Der «Frühaufsteher-Räuber» verbreitete während Monaten Angst und Schrecken. Seine Masche: Bewaffnet mit einer Pistole, bedrohte der Serientäter das Verkaufspersonal kleiner Lebensmittelgeschäfte und räumte die Kassen aus. Fast immer samstags. Immer am Morgen früh. Und fast immer rund um seine beiden damaligen Wohnorte im Kanton Zürich. Am Mittwoch wird dem Räuber und seiner Ex-Partnerin vom Bezirksgericht Dielsdorf der Prozess gemacht.
Der Staatsanwalt will den angehenden Sozialbetreuer Malik T.* (30) wegen mehrfachen Raubes für sechs Jahre hinter Gittern sehen. Seine frühere Freundin und mutmassliche Helferin soll eine bedingte Haftstrafe kassieren, so der Strafantrag in der Anklageschrift.
«Achtung, Überfall!»
Acht Mal hat T. zwischen Oktober 2018 und März 2019 demnach zugeschlagen, bis er beim neunten Versuch endlich verhaftet wurde. Bonstetten ZH, Oberlunkhofen AG, Wettswil ZH, Oberwil-Lieli AG, Obfelden ZH, Hirzel ZH: Viele Überfälle beging der Räuber rund um seine WG in der Region Affoltern am Albis ZH. Vermummt und mit seiner Softair-Waffe der Marke Colt in der Hand, fuchtelte er vor den Kassierern herum, brüllte «Achtung, Überfall!» und erbeutete meist vierstellige Frankenbeträge aus den Kassen.
Eiskalt: Nachdem er kurz nach 6 Uhr morgens in der Volg-Filiale in Dänikon ZH bereits Kassen und Tresor ausräumen liess, verlangte er von der Verkäuferin mit vorgehaltener Waffe auch noch ein Gipfeli!
Bei einigen Dorfläden hiess es als Reaktion auf die ständigen Überfälle: Man fahre wegen des Frühaufsteher-Räubers die Sicherheit hoch. Das Personal in dessen Jagdgebiet fürchtete sich trotzdem vor den Morgenschichten. «Seit diesen Überfällen geht man jeden Morgen mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit», so ein Volg-Mitarbeiter aus Arni AG damals zu Blick.
Frühaufsteher-Räuber ist eigentlich Freinacht-Räuber
Die Ex-Partnerin des Täters, eine Sozialpädagogin in Ausbildung, fuhr jeweils das Fluchtauto. Und sie bewahrte laut Anklage eine Vase mit 2500 Franken Beute Münzgeld in ihrem Auto auf, was ihr den Vorwurf der Hehlerei einbringt. Strafantrag: zwei Jahre auf Bewährung.
Das Umfeld des Hauptangeklagten ist von der dreisten Vorgehensweise Malik T.s überrascht, der als angehender Sozialbetreuer eigentlich als sensibler Typ bekannt ist. «Ich denke, er hatte bei den falschen Leuten Schulden», sucht ein Familienmitglied nach Erklärungen.
Der Spitzname Frühaufsteher-Räuber sorgt bei der Verwandten auch in den angespannten Tagen vor dem Prozess für ein Schmunzeln. «Ein Frühaufsteher war Malik nie», sagt sie. «Er hat die Nacht vor den Überfällen jeweils durchgemacht. Und sich wohl Mut angetrunken.» Man hofft nun auf eine milde Strafe: «Er hat ja niemanden verletzt!»
Verteidiger Reto Wildeisen schreibt im Namen von Malik T.: «Mein Mandant hatte im Vorfeld der Taten grosse Geldprobleme. Hinzu kamen Alkohol, Drogenkonsum und falsche Freunde. Dies alles soll aber keineswegs als Entschuldigung herhalten.» Und weiter: «Mein Mandant möchte, dass die Betroffenen wissen, dass er seine Schuld als Täter anerkennt und keine Ausflüchte geltend macht. Er hat etwas gemacht, was ihn heute erschauern lässt, was ihn sprachlos macht und für das er sich schämt.»
* Name geändert