«Suchen händeringend Personal»
Ex-Pflegekräfte sollen für mehr Geld zurück zum Kispi

Mehr Geld und attraktive Arbeitszeiten – das winkt ehemaligen Kispi-Pflegenden, wenn sie sich über einen Personalvermittler anmelden, um im Spital wieder zu arbeiten. Das Kinderspital Zürich greift zu dieser Notlösung, weil das Personal derart knapp ist.
Publiziert: 10.12.2022 um 00:23 Uhr
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Dem Kinderspital in Zürich (Kispi) fehlen Pflegerinnen und Pfleger. Ehemalige Angestellte sollen via Personalvermittler zurückkehren.
Foto: Keystone
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Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Der Pflegenotstand in der Schweiz spitzt sich zu. Um die Personallücke zu schliessen, greift das Kinderspital Zürich (Kispi) zu aussergewöhnlichen Methoden.

Blick-Recherchen zeigen, dass das Kispi ehemaligen Pflegemitarbeitenden Mails schickt, um sie wieder ins Boot zu holen. Die Ex-Angestellten sollen Teil eines externen Pools werden, der «zur Verstärkung der Schichten oder für den Einsatz von ausgefallenem Personal» aufgebaut wird. Das steht in einem Schreiben, das Blick vorliegt. Abgewickelt würde das ganze Prozedere über ein Personalvermittlungsbüro.

RS-Virus und Personalmangel setzen dem Kispi zu

Kispi-CEO Georg Schäppi (55) bestätigt gegenüber Blick: «Wir suchen händeringend Fachpersonal, das uns helfen könnte. Aus diesem Grund arbeiten wir mit Personalvermittlungen.» Denn teilweise können nicht alle Betten belegt werden, weil Pflegefachleute fehlen. Das Hauptziel sei es zudem, die eigenen Mitarbeitenden zu entlasten.

Neben dem akuten Fachkräftemangel, mit dem generell viele Spitäler zu kämpfen haben, sei es im Kispi gerade besonders schwierig, weil vermehrt Angestellte krankheitsbedingt ausfallen und auch das RS-Virus derzeit so akut sei. «Es ist eine Wahnsinnswelle über uns hereingebrochen. Die Situation ist sehr anspruchsvoll», sagt Schäppi.

16 Franken mehr Stundenlohn

Weil sich die Rekrutierung für Festangestellte offenbar schwierig gestaltet, sollen ehemalige Pflegende neu als Springer helfen. Laut Schäppi würden seit Herbst rund ein Dutzend Personen gesucht. «Einige ehemalige Mitarbeitende sind unserem Aufruf gefolgt. Wir sind sehr froh darüber.»

Ehemalige werden mit attraktiven Konditionen gelockt. Die Pflegerinnen und Pfleger dürfen nämlich selbst entscheiden, wann und wie viel sie arbeiten wollen – und ob sie Früh-, Spät- oder Nachtdienste übernehmen möchten. «Wir schreiben benötigte Schichten aus und du entscheidest, wie oft und auf welche Schichten du zu uns kommst», steht im Mail.

Zudem winkt ein sehr attraktiver Stundenlohn. Wer ein Diplom als Pflegefachperson HF oder FH mitbringt, wird mit 53 Franken die Stunde entschädigt. Zum Vergleich: Eine ehemalige Pflegerin mit der gleichen Ausbildung hatte während ihrer Zeit als Festangestellte rund 37 Franken erhalten.

Wer über ein Nachdiplomstudium an der HF in der Notfall-, Intensivpflege oder Anästhesie verfügt, bekommt im externen Pool sogar 60 Franken. Wer bereits länger nicht mehr beim Kispi arbeitet, kann mit fünf bezahlten Arbeitstagen als Einführung rechnen.

«Festanstellung bringt auch Vorteile»

Führt der Lohnunterschied nicht zu Spannungen? Schäppi sagt dazu: «Wir versuchen, es so fair wie möglich zu halten.» Arbeitet jemand beispielsweise in einem Pensum von 60 Prozent, kann sich derjenige über einen anderen Pool für Extra-Schichten eintragen lassen, die mit einem Zuschlag belohnt werden.

Zudem versucht Schäppi, seinen Mitarbeitenden in Gesprächen aufzuzeigen, dass das Geld nicht alles sei. «Eine Festanstellung bringt Vorteile wie Arbeitsplatzsicherheit oder die Integration im Team.» Und er betont: «Die Varianten über Personalvermittlungen sind für uns auch teuer, aber sie sind aus der Not entstanden.» Der Kispi-CEO glaubt nicht, dass jetzt plötzlich Festangestellte ihren Job kündigen würden, um sich dann über ein Personalvermittlungsbüro anstellen zu lassen.

Eltern sollen unterstützen

Obwohl die Personalvermittler-Lösung eine erste Entlastung bringt, bleibt die Lage angespannt. Gerade in einem Kinderspital sind Pflegende sehr gefragt. «Kinder kann man im Gegensatz zu Erwachsenen nicht einfach alleine lassen, sie brauchen viel mehr Betreuung.»

Aus diesem Grund bittet das Kispi auch die Eltern der kleinen Patientinnen und Patienten um Mithilfe. «Wir haben einen Aufruf gestartet, in dem wir erklären, dass wir über so viel Unterstützung wie möglich froh sind.»

Windeln wechseln und vorlesen

Die Eltern sollen dabei aber nicht etwa medizinische Aufgaben übernehmen. Es gehe um alltägliche Dinge wie Windeln wechseln oder ein Buch vorlesen, erklärt Schäppi. Arbeitstätige Eltern müssen sich aber keine Sorgen machen, dass ihr Kind unversorgt bleibt.

«Wenn es den Eltern nicht möglich ist, im Spital zu bleiben, dann kümmern wir uns selbstverständlich in allen Belangen um die Kinder», so Schäppi. Denn glücklicherweise bekomme das Kispi Unterstützung von Freiwilligen. Diese würden dann kostenlos «Grosseltern-Aufgaben» übernehmen.

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