Diese Worte schlagen ein wie Raketen. Das anonyme Benutzerkonto «Swiss Vatnik» feuert sie in Serie ab, auf Twitter, auf Telegram. Mehr als 40'000 lesen mit: «Putin hat der Armee wieder Respekt und Ehre verschafft.» Oder: Die gesamte Menschheit werde «die Autorität Russlands anerkennen!»
«Vatnik» ist ein Slang-Ausdruck für blinde Anhänger des russischen Regimes. Swiss Vatnik meldet sich mehrmals in der Stunde zu Wort, meist auf Russisch. Die Kernaussagen sind immer dieselben: Der Krieg gegen die Ukraine ist nötig, das Land muss von Nazis befreit werden, der Westen lügt und vor allem: Wladimir Putin ist ein grosser Staatsmann.
Auf diversen Plattformen zu Hause
Doch wer steht hinter dem Pseudonym? SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Die Profile gehören der Zürcher Russin Daria F.*. Sie ist die wichtigste Akteurin der russischen Propagandakampagne in der Schweiz. Über diverse Plattformen steuert sie ihre Desinformationsgeschosse ins Ziel. Und: Sie hat beste Verbindungen bis in den Kreml.
Daria F. trägt ihr Idol stets bei sich – auf der Rückseite ihres Smartphones prangt das Konterfei des russischen Kriegspräsidenten. Ihm ist sie treu ergeben.
Auf ihren Kanälen feiert F. auch den tschetschenischen Kriegsverbrecher Ramsan Kadyrow, der Putin bedingungslos unterstützt und seine Truppen ebenfalls in die Ukraine geschickt hat. Beiträge über Kadyrow versieht F. mit einem Herzchen.
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Direkt aus Propagandaküche Moskaus
Viele Nachrichten in ihrem Telegramkanal übernimmt die Zürcherin direkt aus der Propagandaküche Moskaus. Etwa dann, wenn sie schreibt: «Im Westen herrscht eine geradezu bestialische Russophobie.» Oder wenn sie Veteranen des «vaterländischen Krieges» zitiert, die behaupten: «Wir retten wieder einmal die Welt von der faschistischen Plage.»
Doch wer ist diese Frau, die im Netz seit Wochen Zehntausende mit Kriegspropaganda versorgt?
Dankesschreiben von Putin
F. fungiert als Mediensprecherin des Unsterblichen Regiments Russlands, einer nationalistischen Organisation, die jedes Jahr Märsche im Gedenken an die Gefallenen der Roten Armee organisiert. Das Unsterbliche Regiment startete als unabhängige Graswurzelbewegung. Doch wie so viele patriotische Vereinigungen wurde es schon bald vom russischen Staat vereinnahmt. Leute aus dem Umfeld des Kreml drängten in die Organisation.
2015, zum 70. Jahrestag des Sieges über Nazideutschland, setzte sich Wladimir Putin in Moskau höchstpersönlich an die Spitze eines Marsches mit 500'000 Teilnehmern, neben ihm ging einer seiner Verbündeten – ein guter Bekannter von Daria F.: Wasilij Lanowoj, der ehemalige Anführer des Unsterblichen Regiments. Als er 2021 starb, kondolierte Putin dessen Familie persönlich.
Mittlerweile ist das Unsterbliche Regiment in Dutzenden von Ländern aktiv. «Überall dort, wo russischsprachige Menschen leben, marschiert das Unsterbliche Regiment», sagte F. im Interview eines Blogs. Sie und weitere ranghohe Aktivisten der Organisation erhielten Dankesschreiben des russischen Präsidenten. Putin würdigte darin den Beitrag von F. zur Bewahrung des historischen Gedächtnisses.
Der Einfluss der Russin reicht noch weiter. Sie steht auch hinter der Internetplattform ladoshki.ch, laut eigenen Angaben «die grösste schweizerisch-russischsprachige Website». Das Portal rühmt sich, wichtige Informationen für Russinnen und Russen in der Schweiz zu bieten. Zurzeit jedoch fällt es vor allem mit ungefilterter Staatspropaganda auf und mit Schlagzeilen wie «Putin hat alles richtig gemacht».
F. pflegt Verbindungen zu russischem Machtapparat
Inwiefern F. ihre Aktivitäten auf Geheiss Moskaus betreibt, lässt sich nicht abschliessend beurteilen. Klar hingegen ist: Sie pflegt enge Verbindungen in den russischen Machtapparat. Fotos zeigen sie gemeinsam mit Sergei Garmonin, dem russischen Botschafter in Bern. Von der Zeitung «20 Minuten» auf die Invasion in der Ukraine angesprochen, antwortete dieser kürzlich: «Von welcher Invasion sprechen Sie? Es geht um eine Sonderoperation zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung.» 2020 besuchte F. mit Garmonin ein Denkmal für Sowjetsoldaten in Basel.
Später reiste sie nach Moskau und traf sich in der Duma – dem russischen Parlament – mit mehreren Putin-Getreuen. Auf einem Foto posierte sie mit Pawel Schperow, der bis vor kurzem als Abgeordneter für die ultranationalistische LDPR in der Duma sass.
Schperow auf Sanktionslisten des Westens
Im Westen gilt Schperow als Persona non grata. Er steht auf den Sanktionslisten der USA, der EU – und der Schweiz. Grund: Er war sowohl militärisch als auch politisch massgeblich an der illegalen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim beteiligt.
SonntagsBlick hätte gern mit Daria F. geredet. Ihre Sicht der Dinge angehört. Doch die Mediensprecherin reagierte nicht auf Medienanfragen. Stattdessen blockierte sie die Nummer des Journalisten.
Um sich ein Bild von dieser Frau zu machen, bleiben also nur ihre Aussagen auf Telegram, etwa ein Aufruf von gestern: «Wir werden keine weiteren Lügen mehr dulden. Wir sind bereit für Blut, harte Arbeit, Tränen und Schweiss. Wir werden Gemüsegärten pflügen und wenn nötig Kartoffeln anpflanzen.»
Absenderin: Daria F. – Fangirl des russischen Despoten und glühende Kriegsbefürworterin.
* Name geändert