Mit schwarzen Masken und grossen Schildern ausgerüstet, stehen am späten Samstagvormittag rund 30 Demonstranten in der Zürcher Innenstadt. Was steckt hinter der ungewöhnlichen Kundgebung? Das wird als aufmerksamer Beobachter schnell klar.
«Stoppt Fukushimas radioaktives Abwasser ins Meer» ist in deutscher, japanischer, koreanischer, chinesischer und englischer Sprache auf den Papptafeln zu lesen. Am weltbekannten zerstörten Atomkraftwerk Fukushima in Japan hatte am Donnerstag die Einleitung von aufbereitetem Kühlwasser, aus dem fast alle radioaktiven Bestandteile bis auf Tritium herausgefiltert wurden, in den Pazifik begonnen. Der Schritt war nötig geworden, weil die Speicherkapazitäten für das Kühlwasser vor Ort nicht mehr ausreichen.
Demonstranten warnen vor «Ökozid»
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) teilte zwar mit, das in den Pazifik eingeleitete Wasser sei unbedenklich, dennoch sind viele Menschen besorgt. Während in China die Menschen beispielsweise panisch die Geschäfte stürmten, um grosse Mengen Salz zu kaufen, nutzten die Demonstranten in Zürich ihr demokratisches Recht auf Protest. Sie warnen vor einem «unwiderruflichen Desaster».
Pfarrer Antonio Lee (47) von der koreanischen katholischen Kirche in der Schweiz, der an der Veranstaltung teilnahm, sagte: «Ich war traurig zu sehen, wie die von Gott geschaffene Welt durch Menschen krank gemacht wurde.» Ursula (68), eine Schweizerin, die an der Kundgebung teilnahm, sagte, «Grundsätzlich ist es 5 vor 12 überall, was die Umwelt angelangt. Wir wissen, dass das Atommüll-Problem eigentlich nie gelöst wurde, jetzt immer die billigste Lösung gesucht wird. Das sollte nicht so weiter gehen.» Sie betonte, dass das Problem der Einleitung von kontaminiertem Wasser aus Fukushima in den Ozean kein Problem ist, das nur Südkorea und Japan betrifft.
«Die japanische Regierung hat, ohne Berücksichtigung, trotz des Neins von Fischern und Bewohnern von Fukushima und trotz Bedenkens, Sorge und Proteste der benachbarten Länder, zum 24.08.2023 Tepco, dem Betreiber der Kernkraftwerkanlagen Fukushimas erlaubt, mehr als 1,3 Millionen Tonnen radioaktiv verseuchtes Abwasser ins Meer abzulassen», heisst es zudem in einer zu der Kundgebung veröffentlichten Medienmitteilung. «Das in Fukushima Daiichi gelagerte Wasser ist radioaktiver Müll in flüssiger Form, das über geschmolzene Brennelemente geflossen ist und nicht zu vergleichen mit Tritium-haltigem Wasser aus AKWs im Normalbetrieb», behaupten die Protestler.
Die Auswirkung von Tritium auf das Ökosystem und die Nahrungskette seien viel zu wenig untersucht, und die wenigen vorhandenen Untersuchungsergebnisse kaum berücksichtigt, heisst es in dem Statement weiter. Die Protestierenden werfen der japanischen Regierung «Ökozid» vor.
Fukushima-Katastrophe 2011
Um Besorgten die Angst zu nehmen, griff Japans Regierung jüngst zu einem kuriosen Mittel: Mit einem Internetvideo wirbt sie offensiv für den Kauf von Fisch aus der Region um das zerstörte Atomkraftwerk Fukushima. «Das schmeckt sehr gut», betont Regierungschef Fumio Kishida (66) in dem am Mittwoch in sozialen Netzwerken veröffentlichten Clip, in dem er gemeinsam mit drei Ministern Fisch, Meeresfrüchte und andere Lebensmittel aus der Gegend um Fukushima verzehrt. Mit Blick in die Kamera fordert Kishida die Zuschauer direkt auf, den «sicheren und leckeren» japanischen Fisch zu essen, um die Region zu unterstützen.
Das AKW Fukushima war 2011 von einem riesigen Tsunami infolge eines schweren Erdbebens getroffen worden, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze.