Lange hat es gedauert. Jetzt zieht die Zürcher Klimafirma South Pole einen Schlussstrich unter das umstrittene CO₂-Kompensationsprojekt Kariba. Für South Pole ist es der Super-GAU. Das Zürcher ETH-Spin-off gilt als Weltmarktführerin im Geschäft mit sogenannten CO₂-Kompensationen. Es beschäftigt weltweit über 1000 Mitarbeitende – Europachef ist der Grünen-Nationalrat Bastien Girod (42).
Eng verbunden mit diesem Erfolg ist das Kariba-Projekt im südlichen Afrika, eines der grössten Kompensationsprojekte. Firmen wie Nestlé, Porsche oder Gucci haben Kariba-Zertifikate gekauft, um ihr Unternehmen oder ihre Produkte als «klimaneutral» zu bewerben. Doch das war von Anfang an eine halbe Lüge. Denn das Projekt in Simbabwe bindet keine Klimagase, die Unternehmen auf der Nordhalbkugel in die Atmosphäre blasen.
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Es konserviert lediglich den in den Wäldern der Kariba-Region gespeicherten Kohlenstoff, indem es die Bäume vor der Abholzung schützt. Das Geniale daran: Allein durch den Waldschutz entsteht ein ökonomischer Wert in Form von Klimazertifikaten. Es versteht sich von selbst, dass dies die günstigste Form der CO₂-Kompensation ist. Sie ist viel billiger, als das Kohlendioxid in riesigen Anlagen aus der Luft zu filtern, wie es zum Beispiel Climeworks, ebenfalls ein ETH-Spin-off, macht.
Ein Millionengeschäft
Für die Betreiber – South Pole als Verkäuferin der Zertifikate und Projektbetreiberin in Simbabwe – wurde Kariba zum Millionengeschäft. Doch die Kritik hat in den letzten Monaten zugenommen. Das Fass zum Überlaufen brachten jetzt Enthüllungen des US-Magazins «The New Yorker». South-Pole-Gründer und CEO Renat Heuberger (46) sowie der lokale Projektentwickler Steve Wentzel kommen dabei besonders schlecht weg.
Offenbar war South Pole schon länger bekannt, dass Projektinhaber Wentzel mit fragwürdigen Methoden arbeitet. So konnte er nicht nachweisen, wie viel Geld die lokale Bevölkerung für den Waldschutz erhalten hat. South Pole überwies die Einnahmen aus den Zertifikaten auf ein Offshore-Konto in Guernsey, von wo aus das Geld auf verschlungenen Wegen nach Afrika floss. Wentzel sagte dem Magazin, dass er dafür ins Gefängnis gehen könnte.
Schon früh war auch klar, dass das angenommene Kompensationspotenzial des Projekts von 36 Millionen Tonnen viel zu hoch angesetzt war. Nach eigenen Angaben hat South Pole bis Februar 2022 insgesamt Kompensationen für 23 Millionen Tonnen CO₂ verkauft. Interne Berechnungen hätten aber nur ein Potenzial von 15 Millionen Tonnen für die ersten zehn Jahre des Projekts ergeben. CEO Heuberger habe die Warnungen in den Wind geschlagen und wider besseres Wissen weiter aggressiv Zertifikate verkauft. Da die Gesamtlaufzeit des Projekts 30 Jahre beträgt, könnte der Wert von 23 Millionen Tonnen doch noch erreicht werden. Aber das ist hochspekulativ und hängt nicht nur von der Entwicklung des geschützten Waldes ab, sondern auch von jener des ungeschützten Referenzwaldes.
Unternehmen gehen auf Distanz
Inzwischen gehen die Unternehmen auf Distanz. Nestlé will sich zu den gekauften Kariba-Zertifikaten und den Vorwürfen nicht äussern. Ein Sprecher schreibt aber, dass die Umsetzung «unseres Klimaplans nicht vom Einsatz von Offsets abhängt». Swisscom versuche mit eigenen Mitteln, Treibhausgase im Betrieb und in der Lieferkette zu reduzieren und zu beseitigen.
Swisscom arbeitet eng mit South Pole zusammen und unterhält eine Kooperation zur Reduktion von Treibhausgasen. Zudem hat Swisscom in das Unternehmen investiert. Nach eigenen Angaben hat Swisscom insgesamt zwei Millionen Franken in das Unternehmen investiert und hält 0,4 Prozent der Aktien. Swisscom selbst habe nie Zertifikate des Kariba-Projekts gekauft. Man stehe aber mit dem Unternehmen diesbezüglich in Kontakt. Über den Inhalt dieser Gespräche gibt Swisscom keine Auskunft.
Fragen zu möglichen personellen Konsequenzen bei South Pole beantwortete das Klimaunternehmen nicht. Auch Fragen zu möglichen rechtlichen Schritten der Zertifikatekäufer liess South Pole unbeantwortet.