Wenn der Schweizer NBA-Star Clint Capela spricht, klingt er immer ein bisschen weise. Seine tiefe Stimme gibt den Aussagen des 2,08-m-Riesen ein zusätzliches Gewicht. «Ich drehe nicht durch, nur weil ich Geld habe», sagt der Center der Atlanta Hawks, der seine Jugend in Armut und einen Teil davon in Kinderheimen verbrachte. Vor zwei Jahren unterschrieb er einen Mega-Vertrag, der ihm über fünf Jahre lang mindestens 80 Millionen US-Dollar einbringt. «Ich will, dass die nächsten Generationen, meine Kinder und Enkelkinder, dereinst sorglos leben können. Sie sollen machen können, was sie wollen, aber auch wissen, wo das Geld herkommt.»
Er ist jetzt erwachsen
Dazu muss man wissen: NBA-Stars und Geld, das ist so eine Sache. «Sports Illustrated» berichtete einst, dass 60 Prozent der NBA-Profis innert fünf Jahren nach ihrem Karriereende bankrottgehen. Lag darum beim letzten Besuch von SonntagsBlick vor der Pandemie, Capela spielte noch für die Houston Rockets, in seinem Spind der Investitionsratgeber «Crushing it»? Darauf angesprochen, zieht damals ein breites Grinsen über Capelas Gesicht. «Ich habe noch nicht damit angefangen. Aber ich beschäftige mich viel mit Investments. Und ich bin generell ein neugieriger Mensch. Ich lese viel, ich schaue Dokumentationen, ich versuche, mit möglichst vielen Leuten zu sprechen und von ihnen zu lernen.»
Seine Lieblingsthemen: «Geschichte, Finanzen, Kommunikation.» Einen Vorteil, den der Genfer hat: Er ist Schweizer. «Es hat nicht jeder, der so jung zu so viel Geld kommt, eine so gute Bildung genossen wie wir in der Schweiz. Diese Basis hilft mir sehr.»
Heute kommen eine ganze Reihe junger NBA-Stars in den Genuss von Capelas Weisheiten. Denn bei den Atlanta Hawks, für die er im ersten Saisonspiel in der Nacht auf Heiligabend sein Debüt geben wird, ist der Schweizer der Chef. Gaben bei den Houston Rockets Superstars wie James Harden (31), Chris Paul (35) oder Russell Westbrook (32) den Ton an, ist Capela in Atlanta nun eines der Zugpferde.
«Wir sind ein sehr junges Team», sagt er. «In Houston war ich der Jüngste. Hier in Atlanta gibt es viele Spieler, die 20, 22, 23 Jahre alt sind.» Bedeutet: «Ich muss mehr führen. Für mich ist es auch eine Chance, mehr Verantwortung zu übernehmen.»
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«Capela ist der wirkungsvollste Zug, den Atlanta tätigen konnte»
Capela soll den Hawks um die Top-Talente Trae Young (22) und John Collins (23) helfen, den nächsten Schritt zu machen. In der Abwehr soll der Schweizer für Stabilität sorgen, in der Offensive als Antreiber wirken und als Abnehmer für Youngs Pässe. Capelas spektakuläres Spiel, der totale Einsatz, die Dunks, Rebounds und Blocks, die Basketball-Fans im Stadion und vor den Bildschirmen aus dem Sessel aufspringen lassen, dürften auch in Atlanta gut ankommen. «Der Transfer von Capela ist ungefähr der wirkungsvollste Schachzug, den Atlanta tätigen konnte», meint der renommierte NBA-Journalist John Hollinger von «The Athletic».
Und er wird eben auch abseits des Parketts eine wichtige Rolle übernehmen, als Mentor und Anführer seiner jungen Truppe. «Ich bin in den letzten Jahren erwachsen geworden», sagt er. Jetzt soll er den jungen Kollegen helfen, dasselbe zu tun – ohne dabei in der NBA-Glitzerwelt den Blick aufs Wesentliche zu verlieren.
Verlockungen gibt es schliesslich genug. Als reicher junger Mann sei es nicht einfach, eine Frau zu finden, die ihn aus den richtigen Gründen toll finde, erklärt Capela letzten Dezember in Houston. «Ich bin noch jung, ich lerne noch dazu. Viele Basketball-Profis heiraten jung, bekommen früh Kinder. Ich lasse mir Zeit. Schliesslich will ich mit der Mutter meiner Kinder den Rest meines Lebens verbringen. Das dürften immerhin 50 Jahre oder mehr sein.»
Hungrig aufs Comeback
Nicht ganz so lange musste er darauf warten, dass es endlich wieder losgeht. Ende Januar spielte er das letzte Mal für Houston, wurde dann nach Atlanta transferiert. Die Hawks, ohnehin schon nicht mehr im Rennen um die Playoff-Plätze, zogen ihn aus dem Verkehr und liessen ihn die langwierige Fussverletzung auskurieren, die er monatelang schon mit sich herumgeschleppt hatte.
Jetzt ist er vor allem hungrig aufs Comeback. «Elf Monate ohne Spiel waren eine lange Zeit», sagt er. «So lange habe ich noch nie Pause gemacht. Basketball ist mein Leben, seit ich dreizehn war.» Höchste Zeit also, dass er wieder loslegen kann. Im neuen Job als Chef.