Zwei Tage für mündliche Matura
Gymnasiast lernt Faust mit KI — und erzielt die Bestnote

Ein Maturand an einem Zürcher Gymnasium setzt an seiner mündlichen Matur auf Künstliche Intelligenz — und schneidet besser ab als alle anderen. Dabei braucht es viel Feingefühl, wenn es mit dem Chat-Bot gelingen soll.
Publiziert: 06.05.2024 um 15:59 Uhr
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Statt neun Bücher für seine mündliche Matura zu lesen, überlässt ein ehemaliger Gymnasiast dies lieber Chat-GPT.
Foto: DUKAS

Minimaler Aufwand für maximalen Ertrag — niemand kennt dieses Prinzip besser als junge Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. Und nicht selten werden sie auch besonders kreativ, um dieses Ziel zu erreichen. So zum Beispiel ein ehemaliger Schüler eines Zürcher Gymnasiums für seine mündliche Maturaprüfung. «Ich habe keines meiner Bücher gelesen. Das hat alles die KI für mich gemacht. Ich habe trotzdem eine Sechs bekommen.»

Wie der junge Mann im Gespräch mit der «NZZ» verrät, habe er zwei Tage Aufwand für seine mündliche Prüfung gehabt. Schnell wird aber klar, dass sich der ehemalige Schüler viele Gedanken über die richtige Nutzung des Tools gemacht hat. Zuerst bezahlt man eine GPT-4-Version des Schreib-Bots, dann lädt man einen PDF-Auszug aus dem Originaltext hinein und gibt dem Bot zu verstehen, dass dieser sich nur auf verlässliche Quellen berufen soll. «Sonst halluziniert er vor sich hin.»

«Die meisten Schüler wissen nicht, wie man lernt»

Für jedes Werk auf der Liste eröffnet er einen eigenen Chat-Bot, in dem er zusammen mit KI die einzelnen Werke erarbeitet. Wichtig dabei zu beachten: «Man muss zuhören im Unterricht und ein Gespür dafür entwickeln, was geprüft werden könnte.» Deshalb muss er Chat-GPT genau sagen, was er von ihm will: Rolle, Kontext, Aufgabe des Chat-Bots, Ziel der Übung und Etappen müssen klar formuliert sein, wie die «NZZ» schreibt.

Ab dann ist es ein Hin und Her mit dem Computer. Details sind dabei gar nicht so wichtig. «Die meisten Schüler wissen nicht, wie man lernt. Sie merken sich viel zu viele Details.» Besonders bei Werken wie zum Beispiel «Faust I», zu welchem der Maturand dann tatsächlich geprüft wurde. Der Gymnasiast empfindet den Dialog mit Chat-GPT deshalb als effizienter. So kommt man schneller zu den wesentlichen Punkten. «Die Lehrer gehen davon aus, dass man für eine gute Note die Bücher gelesen haben muss. Doch dem ist nicht so.»

«Eigentlich ist das beängstigend»

Generell ist diese Art des Lernens gar nicht so neu. Wo früher Zusammenfassungen und «Kindlers Neues Literatur-Lexikon» zum Einsatz gekommen sind, nutzen die heutigen Schülerinnen und Schüler Chat-GPT. Trotzdem muss der ehemalige Gymnasiast eingestehen, dass durch seine Methode etwas Wesentliches fehlt: das Lesen. «Das ist schon ein bisschen beschissen.»

Während es nicht verboten ist, mit Chat-GPT zu lernen, fehlte dem Maturanden am Ende das Erfolgsgefühl. Er fühlte sich bei der Zeugnisübergabe wie ein Hochstapler. Früher war mit einer guten Matura viel Aufwand verbunden, heute sei dem nicht mehr so. Obwohl andere aus seiner Klasse viel mehr gelernt hätten, sei er am Ende doch besser gewesen. «Eigentlich ist das beängstigend.» (mgf)

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