Wie Sie sehen, sind Liebesgefühle und Liebesverhalten längst nicht dasselbe. Wir können uns problemlos in jemanden verlieben, der oder die uns nicht guttut. Diese Gefühle entstehen spontan und rasant und ausserdem völlig unabhängig davon, wie viel wir über die davon betroffene Person wissen. Sie sind folglich mit grosser Vorsicht zu geniessen, da sie auch jemandem gelten können, der sie gar nicht verdient.
Umgekehrt ist es genauso gut möglich, dass jemand liebt, aber nicht in der Lage ist, sich adäquat zu verhalten, also respektvoll und korrekt. Die Gründe dafür liegen im Charakter sowie in der Kindheit. Wer als Kind immer wieder ablehnende und entwertende Erfahrungen machen musste, erlitt eine destruktive Prägung, die das spätere Verhalten negativ beeinflusst. Natürlich sind solche Menschen immer noch in der Lage, sich zu verlieben und jemandem ernsthaft zugeneigt zu sein – aber leider heisst das nicht, dass sie deswegen den nötigen Respekt zeigen. Zwar kennt jeder das Wort, viele verstehen aber nicht seine Bedeutung.
Ihre Überlegung des «Zurückliebens» funktioniert daher nicht. Nur weil Sie so empfinden, haben Sie leider keinen Anspruch auf anständiges Benehmen. Das ist ein Trugschluss. Er soll Sie aber nicht an sich zweifeln lassen – mit Ihren Gefühlen ist alles in Ordnung. Sie sollten einfach künftig sorgfältiger damit umgehen. Also nicht stumm darauf hoffen, dass man Sie gut behandelt, sondern diesen Mann hier verabschieden und den nächsten fragen, worin sein Kindheitsknacks bestehe und wie er damit umgehe. Was er also dafür tue, um Sie davon zu verschonen. Das Ziel ist, dass Sie nie wieder in eine solche Lage geraten und rechtzeitig die Notbremse ziehen. Man darf in Liebesdingen keine falschen Kompromisse eingehen, das rächt sich immer – und Lebenszeit ist beschränkt.