New York, Montagabend: Gebannt schaut ein halbes Dutzend Leute auf die TV-Bildschirme in einer Bar in Midtown Manhattan. Sie sehen, wie ihr Präsident nach dreitägigem Spitalaufenthalt aufgrund seiner Corona-Infizierung mit dem Helikopter ins Weisse Haus zurückkehrt. Donald Trump (74) geht die Treppe hoch, dreht sich um, winkt in die Kameras und reisst sich die Schutzmaske demonstrativ vom Gesicht. Kurz zuvor hat er auf Twitter dem Volk mitgeteilt: «Habt keine Angst vor Covid, lasst das Virus nicht euer Leben dominieren.»
Es ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden New Yorkers. Die Stadt und ihre Menschen durchleben seit über einem halben Jahr einen Albtraum, aus dem man nur langsam erwacht. Im Frühjahr war Manhattan der Corona-Hotspot der Welt. Über 23'000 Menschen hat das Virus innert Wochen dahingerafft. Die Überlebenden haben den Tod buchstäblich an der Wohnungstür vorbeifahren sehen, als die Leichenwagen im Dauereinsatz waren.
Leise Hoffnung auf Kurswechsel
«Das ist sogar für Trump unter der Gürtellinie», sagt der Wirt zu seinen Gästen am Bartresen, ehe er sich verärgert abwendet. In seinen Worten schwingt wohl auch Frust mit, denn: In Amerika hegte man für wenige Stunden die leise Hoffnung, dass die Covid-Infizierung des Präsidenten dessen Corona-Kurs ändern könnte. Genährt wurde dieser Glaube durch eine Videobotschaft aus dem Spital, in der Trump die wohl versöhnlichsten Worte seiner Präsidentschaft wählte: «Die parteiübergreifenden Genesungswünsche der Amerikaner sind sehr schön. Ich schätze das sehr und werde es nicht vergessen. Das verspreche ich euch.»
Tage später sollte sich herausstellen, dass sich Trump zum Zeitpunkt dieser Aufnahme von schweren Corona-Symptomen erholte. Als der Präsident am Freitag vor einer Woche ins Spital geflogen worden war, hatte er hohes Fieber. Er erhielt im Weissen Haus gar zweimal zusätzlichen Sauerstoff. Wohl dank der neusten Medizin und einer Armee von Ärzten ging es ihm schnell besser.
Fragen zu Trumps Gesundheitszustand
Und der angeblich geheilte US-Präsident hat seine versöhnlichen Worte und sein Versprechen nach der Rückkehr schnell vergessen. Im Verlauf der Woche greift er seine politischen Gegnern bereits wieder in gewohnter Manier an: Kamala Harris (55) bezeichnet er nach der Debatte der Vizepräsidenten als «Monster», Joe Biden (77) als «Angsthasen», weil dieser angesichts seines potenziell immer noch infektiösen Gegners eine virtuelle TV-Debatte bevorzugt.
Eine fragwürdige Rolle spielt dabei einmal mehr das Weisse Haus, das in den vergangenen vier Jahren immer wieder mit Intransparenz aufgefallen ist. Die ganze Woche weisen Trumps Leibarzt Sean Conley (40) und diverse Pressesprecher Fragen zum Gesundheitszustand des Präsidenten zurück. Wann Trump das letzte Mal negativ auf Covid-19 getestet wurde, ist ebenso ungewiss wie sein letzter positiver Corona-Test.
So besteht derzeit vermutlich immer noch die Wahrscheinlichkeit, dass der US-Präsident Mitmenschen anstecken könnte. Auch ein Rückfall ist wohl nicht auszuschliessen. Trump selbst nährt solche Spekulationen mit immer wahnsinnigeren Tweets und einem bemerkenswerten TV-Interview am Donnerstagabend, bei dem er laut hörbar hustet und röchelt.
Trotz Corona-Erkrankung: Trump bleibt Trump
Washington, gestern Samstag: Trump tritt auf den Balkon des Weissen Hauses, auf der Südwiese vor seiner Residenz empfangen ihn rund 2000 geladene Anhänger mit Sprechchören. Dabei warnte Trump vorab vor Biden. Dessen Programm sei «sozialistisch» oder gar «kommunistisch» und würde das Land in die Krise stürzen. Trump versprach bei dem Auftritt erneut, dass die Pandemie bald überstanden sein werde. «Sie verschwindet und die Impfstoffe werden helfen und die Mittel zur Behandlung werden sehr viel helfen», sagte Trump. Das «China-Virus» werde «ein für allemal besiegt» werden.
Morgen will Trump sein Comeback ausserhalb Washingtons geben. Dafür reist der potenziell infektiöse Präsident in den politisch hart umkämpften Bundesstaat Florida. Dabei macht Trump dort weiter, wo er vor seinem Spitalaufenthalt aufgehört hat: Er ordnet die Gesundheit der Angestellten und der eigenen Anhänger seinem persönlichen Erfolg unter. Nach einer turbulenten Woche müssen die Amerikaner einmal mehr feststellen: Covid-Erkrankung hin oder her – Trump bleibt Trump.
Mehr zu Trumps Corona-Erkrankung
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.