Das Wetter in Spanien spielt verrückt. Temperaturen von bis zu 40 Grad treiben die Menschen schon im April an die Strände – und den Landwirten tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Nach 2022 droht ihnen bereits das zweite Jahr mit geringen Erträgen.
Spanien ist der grösste Olivenölproduzent der Welt. Die Bauern des Landes produzieren die Hälfte des weltweiten Olivenöls. In den letzten zwölf Monaten halbierte sich ihre Produktion auf etwa 780’000 Tonnen. Das hat Folgen für die Preise: Sie sind seit dem letzten Juni um fast 60 Prozent gestiegen. Auf den Rohstoffmärkten wird die Tonne aktuell für umgerechnet rund 5400 Franken gehandelt – so viel wie noch nie.
Schuld daran ist der Regenmangel, der in Spanien seit drei Jahren anhält und womöglich auch dieses Jahr kein Ende findet. Der April wird voraussichtlich der trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach Angaben des spanischen Wetterdienstes war bereits der März der zweitwärmste Monat in diesem Jahrhundert – und der zweittrockenste. Die sporadischen Regenfälle in Andalusien und anderen Gegenden dürften nicht annähernd ausreichen.
Analysten warnen, dass ein besonders trockener Sommer zu noch geringeren Ernteerträgen in diesem Jahr führen könnte. Und damit zu weiter steigenden Preisen, die das allgemeine Preisniveau nach oben drücken.
Klimawandel treibt die Inflation
Nicolai Tangen (56) leitet den grössten Staatsfonds der Welt – Norges Bank Investment Management, der die riesigen Einnahmen aus dem norwegischen Ölgeschäft verwaltet. Insgesamt verantwortet der frühere Hedgefonds-Manager ein Anlagevolumen von 1300 Milliarden Dollar.
In der «Financial Times» sagte er diese Woche, dass Inflation nur schwer zu bändigen sei. Steigende Arbeitskosten schlagen sich bereits in der Teuerung nieder. «Aber wir sehen auch Auswirkungen des Klimawandels auf die Inflation», sagte er. Steigende Preise wie etwa für Olivenöl, aber auch für Kartoffeln und Kaffee sind für Tangen klare Zeichen, dass die Teuerung in den kommenden Jahren weiter in die Höhe getrieben wird.
Befeuert der Klimawandel die Inflation? Ökonom Klaus Abberger (55) von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH bestätigt das grundsätzlich. «Insgesamt dürfte der Klimawandel eher die Preissteigerungen zusätzlich befördern», sagt Abberger, der den Bereich Konjunkturumfragen bei der Forschungsstelle leitet.
«Die Klimaforscher prognostizieren uns, dass extreme Wetterphasen häufiger werden», sagt er. Das ist nicht nur in Spanien so, sondern auch in Italien: «Vergangenes Jahr hat die Trockenheit in der Poebene die Verfügbarkeit und die Preise für Hartweizengriess deutlich beeinflusst.» 2022 war für Italien das trockenste Jahr seit 1800.
«Je nachdem, wo die Wetterphänomene auftreten, können unterschiedliche Nahrungsmittel betroffen sein», sagt der Ökonom. Bei Weizen sei zudem die Situation wegen des Ukraine-Kriegs nach wie vor angespannt. «So können sich hier mögliche Ernteausfälle sehr unmittelbar niederschlagen.»
Migros und Coop haben die Preise erhöht
In Schweizer Läden sind die Preise für Olivenöl bereits erhöht worden. «Beim Olivenöl mussten aufgrund erhöhter Preise für Verpackung, Transport und allen voran für Rohstoffe Preisanpassungen vorgenommen werden», sagt ein Coop-Sprecher auf Anfrage. Sein Kollege bei der Migros sagt, dass die Lage angespannt sei: «Das hat leider auch eine Auswirkung auf die Preise.»
Aktuell sei der Bestand an Olivenöl in der Migros aber gewährleistet, sagt der Sprecher. Eine Flasche Monini Classico kostet aktuell 14.95 Franken pro Liter. Das Olivenöl Don Pablo aus Spanien gibt es für 9.50 Franken in der Literflasche.
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Nicolai Tangen vom norwegischen Staatsfonds warnt noch vor einem anderen Phänomen. Er nennt es «Gierflation» – das heisst, dass Produzenten, Verarbeiter oder Detailhändler die Situation ausnutzen und die Preise übermässig erhöhen.
«Gier finde ich ein recht starkes Wort», entgegnet Ökonom Abberger. Was man aber gesamtwirtschaftlich tatsächlich sehe, ist, dass der Unternehmenssektor seine Margen trotz der höheren Kosten für Vorprodukte oder Energie «recht gut schützen» konnte. Das heisst, viele Unternehmen konnten laut Abberger nicht nur ihre höheren Vorleistungskosten an ihre Kunden weitergeben, sondern tatsächlich auch für ihre eigene Leistung noch einen Aufschlag durchsetzen. «Das ist in solchen Situationen nicht selbstverständlich.»
Eine Möglichkeit wäre auch, dass Unternehmen ihre höheren Vorleistungskosten mit der eigenen Marge abfedern. Doch diese Pufferfunktion des Unternehmenssektors sei «nicht sehr ausgeprägt», sagt Abberger. «Im Gegenteil, die Firmen konnten teilweise die Marge sogar noch erhöhen.»
Machen das auch die Schweizer Detailhändler? Logischerweise würde das niemand zugeben, selbst wenn es so wäre. «Coop setzt sich für faire und marktgerechte Preise ein», sagt der Sprecher. Das Unternehmen würde jede Preisforderung seitens Lieferanten sehr genau prüfen. «Sind wir mit der Preispolitik eines Herstellers nicht einverstanden, nehmen wir in letzter Instanz auch Produkte aus dem Sortiment.» Noch befindet sich Olivenöl in den Verkaufsgestellen.
*Der Journalist Beat Schmid (54) schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch