eine bis zwei Gehirnerschütterungen gibt.
In der sehr professionell geführten Frauen-Liga in Schweden, der SDHL, hat man sich die Frage gestellt, welche Auswirkung das Erlauben von Checks auf die Verletzungsanfälligkeit haben könnte. Ab 2018 wurde mehr Körperspiel zugelassen. Die Folge: Die Fälle der Gehirnerschütterungen bei den Spielerinnen sind um 75 Prozent zurückgegangen. Deshalb haben die Liga-Verantwortlichen ab der Saison 2022/23 Checks in Bandennähe zugelassen. Laut einer veröffentlichten Umfrage aus der letzten Saison hätten die Spielerinnen sogar die generelle Einführung von Checks befürwortet.
HCD-Arzt Kistler rät, die Spielerinnen bereits im Training besser vorzubereiten. «Für die Verletzungsprävention ist ihre Reaktionsfähigkeit wichtig. Sie müssen bereit sein, um einen Schlag abfangen zu können.» Nur wer Checken lerne, lerne auch, Checks anzunehmen. Aufmerksamkeit ist generell hilfreich. Denn nicht nur Checks führen zu Gehirnerschütterungen, sondern zum Beispiel auch Puck-Treffer an den Kopf oder ein Umfallen bei normalen Zweikämpfen.