Es sind grausame Aufnahmen: In einem auf den sozialen Medien veröffentlichten Video ist zu sehen, wie zwei Personen ein junges Kätzchen bis in den Tod quälen. Sie treten auf das Tier ein, bis es stirbt. Dann hält einer der Männer es in die Kamera und wirft die Tierleiche in ein Feld. Die Täter sprechen Serbisch und teils Zürichdeutsch.
Es folgt ein Shitstorm im Netz. Im Visier des Mobs steht der mutmassliche Täter Elfat T.* (16), der sich laut seiner Mutter im Ausland befinden soll. «Solche Leute haben verdient, dass man sie anzündet», schreibt ein User auf Tiktok. Eine andere Userin schreibt: «600 Franken Kopfgeld, let's go».
Ein User stand angeblich sogar schon vor der Tür von Elfat T. und schreibt: «Ich war schon bei ihm, leider war er nicht da». Ein weiterer ist sich trotzdem sicher: «Er wird seine Strafe bekommen – und das nicht vom Staat.»
Gerichte sprechen teils harte Urteile
Die Selbstjustiz nimmt im Netz bedrohliche Ausmasse an. Konsequenzen müssen die Hetzer dennoch befürchten, sagt der auf Recht im digitalen Raum spezialisierte Anwalt Martin Steiger zu Blick. Denn ob nun im realen Leben oder im Internet: Jemanden zu bedrohen, ist strafbar. Das musste vor ein paar Jahren ein Mann erfahren, der auf Facebook zur Gewalt gegen Angestellte der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) aufgerufen hatte. 2017 verurteilte ihn das Bezirksgericht Rheinfelden zu einer unbedingten Haftstrafe von acht Monaten.
2020 verurteilte das Bezirksgericht Lenzburg einen Mann zu neun Monaten Gefängnis, weil er auf Twitter Frauen im Allgemeinen bedroht hatte und dazu das Bild einer bestimmten, aber ihm unbekannten Frau gepostet hatte. Und erst kürzlich verhängte die Bündner Staatsanwaltschaft eine bedingte Geldstrafe von 48’500 Franken gegen einen Twitter-Nutzer wegen Drohung und Beschimpfung.
«Die typische Drohung wird zum Glück meist nicht wahrgemacht. Es genügt aber eine einzige Person, die sich motiviert fühlt und sie ausführt. Man muss Drohungen also zu einem gewissen Grad immer ernst nehmen», sagt Steiger.
Ohne Anzeige läuft nichts
Bei Drohung handelt es sich um ein sogenanntes Antragsdelikt. «Das heisst, die bedrohte Person muss selber aktiv werden. Von alleine unternimmt die Polizei standardmässig nichts», sagt Steiger. «Wie die Drohung gemeint ist, spielt für die Anzeige keine Rolle», so Steiger weiter. Entscheidend sei allein, dass die bedrohte Person die Drohung für schwerwiegend hält und in Angst und Schrecken versetzt wurde.
Wie genau die Polizei vorgeht, um Online-Drohern auf die Schliche zu kommen, wollen verschiedene angefragte Korps nicht sagen – auch, um das Leben den Hetzern das Leben nicht unnötig leicht zu machen.
Werden die Ermittlungen aufgenommen, muss zunächst die Identität der Täter ermittelt werden. Steiger sagt, dies sei in den meisten Fällen einfach, da Drohungen oft mit voller Identität veröffentlicht werden. «Wenn jemand seine Identität hingegen verschleiert, wird es aufwendig», sagt Steiger. Die Sozial-Media-Konzerne sitzen im Ausland. Daten anzufordern, dauert häufig lange. «Allenfalls wird von Anbietern wie Google oder Meta zudem keine Rechtshilfe geleistet. Sie löschen die Inhalte, sind aber zurückhaltend in der Lieferung von Daten», erklärt Steiger.
Hetzern drohen bis zu drei Jahren
Wird der Täter identifiziert, kann sich im Laufe der Ermittlungen zudem herausstellen, dass kein Straftatbestand erfüllt ist. «Aber gerade bei Morddrohungen muss eigentlich eine Strafverfolgung stattfinden», sagt Steiger. Wie hoch diese ausfällt, sei pauschal aber schwer zu sagen. Wiederholte Drohungen können etwa zu einer Strafverschärfung führen. «Auch die Schwere der Drohung muss beachtet werden. Eine Morddrohung ist zum Beispiel gravierender als eine Gewaltdrohung.»
Gemäss Gesetz könnte die Online-Hater eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe drohen. Hinzu kommt ein Eintrag im Strafregister. «Typischerweise erfolgen die Freiheits- oder Geldstrafe aber bedingt, was heisst, dass sie nicht vollzogen werden müssen». Teuer kann es dann trotzdem werden, erklärt Steiger: «Wenn keine Geldstrafe erfolgt, dann gibt es oft eine Verbindungsbusse in Höhe von 3000 bis 4000 Franken. Damit soll die Person einen Denkzettel erhalten. Hinzu kommen Verfahrenskosten und Verteidigungskosten».
Juristische Folgen drohen übrigens auch Tierquälern, wenn die Tat in der Schweiz passiert ist: Wer vorsätzlich ein Tier quält, muss mit einer Freiheitsstrafe von zwischen sechs Monaten und drei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Und im Gegensatz zur Drohung handelt es sich hierbei um ein Offizialdelikt. Das heisst: Polizeibeamte müssen Anhaltspunkten nachgehen – auch ohne Anzeige.
* Name geändert