Sie kommt aus dem Nichts, doch am Freitagabend könnte sie schon Europameisterin sein: Die Basler Boxerin Gabi «Balboa» Timar (35) macht ihrem Kampfnamen alle Ehre. «Ich komme von ganz unten, als Aussenseiterin, die niemand auf der Rechnung hat», sagt sie, als sie Blick am Basler Rheinufer trifft. Wie Rocky Balboa eben, der von Sylvester Stallone verkörperte Filmheld, der in den «Rocky»- und «Creed»-Filmen seit 1976 für Furore sorgt.
Mit Hollywood-Star Stallone hat sie noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie war 16 Jahre lang Bodybuilderin. «Wie meine ganze Familie. Mein Vater, meine Geschwister, meine Mutter, alle haben Bodybuilding gemacht. Das war ein Lifestyle», sagt die Rumänin, die 2016 in Basel eine Freundin besuchte und kurzerhand blieb. «Schon als Vierjährige habe ich Kraftübungen gemacht.» Ein Cousin brachte es sogar bis ins Gym von Arnold Schwarzenegger in Los Angeles, nahm an Wettkämpfen teil. Aber es war vor allem Papa Tica, dem die kleine Gabi nacheiferte.
Ihr Vater starb kurz vor seinem 60. Geburtstag
Später wurde er ihr grösster Fan. Doch mittlerweile ist Tica nicht mehr da. «Er hat gesund gelebt, war nicht einen Tag krank in seinem Leben. Er hat immer Sport gemacht, old school, nur mit natürlicher Nahrung, nicht wie die Bodybuilder heute. Dann plötzlich die Diagnose: Krebs. Kurz vor seinem 60. Geburtstag ist er gestorben.» Ein erstes Mal hatte Tica den Kampf noch gewonnen, beim zweiten Mal war der Leberkrebs stärker. Ihre Stimme wird leise. «Es ist im Juni 2020 passiert, als auf der ganzen Welt Lockdown war. Ich konnte nicht reisen, konnte mich darum nicht richtig von ihm verabschieden. Es ging so schnell, es gab nichts, was ihn retten konnte. Und ich durfte nicht dort sein. Ich musste die Abdankung via Zoom verfolgen. Das tut mir bis heute weh. Diese Leere werde ich nie füllen können, zuerst hat mich das traurig gemacht, mittlerweile bin ich wütend.» Was sie dagegen tut? Timar überlegt: «Ich weine es raus.»
Jahrzehntelang fristeten die Frauen im Boxen ein Mauerblümchendasein. Auch in der Schweiz. Erst 1999 erlaubte der Schweizer Verband den Frauen, eine Profilizenz zu lösen – nachdem die Bernerin Christina Nigg 1998 mit US-Lizenz Weltmeisterin geworden war. Die ersten Olympia-Medaillen gab es für Frauen noch viel später: 2012 in London war es so weit.
Zwar sind die Gagen auch heute noch nicht auf dem Level wie bei den Männern, die vierstellige Summe, die die Baslerin Gabi Balboa für ihren EM-Kampf gegen Cassandra Crevecoeur bekommt, deckt ihren Aufwand nicht einmal im Ansatz.
Doch es tut sich was im Frauenboxen: Am Wochenende bestritten die Irin Katie Taylor und die Puertoricanerin Amanda Serrano im New Yorker Madison Square Garden zum ersten Mal den Hauptkampf. Ein illustrer Schauplatz, schliesslich gilt der «MSG» als berühmteste Arena der Welt: Hier boxte Rocky Marciano, 1971 kämpften Muhammad Ali und Joe Frazier um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft, Frank Sinatra war Stammgast am Ring. Dass erstmals die Frauen an dieser Stelle die erste Geige spielen, darf den Profi-Frauen Hoffnung geben.
Jahrzehntelang fristeten die Frauen im Boxen ein Mauerblümchendasein. Auch in der Schweiz. Erst 1999 erlaubte der Schweizer Verband den Frauen, eine Profilizenz zu lösen – nachdem die Bernerin Christina Nigg 1998 mit US-Lizenz Weltmeisterin geworden war. Die ersten Olympia-Medaillen gab es für Frauen noch viel später: 2012 in London war es so weit.
Zwar sind die Gagen auch heute noch nicht auf dem Level wie bei den Männern, die vierstellige Summe, die die Baslerin Gabi Balboa für ihren EM-Kampf gegen Cassandra Crevecoeur bekommt, deckt ihren Aufwand nicht einmal im Ansatz.
Doch es tut sich was im Frauenboxen: Am Wochenende bestritten die Irin Katie Taylor und die Puertoricanerin Amanda Serrano im New Yorker Madison Square Garden zum ersten Mal den Hauptkampf. Ein illustrer Schauplatz, schliesslich gilt der «MSG» als berühmteste Arena der Welt: Hier boxte Rocky Marciano, 1971 kämpften Muhammad Ali und Joe Frazier um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft, Frank Sinatra war Stammgast am Ring. Dass erstmals die Frauen an dieser Stelle die erste Geige spielen, darf den Profi-Frauen Hoffnung geben.
Und doch bleibt etwas von Papa Timar, der sogar nach seinen Chemotherapie-Sessions weiter trainierte und seine 20 Kilometer am Tag lief. «Er war ein Krieger. Diese Mentalität trage ich auch in mir.»
Ihre Familie hat sie noch nie kämpfen sehen
Vor ihrem EM-Fight gegen die Französin Cassandra Crevecoeur am Freitag in Calais (Fr) ist klar: Balboa, die vor ihrem Leben als Profiboxerin ein Jura-Studium abschloss, muss deutlich siegen. «Ich kämpfe auf gegnerischem Territorium, Publikum und Punktrichter werden nicht auf meiner Seite sein. Ich muss ein deutliches Resultat erzielen – am besten durch k.o.» Ihre Familie wird nicht dabei sein, wenn die Frau vom Boxclub Basel im Leichtfliegengewicht (bis 49 kg) um den EBU-Europameistertitel boxt. «Sie haben mich noch nie kämpfen sehen. Das bedauere ich am meisten. Ich weiss, dass sie stolz auf mich sind.»
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Hält sich das Schicksal ans Rocky-Drehbuch, muss Aussenseiterin Balboa in ihrem 7. Profi-Fight (bisher 6 Siege) der Coup gelingen. Ihre Vorteile: Sie ist grösser, sie ist fit, sie hat den unbedingten Willen. Vielleicht wird dann die Verwechslungsgefahr noch grösser. «Kürzlich hat mich ein Mann gefragt, ob ich mit Rocky verwandt sei», erzählt sie. «Ich glaube, der meinte das ernst.»