Anti-Kunst-Proteste
Wer hats erfunden?

Global sehen wir momentan ein Aufleben der Proteste. Ist die Weise, in der sie geführt werden, neuartig?
Publiziert: 30.10.2022 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2022 um 14:46 Uhr
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Diego Velázquez «Venus vor dem Spiegel», 1647-1651, befand sich in der National Gallery hinter Sicherheitsglas (London).
Foto: De Agostini via Getty Images
Dren Eshrefi

Kartoffelstock gegen ein Gemälde des impressionistischen Malers Claude Monet, Tomatensuppe gegen einen van Gogh in London: Mit ihren Aktionen sorgen Klimaaktivisten weltweit für Aufsehen – und ebenso sehr für Empörung.

Den Verantwortlichen drohen nun Gerichtstermine und Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Immerhin: Nach Angaben der Museen wurden die Gemälde selbst nicht beschädigt, sondern nur die Rahmen. Denn die angegriffenen Werke befanden sich hinter Plexiglas.

Protest gegen Kunst hat Tradition

In jedem Fall stellen sich die Aktivisten mit ihren fragwürdigen Performances in eine lange Reihe des Protests, der sich gegen bildende Kunst richtet. Eine kleine Kulturgeschichte des Bildersturms zeigt: Verglichen mit anderen Meisterwerken blieb Monets «Getreideschober» und van Goghs «Sonnenblumen» vieles erspart.

Zwischen Mai und Juli 1914 gingen Frauenrechtlerinnen in Grossbritannien mit dem Fleischbeil auf insgesamt 15 Kunstwerke los. Die Bilder mussten aufwendig restauriert werden, manche verloren dauerhaft an Wert. Ebenfalls von Dauer waren die darauf folgenden Gesetzesänderungen: 1918 wurde im Vereinigten Königreich zumindest den wohlhabenden Frauen über 30 das Wahlrecht zugesprochen.

Allerdings waren diese britischen Aktivistinnen, die Suffragetten, mit ihrem rabiaten Vorgehen keineswegs die Ersten.

Ursprünge in der Schweiz

Denn erfunden wurde diese Form des Protests – in der Schweiz.

Während der Reformation wurden die Kirchen in Städten wie Zürich, Bern und Basel gestürmt, kostbare Bilder wurden verbrannt, Statuen Heiliger zerschlagen. Der Zürcher Zwinglianismus strahlte bis weit in den Norden aus – und damit auch die Meinung, dass es mit der «Götzenanbetung» ein Ende haben müsse. Schon nach der ersten öffentlichen Predigt von Huldrych Zwingli (1484–1531) kam es «zu spontanen Bildschändungen durch Einzelne oder Gruppen, gefolgt von Anzeige, Anklage und gerichtlicher Untersuchung», wie dem Historischen Lexikon der Schweiz zu entnehmen ist.

Der Druck in den folgenden Monaten wurde dann allerdings so gross, dass die Obrigkeit sich gezwungen sah, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und unter ihrer Aufsicht die Werke «abräumen, zerschlagen, zerkratzen, übertünchen, verbrennen und vergraben» zu lassen. So nahm die Reformation ihren Lauf im europäischen Raum, angetrieben durch den Bildersturm – einer Bewegung, welche die Kunst als Zielscheibe nahm, um gegen Missstände zu protestieren.

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