Für seinen Einsatz in Jacksonville im sonnigen US-Bundesstaat Florida hat sich Ian Eagle (54) etwas Besonderes überlegt. Bei diesem Gastspiel der Chiefs, dieser zuletzt immer so dominanten Football-Mannschaft aus Kansas City, will der Kommentator des TV-Senders CBS eine spezielle Reminiszenz einstreuen.
Eagle muss sich bis in die zweite Halbzeit gedulden. Dann erst dreht Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes (28) und mit ihm das ganze Team langsam auf: Ein locker geworfener Pass von Mahomes fliegt in einem Bogen in die Endzone, wo sein Mitspieler Travis Kelce (34) den Ball unbedrängt fangen kann.
Genau darauf hat Eagle gewartet. «Kelce findet eine freie Stelle (engl.: «blank space») für die Punkte», brüllt er mit seiner in solch aufregenden Momenten oft röhrigen Stimme ins Mikrofon. Und ab da ist Eagle ein Stück Internet-Geschichte.
Swift an der Seite des Kleiderschranks
An jenem Wochenende Mitte September hat Taylor Swift für einmal frei. Nach drei Monaten und insgesamt 50 Konzertauftritten in den USA hat sich die 34-Jährige ein paar ruhige Wochen ausbedungen, ehe es für einen weiteren Konzert-Marathon nach Südamerika und Asien geht. Doch das mit der Ruhe ist so eine Sache bei Swift. Denn die Partie in Jacksonville sollte eins der letzten Chiefs-Spiele sein, das der Pop-Superstar von nun an verpassen würde.
Schon am Wochenende darauf verfolgt sie zum allerersten Mal ein Heimspiel von Kansas City live aus einer der gediegenen Logen. Nach dem Match erspähen TV-Kameras dann, wie sie das Stadion spät am Abend in Begleitung von Travis Kelce wieder verlässt. Kelce, dieser 1,96 m grosse Schrank von einem Mann, der eben noch in Florida diesen Pass seines Quarterbacks gefangen hat. Und spätestens ab da ist auch dieses Duo ein Stück Internet-Geschichte.
American Football – der männliche Sport
Mit Taylor Swift als Edel-Footballfan kommt zusammen, was Jahrzehnte einfach nicht zusammenpassen wollte. Die Sängerin, die einst im US-Country ihre Karriere gestartet hatte und mittlerweile im Mainstream-Olymp angekommen ist, erschliesst der National Football League (NFL) Märkte, von denen sie zuvor trotz jahrelangen Millionen-Investitionen nur träumen konnte. Der archaische Sport musste sich seit jeher vorwiegend aufs männliche Publikum beschränken. Mit Swift in Fan-Utensilien im Stadion kommt auf einen Schlag eine sehr junge und vor allem weibliche Zielgruppe dazu.
Über eine halbe Milliarde Menschen verfolgen Swift auf den sozialen Medien. Wenn nun also Ian Eagle auf CBS plötzlich von Travis Kelce in einem «blank space» redet und damit gewitzt aus einem der grössten Hits von Taylor Swift zitiert, verbreitet sich das neuerdings in Windeseile im Netz und macht den Sport zugänglich für Leute, die zuvor nie etwas von einem Touchdown (Punktegewinn im American Football), geschweige denn von einem Tight End (die Position, die Travis Kelce spielt) gehört haben.
Der NFL-Boss reibt sich die Hände
21 Wochen und 19 Spiele sind seit dem Spiel in Jacksonville – die Chiefs siegten im Übrigen 17:9 – vergangen. In der NFL steht in der Nacht auf Montag mit dem Super Bowl das grosse Saisonfinale an, und Kansas City hat sich mal wieder bis ins Endspiel vorgearbeitet. In den letzten vier Finals war das Team dreimal dabei. Und doch unterscheidet sich dieser Super Bowl tiefgreifend von den letzten Jahren.
Zwölfmal wurde Taylor Swift in dieser Saison an Chiefs-Spielen gesichtet. Und jeder Auftritt wirkte wie ein Katalysator für die neue Liaison zwischen dieser glitzernden Pop-Welt mit den Fans aus aller Welt und dem Football, der sich mit seinen patriotischen Festakten und der im Sport vermutlich einzigartig brachialen Art als ur-amerikanisch sieht. Dass Swift und Kelce ein Liebespaar sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Und so äussert sich mittlerweile sogar schon NFL-Boss Roger Goodell (64) zu dem neuen Phänomen: «Sie ist eine tolle Künstlerin, er ist ein toller Sportler. Es ist völlig klar, dass wir uns über diese Aufmerksamkeit sehr freuen.»
Noch mehr Freude dürften Goodell aber die zusätzlichen Einnahmen bereiten. Experten erwarten, dass der diesjährige Super Bowl alle Zuschauerrekorde brechen wird. Und bei den Werbeeinnahmen mischen neben den traditionell auf Männer ausgerichteten TV-Spots für Bier, Pick-ups und Fast Food laut «Forbes» nun auch aussergewöhnlich viele Marken mit Fokus auf eine weibliche Zielgruppe mit.
Der Quarterback, der gar nicht im Final sein dürfte
Alles anders ist in diesem 58. Super Bowl auch beim Aufeinandertreffen auf dem (Kunst-)Rasen. Die letzte Hürde auf dem Weg zum vierten Titel für Kansas City sind in diesem Jahr die San Francisco 49ers mit ihrem Spielmacher Brock Purdy. Der 24-Jährige ist wie Taylor Swift auch so eine Figur, die im traditionellen Football-Verständnis keinen Platz in einem Super Bowl hätte.
Im üblichen Auswahlverfahren, bei dem alle NFL-Teams der Reihe nach Nachwuchsspieler aus den College-Mannschaften rekrutieren dürfen, war Purdy 2022 als allerletzter Akteur ausgewählt worden. Das brachte ihm den liebevoll gemeinten, aber auch etwas abschätzigen Beinamen «Mr. Irrelevant» ein, weil den letztgezogenen Spielern eigentlich nie eine grosse Karriere in der Liga vergönnt ist.
Gute Umstände und offenbar von vielen Scouts übersehenes Talent liessen den jungen Mann aus der Kleinstadt Queen Creek in Arizona aber kometenhaft aufsteigen, sodass Purdy in der Nacht auf Montag als erster Mr. Irrelevant überhaupt auf der Position des Quarterbacks im Super Bowl triumphieren könnte.
Superstar im Reisestress
Wieder im Stadion in Las Vegas dabei sein wird dann wohl auch Taylor Swift. Am Samstagabend steht sie zwar noch in Tokio auf der Bühne, soll aber dank Zeitverschiebung und Privatjet pünktlich fürs Endspiel in der Stadt in der Wüste Nevadas landen.
Kritik hagelte es ob dieser wilden Flugpläne (am 16. Februar tritt Swift wieder in Melbourne (Aus) auf) ausgerechnet vom konservativen US-Newskanal Fox, der sonst nicht für eine ausgedehnte Berichterstattung zum Klimawandel bekannt ist. Aber bei diesem Super Bowl ist eben alles ganz anders.