Es beginnt mit einem Kläffen. Eine Familie zieht 2015 in ein Haus am Zürichsee. Am Anfang scheint alles friedlich. Doch die Nachbarn haben mehrere Hunde. Im Frühjahr 2016 nervt das Gebell die Neuzuzügler derart, dass sie sich mündlich beschweren. Als sich die Situation nicht bessert, werden Briefe ausgetauscht. Der Ton wird immer rauer. Die Forderungen und Bitten betreffen bald nicht nur die Hunde. Plötzlich geht es auch um andere Streitigkeiten, etwa das Stutzen von Hecken und Efeu.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, beschäftigen die beiden Familien seit Jahren Behörden und Gerichte. Auf der einen Seite die Hundebesitzer Meier*, auf der anderen die Neuzuzügler Disler*. Zahlreiche Anklagen und Verfügungen geben Einblick in einen Nachbarschaftsstreit, den die Staatsanwaltschaft als «nicht mehr alltäglich» bezeichnet. Das neuste Kapitel in der Geschichte: Das Bezirksgericht Horgen verurteilt Herrn Meier wegen übler Nachrede. Das Urteil kann er weiterziehen.
Beim Arbeitgeber angeschwärzt
Wie ist es dazu gekommen? Im Oktober 2020 meldet sich Herr Meier über Linkedin bei Dislers Chef, einem Unternehmer aus dem US-Bundesstaat Minnesota, CEO eines internationalen Konzerns mit 47'000 Mitarbeitern. «Ich möchte Sie über ein Reputationsrisiko informieren, das Sie in der Schweiz erleiden könnten», schreibt Meier. «Ihr Mitarbeiter, Herr Disler, fährt mit Ihrem Firmenwagen auf respektlose Weise. Er provoziert seine Nachbarn, indem er absichtlich die Türen zuknallt. Ich nenne ihn einen respektlosen Verkehrsrowdy.»
Wenig später wird Disler entlassen. Ob dies im Zusammenhang mit Meiers Schreiben steht, ist unklar. Disler erstattet Anzeige wegen übler Nachrede. Die Verhandlung muss mehrmals verschoben werden, entweder auf Ersuchen von Herrn Meier, oder weil dieser der Verhandlung unentschuldigt fernbleibt. Am Ende wird der Prozess in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt. Das Gericht erachtet die Vorwürfe in Meiers Nachricht an Dislers Chef als haltlos – es kommt zum Schuldspruch. Doch der Verleumdungsprozess ist nur die Spitze des Eisbergs.
Bundesgericht setzt Verfahren ein Ende
Mit dem Gebell von Meiers Hunden musste sich sogar schon das Bundesgericht befassen. Im Juli 2018 rufen die Dislers wegen Ruhestörung die Polizei. Die Meiers ihrerseits erstatten in der Folge Anzeige, weil Frau Disler die Hunde gereizt und mit dem Handy gefilmt haben soll. Die Staatsanwaltschaft sieht kein strafrechtlich relevantes Verhalten und will der Sache nicht weiter nachgehen. Doch die Meiers rekurrieren bis vor Bundesgericht. Dieses lehnt die Beschwerde ab und setzt dem Verfahren ein Ende.
Die beiden Nachbarsfamilien decken sich im Verlauf der Jahre gegenseitig mit zahlreichen weiteren Anzeigen ein. Häufig werden diese von den Behörden nicht weiterverfolgt. Die Kosten tragen immer wieder die Steuerzahlenden.
Mittelfinger, geschletzte Haustüre
Im Mai 2020 beschuldigt Herr Meier seinen Nachbarn in einer Anzeige, er habe ihm den Mittelfinger gezeigt. Im September 2020 zeigen die Meiers Frau Disler an. Sie soll die Haustüre mehrfach geschletzt haben, die Meiers seien «massiv erschrocken». Die Haustüre sei als «improvisierte Waffe aus dem Hinterhalt» verwendet worden.
Im November 2020 beschuldigt Herr Meier die Dislers, ihr Haus für gewerbliche Zwecke zu nutzen. Im selben Monat zeigt Frau Disler ihre Nachbarin an. Frau Meier habe ihr «Happy Birthday, du Nu**e» gesagt. Im Februar 2021 kommt es im Dorfzentrum zu einem Streit zwischen dem Sohn der Familie Meier und einem Dritten. Die Meiers wittern eine Verschwörung, glauben, dass die Dislers dahinterstecken.
Herr Meier zeigt einen weiteren Nachbarn wegen Ehrverletzung an. Die Staatsanwaltschaft schreibt in diesem Zusammenhang, Meier werde seit Februar 2020 in 17 Verfahren als Beschuldigter, Geschädigter oder als Auskunftsperson aufgeführt. Im November 2022 geht bei der Baukommission eine Anzeige ein. Die Meiers würden eine illegale Hundezucht betreiben, so der Vorwurf. Im Januar 2023 wird Frau Disler angezeigt, weil sie sich auf das Grundstück der Meiers gelehnt haben soll. Sie habe dort mit einer Wäscheklammer die Warnung «Videoüberwachung durch Private» befestigen wollen.
Der Nachbarschaftsstreit droht die Behörden weiterhin auf Trab zu halten. Herr Meier soll auch schon die neue Arbeitgeberin von Herrn Disler kontaktiert haben, heisst es beim Prozess vor dem Bezirksgericht Horgen. «Wir machen uns keine Illusionen, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein», sagt der Richter bei der Urteilsverkündung. (noo)
* Namen geändert