Die Kantonspolizei Zürich liegt bei den Busseneinnahmen im Corona-Jahr 2020 über Budget. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, kassierte sie rund 26 Millionen Franken. Das sind vier Prozent mehr als die erwarteten 25 Millionen – und mehr als im Vorjahr: 2019 nahm die Kantonspolizei Zürich 24,8 Millionen Franken Bussgelder ein. Grund dürften die Autofahrer mit Bleifuss sein. Polizei-Sprecher Stefan Oberlin: «Wir haben im letzten Jahr eine Zunahme bei den Schnellfahrern beobachtet.»
Bussgelder wegen Verkehrsdelikten machen laut Oberlin erfahrungsgemäss einen Grossteil der gesamten Busseneinnahmen aus. Genaue Zahlen dazu gibt es allerdings nicht – wie viele Schnellfahrer die Kantonspolizei 2020 registriert hat, kann Oberlin nicht sagen. Der Grund dafür ist, dass an Ort und Stelle bezahlte Ordnungsbussen quittiert, aber nicht weiter statistisch erfasst werden.
Mehr Fälle bei der Staatsanwaltschaft
Schwere Geschwindigkeitsübertretungen werden von der Staatsanwaltschaft oder vom Statthalteramt abgehandelt. Auch Michael Huwiler, Leiter Strassenverkehr bei der Staatsanwaltschaft, bestätigt die zunehmende Tendenz: «Die Anzahl Raserfälle hat sich im Kanton Zürich während des Shutdowns im Frühling 2020 etwa verdoppelt.»
Einen Einfluss auf diese Entwicklung hätten vermutlich das geringere Verkehrsaufkommen, die eingeschränkten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und das gute Wetter gehabt. Huwiler weist gleichzeitig darauf hin, dass das Thema noch nicht wissenschaftlich untersucht worden sei.
Beispiele in der ganzen Schweiz
Dass die aufgrund der Corona-Massnahmen weniger stark befahrenen Strassen viele Autofahrer zum Gas geben verleiten, sorgte bereits im Frühling für Diskussionen. In der ganzen Schweiz wurden damals auffällig viele Raser aus dem Verkehr gezogen. Einer von ihnen war Camilo P.* (22). Er wurde am 11. April auf der Autobahn A1 in Spreitenbach AG beim Rasen erwischt. Der Kolumbianer sass am Steuer eines VW Beetle 2.0 TSI und hatte 219 km/h auf dem Tacho.
Die Kantonspolizei Zürich erwischte besonders viele Raser auf der 80er-Strecke zwischen Neftenbach und Aesch. Am 19. April wurde dort ein Kosovare (29) mit 168 km/h geblitzt. Am 24. April stoppten die Beamten zwei deutsche Töff-Raser mit 169 bzw. 146 km/h. Einen Tag später hatte ein Schweizer (22) auf der gleichen Strecke 68 km/h zu viel auf dem Tacho. Am 4. Mai blochte ein Slowene (36) mit 152 km/h die Strasse runter.
Autobahn als Rennstrecke missbraucht
In Wiesendangen ZH düste am 8. Mai ein Schweizer (20) in seinem BMW mit 220 km/h über die A7, dicht gefolgt von einem Italiener (24). Das Raser-Rennen in Richtung Konstanz (D) wurde schliesslich von der Kantonspolizei Thurgau gestoppt.
Dass solch verantwortungsloses Handeln auch schlimme Folgen haben kann, machte ein Unfall auf der Autobahn A51 in Wallisellen ZH deutlich. Am 12. April krachte ein Mercedes AMG mit voller Wucht in einen vor ihm fahrenden Peugeot. Ursache für den Crash war ein Raser-Rennen, vermutete die Polizei. Sieben Männer im Alter zwischen 22 und 29 Jahren, sechs Schweizer und ein Kosovare, wurden festgenommen. Die unschuldig getroffenen Insassen des Peugeots wurden zum Glück nur leicht verletzt.
Nicht alle Polizeikorps verzeichnen Mehreinnahmen
Nicht alle Polizeikorps verzeichnen in der Corona-Krise jedoch eine Zunahme bei den eingenommenen Bussgeldern. Im Gegensatz zur Situation bei der Kantonspolizei verzeichnet die Stadtpolizei Zürich Mindereinnahmen.
Sprecherin Judith Hödl: «Gesamthaft wurden mit den Ordnungsbussen fünf bis acht Prozent weniger eingenommen als budgetiert.» Das Minus werde drei bis fünf Millionen ausmachen. Die genaue Auswertung steht noch aus. Die Kantonspolizei Aargau rechnet bei den Ordnungsbussen mit Mindereinnahmen von 10 Prozent. (noo)
* Name geändert