Queerer Levin S. (20) im Tram attackiert und brutal zusammengeschlagen
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Hate Crimes nehmen zu:«Queere Personen sind schnell einmal das Feindbild»

Queerer 20-Jähriger Levin S.* in Tram von 20 Typen attackiert
«Sie nannten mich Schwuchtel, dann schlugen Sie zu»

Am Donnerstagabend wurde Kunststudent Levin S.* aus dem Kanton Aargau in einem Zürcher Tram brutal verprügelt – weil er queer ist. Er hält die «toxische Männlichkeit» von Männern in Gruppen für gefährlich. Doch geschlagen geben will er sich nicht.
Publiziert: 17.05.2021 um 21:37 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2021 um 08:47 Uhr
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Der queere Kunststudent Levin S.* (20) wurde in einem Zürcher Tram der Linie 4 verprügelt.
Foto: Céline Trachsel
Céline Trachsel

Zum Glück ist nichts gebrochen! Doch die dunkel unterlaufenen Augen, das blaue Ohr und der lädierte Rücken schmerzen den Kunststudenten Levin S.* (20) aus dem Kanton Aargau immer noch.

Am Donnerstagabend wurde er von einer Gruppe von rund 15 bis 20 Typen in einem Zürcher Tram brutal attackiert. «Sie schlugen und kickten mich immer noch, als ich bereits am Boden lag! Vor allem sehr gezielt ins Gesicht», erzählt Levin.

Der Übergriff begann am Zürcher Hauptbahnhof. Levin war mit zwei Freunden unterwegs, mit denen er Händchen hielt. «Schon da schrien sie uns nach und betitelten mich als Schwuchtel», erzählt er. Als Levin und seine Kolleginnen am Sihlquai ins Tram einsteigen, denkt er sich nichts mehr dabei.

«Sie sind dem Tram wohl nachgerannt»

Doch eine Station später, beim Museum für Gestaltung, steigt die grosse Gruppe ebenfalls ein. «Sie sind dem Tram wohl nachgerannt», meint Levin, «anders kann ich es mir nicht erklären, dass sie dort zusteigen konnten.»

Dann geht es schnell: Einer fragt den Kunststudenten, was er so blöd gucke. «Und schon kassierte ich die erste Faust.» An den weiteren Verlauf der Prügelattacke kann sich Levin kaum noch erinnern. Die Aggressoren steigen wieder aus dem Tram aus – und Levin wird ins Spital gebracht.

Den Grund für die Attacke glaubt Levin zu kennen: «Ich sehe halt etwas anders aus. Und queere Personen sind schnell einmal das Feindbild für Gruppen, in denen diese toxische Männlichkeit hochstilisiert wird.» Doch er findet: «Keiner hat es verdient, deswegen geschlagen zu werden. Ich bin immer noch hässig – denn ich tue niemandem was, nur weil ich anders lebe oder aussehe.» Er stehe hundertprozentig zu sich und würde sich wegen der Prügelattacke nie verbiegen oder anders aussehen wollen. «Ich bin, wie ich bin», sagt Levin.

«Ihr solltet mehr Schwäche zulassen»

Seinen Angreifern rät er: «Ihr solltet selber mehr Gefühle und Schwäche zulassen und vielleicht eure feminine Seite entdecken.» Für «stark» hält er die Typen sowieso nicht. Im Gegenteil: «Es ist schwach, aus einer Gruppe heraus Einzelne anzugreifen.»

Levin hat seine eigene Strategie gewählt, mit der Situation umzugehen: Er liess sich von einer befreundeten Fotografin mit den Verletzungen ablichten, zeigte dabei auch beide Mittelfinger. «Und ich gebe Interviews. Das hilft, zu zeigen, dass man nicht machtlos ist gegen solche Übergriffe.»

In der Gesellschaft müsse sich aber noch vieles ändern. «Es ist leider schon fast normal oder es wird als Witz abgetan, als Schwuchtel beschimpft zu werden. Doch mit dem Angriff wurde eine weitere Hemmschwelle überschritten. Das darf einfach nicht toleriert und muss im Keim erstickt werden.»

Seit Anfang Jahr zwei Dutzend «Hate Crimes» allein in Zürich

Die Stadtpolizei Zürich vermeldete den Vorfall mit einer Medienmitteilung. Es werden Zeugen gesucht.

Seit Anfang Jahr registrierte die Stadtpolizei rund zwei Dutzend Fälle von sogenannten Hate Crimes, meldet «Tele Züri». Auch Blick berichtet über die Zunahme von tätlichen Übergriffen auf Homosexuelle und andere Angehörige der LGBTQ-Community. Im Februar wurde zum Beispiel Tiktok-Influenzer Vincenzo (16) beim Bahnhof Stadelhofen niedergeschlagen.

Der zunehmende Hass gegen LGBTQ's bekommt auch Pink Cross zu spüren, der Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer. Bei ihm geht pro Woche mindestens eine Meldung ein. Ein Drittel der Anrufer und Anruferinnen haben Gewalt erlebt, erlitten Gehirnerschütterungen, Prellungen, Brüche. Geschäftsleiter Roman Heggli (30) sagte kürzlich zu Blick: «Die Anfeindungen nehmen zu.» Unter anderem, weil sich Transmenschen und Homosexuelle auf der Strasse oder im Netz vermehrt zeigen würden.

*Name der Redaktion bekannt

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