Frontalcrash in Dietikon ZH
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Zürcher Staatsanwaltschaft alarmiert
Fünf Raserunfälle innert 20 Tagen!

Die Zürcher Staatsanwaltschaft geht in die Offensive: In jüngster Zeit habe es eine «bedenkliche Häufung» von Raserdelikten gegeben. Sie nennt die Zahlen rund um die Delikte. Und: Die Lockerung des Raser-Artikels müsse kritisch hinterfragt werden.
Publiziert: 26.11.2021 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2021 um 16:49 Uhr
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Staatsanwalt Michael Huwiler, Leiter Strassenverkehr Zürcher Staatsanwaltschaft: «Grundsätzlich muss man sich fragen, ob es sinnvoll ist, dass Lenker mit wenig oder keiner Fahrpraxis Fahrzeuge mit unbegrenzter PS-Zahl lenken dürfen.»
Foto: Zvg
Nicolas Lurati

Die Zürcher Staatsanwaltschaft ist besorgt. Die Zahl der Raserdelikte hat erschreckend Fahrt aufgenommen.

Konkret: Während des Shutdowns im vergangenen Jahr sei es zu einer «aussergewöhnlichen Häufung» von solchen Delikten gekommen, teilt die Behörde am Freitag mit. Kein Wunder: Die Strassen waren zu der Zeit «verhältnismässig leer». Ideale Bedingungen, um fest aufs Gas zu drücken. Nun gab es in letzter Zeit erneut wieder mehr Fälle.

Zwölf beschädigte Fahrzeuge, fünf verletzte Personen

Die Zahlen sind erschreckend: «Allein innerhalb einer Periode von 20 Tagen kam es im Kanton Zürich im Oktober 2021 zu fünf mutmasslichen Raserunfällen», schreibt die Staatsanwaltschaft weiter. «Dabei wurden insgesamt zwölf Fahrzeuge beschädigt, wovon mehrere total. Fünf Personen wurden verletzt, darunter auch mehrere Unbeteiligte.»

Auch aufs ganze Jahr 2021 betrachtet ist die Zahl hoch. Staatsanwalt Michael Huwiler (52), Leiter Strassenverkehr bei der Zürcher Staatsanwaltschaft, zu Blick: «Stand jetzt sind im laufenden Jahr im Kanton Zürich bei 24 Unfällen Verfahren wegen des Verdachts eines Raserdelikts eröffnet worden. Das heisst: Es gab 2021 alle 14 Tage einen Raserunfall im Kanton Zürich.»

Der finanzielle Gesamtschaden der fünf erwähnten Unfälle im Oktober ist horrend: Er dürfte laut der Staatsanwaltschaft die Millionengrenze bei weitem überschreiten.

Unfalllenker männlich und zwischen 18 und 31 Jahren

Dass auch PS-Monster in diese mutmasslichen Raserunfälle involviert waren, zeigt folgende Aussage der Behörden: «Die fünf unfallverursachenden Fahrzeuge verfügten zwischen 275 und 626 PS (im Durchschnitt knapp 500 PS).»

Und die Staatsanwaltschaft gibt weitere Details zu den Fahrzeugen und deren Lenker preis. Es ergibt sich ein eindeutiges Bild: Die Autos seien mehrheitlich geleast gewesen und die Lenker zwischen 18 und 31 Jahren alt. «Wobei der jüngste Lenker am Unfalltag erst seit zwei Monaten im Besitz des Führerausweises war.» Alle fünf betreffenden Lenker seien Männer, sagt Staatsanwalt Huwiler weiter.

Damit nicht genug: «Bei mehreren der leistungsstarken Fahrzeuge waren die Sicherheitsassistenten deaktiviert, was das Risiko eines Unfalls bei starker Beschleunigung deutlich erhöht», schreibt die Staatsanwaltschaft weiter in ihrem Communiqué.

Bei allen fünf erwähnten Unfällen habe die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen die Unfallverursacher eröffnet und kläre zusammen mit den Fachleuten der Stadt- und der Kantonspolizei Zürich den jeweiligen Unfallhergang. «Die betroffenen Fahrzeuglenker stehen im Verdacht, qualifiziert grobe Verletzungen der Verkehrsregeln und teilweise weitere Delikte begangen zu haben.» Bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss gelte die Unschuldsvermutung.

Raser-Artikel soll entschärft werden

Die Zürcher Staatsanwaltschaft teilt auch mit, dass sie im laufenden Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt rund 150 Verfahren wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln eröffnet habe.

Dass trotz dieser Unfälle auf Bundesebene Bestrebungen zur Lockerung des Raser-Artikels laufen, findet die Staatsanwaltschaft «fragwürdig.» Sie schreibt: «Nach den Vorstellungen des Bundesrats soll künftig bei Raserdelikten unter anderem auf die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr verzichtet und die Mindestdauer des Führerausweisentzugs von 24 auf 12 Monate gesenkt werden. Zudem sollen künftig sogar Geldstrafen ohne Anklagen ans Gericht möglich sein.»

«Falsches Signal an Täter und Opfer»

Die Staatsanwaltschaft hält davon überhaupt nichts. «Angesichts der Schwere und der Häufigkeit von Raserunfällen muss die Lockerung des Raser-Artikels aus Sicht der Zürcher Staatsanwaltschaft kritisch hinterfragt werden», heisst es in der Mitteilung. Huwiler zu Blick: «Uns ist nicht bekannt, worauf sich die auf Bundesebene geplanten Änderungen im Rasergesetz abstützen.»

Und er betont: «Uns sind keine Raserurteile im Kanton Zürich bekannt, bei denen der Beschuldigte aufgrund des bestehenden Rasergesetzes zu hart bestraft werden musste.» Dazu werde ein «falsches Signal an Täter und Opfer von Raserdelikten» gesendet, falls es zu einer Lockerung des Gesetzes kommt. «Grundsätzlich muss man sich fragen, ob es sinnvoll ist, dass Lenker mit wenig oder keiner Fahrpraxis Fahrzeuge mit unbegrenzter PS-Zahl lenken dürfen», so Huwiler.

Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Freiheitsstrafe für Dietikon-Unfallfahrer

Keine neue Idee. Eine Begrenzung wird immer nach schweren Unfällen diskutiert. So zum Beispiel nach dem Horror-Crash von Dietikon ZH. Ardian C. (22) hatte damals die Kontrolle über einen BMW verloren und war in einen anderen Wagen gekracht. Dessen Insassen – eine Mutter mit ihrer vierjährigen Tochter – wurden beim Unfall lebensgefährlich verletzt. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen den Kosovaren Anklage erhoben. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und einen Landesverweis von sieben Jahren.

In einem anderen schrecklichen Zürcher Fall von jungen Männern, die in hochmotorisierten Autos Unfälle bauen, liegt schon seit geraumer Zeit ein Urteil vor: Zwei junge Männer hatten sich im März 2018 in der Stadt Zürich ein Rennen geliefert. Beim Escher-Wyss-Platz knallte es. Der Mercedes und der BMW krachten zusammen.

Wie Erich Wenzinger, Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Zürich, am Freitag zu Blick sagt, sei das Verfahren gegen zwei Personen rechtskräftig abgeschlossen. «Ein Mann wurde mit Urteil vom 11. Dezember 2019 wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln, wegen mehrfacher fahrlässiger Körperverletzung, wegen mehrfachen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs und wegen weiterer Delikte verurteilt.» Ein zweiter Mann sei von der Staatsanwaltschaft mit Strafbefehl vom 16. Oktober 2019 wegen mehrfacher fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher grober Verletzung der Verkehrsregeln bestraft worden.

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