Das ist typisch für strukturellen Sexismus – Meyer rät
Kündigungsgrund: Mutter

In meiner Firma mussten Stellen gestrichen werden. Mir (w, 37) wurde mit dem Argument gekündigt, ich hätte mittlerweile zwei Kinder, da sei eh immer eines krank, und ich würde dann zu viel fehlen.
Publiziert: 27.11.2022 um 13:25 Uhr
Wenn ein Kind krank ist, bleibt die Mutter daheim und kann nicht arbeiten. Das stört die Geschäftsleitung.
Foto: Getty Images
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Das ist ein absurder und widerrechtlicher Kündigungsgrund, gegen den Sie vor Arbeitsgericht vorgehen könnten. Aber damit würden Sie sich monatelangen Stress einhandeln, zumal Sie für die Wiedereinstellung klagen müssten – ein Erfolg, den Sie vermutlich eher ungern erzielen würden.

Was Sie erlebt haben, ist struktureller Sexismus, also eine tief verankerte Geisteshaltung, die Frauen und im Speziellen Mütter geringschätzt und ausgrenzt und vermeintlich logische Argumente dafür ins Feld führt. In Ihrem Fall die durch das zweite Kind doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für Absenzen.

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«Man wirft Ihnen das Muttersein als solches vor.»
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Das Perfide daran ist: Diese Wahrscheinlichkeit ist nun tatsächlich 100 Prozent höher. Doch das wahre Problem ist, dass dies überhaupt als Problem angesehen wird. Ein Kind kann nichts dafür, dass es krank wird, und eine Mutter kann nichts dafür, dass sie dann zu Hause bleiben muss. Ihnen das zum Vorwurf zu machen, ja gar zum hypothetischen Vorwurf, bedeutet, Ihnen das Muttersein als solches vorzuwerfen.

Eine Geschäftsleitung, die sich daran stösst, dass Frauen Kinder haben und sich um diese kümmern müssen, ist eine sexistische Geschäftsleitung. Wie gesagt, gilt das aber nicht nur für Ihren Ex-Arbeitgeber, sondern für praktisch die gesamte Schweizer Wirtschaft, die Frauen beim Einstellungsgespräch nach der Kinderplanung befragt, die viel zu wenig Teilzeitstellen für Mütter schafft, die sich standhaft weigert, Stillpausen in die Arbeitsverträge zu integrieren und keinerlei Verständnis dafür hat, dass ein Kind hin und wieder krank ist.

Und es gilt für eine Politik, die nichts an diesen Missständen ändert, was durch entsprechende Gesetzesänderungen problemlos möglich wäre – zum Beispiel, indem Müttern explizit Kinderkrankheitstage zugestanden werden. Es liegt leider noch sehr viel feministische Arbeit vor uns.

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