Darum gehts
- Mevlüt Koyuncu hat einen Mietvertrag bis Ende 2025
- Vermieter schickt dubiose Rechnungen und erhöht Miete drastisch
- Obendrauf ist die Heizung seit drei Monaten abgestellt
Das Video ist verstörend: Karim P.*, der Vermieter des Lackierermeisters Mevlüt Koyuncu, betritt unangemeldet dessen Werkstatt in Winterthur-Seen ZH. Ein Streit entbrennt, den der Lackierer auf seinem Handy festhält. Nachdem er vom Vermieter auf Türkisch mit Flüchen eingedeckt worden ist, sagt Koyuncu, der Vermieter soll seine Garage verlassen. Der Vermieter schreit: «Ich gehe nicht raus!» Als ihm Drohung vorgeworfen wird, ruft Karim P.: «Ich bedrohe nicht!» Kurz darauf schlägt er dem Lackierer das Handy aus der Hand. Die Polizei muss kommen.
Wie konnte es so weit kommen? «Ich weiss nicht, ob ich Ende Jahr noch arbeiten kann», klagt Mevlüt Koyuncu (50), als Blick ihn in seiner Lackiererei besucht. Der Türke ist seit 25 Jahren in der Schweiz, hat gemäss eigenen Angaben «noch nicht einmal eine Verkehrsbusse» kassiert. Dem Staat auf der Tasche sitzen will er nicht. Doch jetzt könnte er hier bald keine Arbeit mehr haben.
Alles begann, als das Haus, in dem Koyuncu mit seiner Lackiererei und Carrosserie eingemietet ist, den Besitzer wechselte. Im Herbst 2022 wurden die Mieter der Liegenschaft informiert. Im Frühling 2023 kam der erste Schock.
Plötzlich kommen Monster-Rechnungen
Koyuncu erhielt aus dem Nichts eine Rechnung: «Gas: Energie- und Netznutzung». Kostenpunkt: 3300 Franken. «Wir nutzen gar kein Gas», sagt Koyuncu. Wenig später der nächste Brief: «Stromverbrauch und Netznutzung». 3500 Franken. Immer wieder flattern Zahlungserinnerungen ins Haus.
Doch Koyuncu weiss, dass das nicht stimmen kann. Er zahlt 500 bis 600 Franken im Monat für seinen Strom – direkt an die Stadtwerke. In einem der Briefe des Hausbesitzers steht unverhohlen: «Es steht Ihnen frei, das Mietverhältnis jederzeit mit uns aufzulösen.» Koyuncu denkt nicht daran – sein Mietvertrag, der Blick vorliegt, gilt schliesslich bis mindestens Ende 2025.
Im Herbst 2023 erhält er eine «einseitige Vertragsänderung». Die Miete wird drastisch erhöht und steigt von 3240 Franken auf satte 4356 Franken! «Wir stellen diese zu, weil Sie bereits viele Auseinandersetzungen seit unserer Übernahme der Liegenschaft mit uns hatten», schreibt die Firma des Besitzers in holprigem Deutsch. Begründung: «Steigende Preise für Gas, Strom und allgemein Energie.» Eine detaillierte Auflistung sucht man vergebens. Koyuncu bezahlt seinen ursprünglichen Mietzins weiter.
Dann geht der Kompressor kaputt. Gemäss Mietvertrag von 2017 ist der Vermieter dafür zuständig. Dieser bleibt untätig. Koyuncu kauft für 3500 Franken Ersatz. Es geht noch weiter: «Seit über drei Monaten haben wir keine Heizung mehr.» Der Vermieter hat sie abstellen lassen. Koyuncu kauft sich Gasstrahler und heizt die Werkstatt auf eigene Kosten. Sein Fazit: «Mein Vermieter erhöhte die Miete um über 1000 Franken und stellte die Heizung ab.»
Angriff: Vermieter geht auf Koyuncu los
Zudem beginnt der Vermieter, den Mieter zu gängeln: «Er kündigte meinen Werbe-Parkplatz wegen Eigenbedarf, obwohl es auf dem ganzen Platz viele nicht vermietete Plätze hat!», sagt Koyuncu. Karim P. lädt überdies Gerüstmaterial direkt vor Koyuncus Werkstatt ab und versperrt ihm so den Zugang.
Vor ein paar Wochen eskaliert der Zoff vollends, und es kommt zum Streit, der von Koyuncu gefilmt wird. Blick-Recherchen ergeben: Der Vermieter soll schon 2021 in einem ähnlichen Fall wegen Hausfriedensbruch und Drohung angezeigt worden sein.
Grosse Pläne, keine Umsetzung
Kontaktversuch beim Vermieter: In seinem Büro ist Karim P. nicht anzutreffen. Im Eingangsbereich hängt ein Zeitungsartikel vom Januar 2024. «Aus Büros mach Wohnungen», so der Titel. Darin geht es genau um den Gewerbebau, in dem Koyuncu noch immer Mieter ist. Das Haus sollte es so aber schon lange nicht mehr geben, denn die Renovationsarbeiten für einen von Karim P. geplanten «Superblock» sollten längst laufen.
Auf der Plattform ImmoScout begegnet man einem Inserat: «Nagelstudio, Bäckerei oder Coiffeursalon – Verwirklichen Sie Ihren Traum». Dazu Visualisierungen und eine kühne Behauptung: «Die Bauarbeiten sollten im Sommer 2025 fertiggestellt werden; die Gewerberäume können voraussichtlich im April bezogen werden.» Langsam scheint klar, weshalb Koyuncu hier rausgeekelt werden soll.
Schlichtungsstelle soll Klarheit schaffen
Doch der Lackierer wehrt sich – er hat sich einen Anwalt genommen und zieht seinen Vermieter vor die Schlichtungsbehörde.
Mittlerweile ist Koyuncu der einzige Mieter im Gebäude. Andere Ex-Mieter berichten Blick, dass Karim P. nach seiner Übernahme plötzlich die WCs und die Hausgänge nicht mehr putzen liess und «falsche Stromrechnungen» verschickte. Ein Mieter, der anonym bleiben möchte, schliesst mit den Worten: «Er glaubt, dass der Rechtsstaat für ihn nicht gilt. Ich bin sehr froh, dass wir weg sind.»
Blick-Anfragen werden mit einem Anwaltsschreiben beantwortet. «Diese Vorwürfe sind haltlos und werden von unserem Klienten ausdrücklich bestritten», heisst es darin. Und: «Wir fordern Sie ausdrücklich auf, die Publikation eines entsprechenden Artikels zu unterlassen.»
Ein paar Tage nachdem Blick die Lackiererei besucht hatte, flatterte die Kündigung ins Haus. Begründung: Umbau. Koyuncu muss bis Ende Jahr raus.
* Name geändert