Am Mittwochabend kam es in Wallisellen ZH zwischen dem Deutschen Kevin W.* (†38) und der Polizei zu einem Schusswechsel. W. kam dabei ums Leben. Seine Freundin Maria S.* (†28) riss er ebenfalls in den Tod, indem er sie mit einer Kugel traf. Der Deutsche mit Verbindungen zur Coronaskeptiker-Szene hatte einige Tage zuvor einen national bekannten Corona-Experten entführt und später wieder freigelassen – die Beamten wollten ihn deshalb verhaften.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, wurde der Experte im Internet schon vor dem Vorfall immer wieder beschimpft und bedroht. «Eines kann ich versichern, dieser (...) steht auf der schwarzen Liste ganz oben», schrieb etwa ein User. Und: Wie aktuelle Zahlen des Bundesamts für Polizei (Fedpol) zeigen, haben Beschimpfungen und Drohungen in der Pandemie deutlich zugenommen.
«Gefahr ist real»
Vor Corona, im Jahr 2019, waren erst 246 Meldungen wegen Drohungen eingegangen. Im letzten Jahr waren es bereits 1215 – ein Vielfaches. «Mit der Pandemie scheint die Hemmschwelle für Drohungen und Beschimpfungen gegen exponierte Personen, insbesondere aus der Politik, noch einmal gesunken zu sein», sagt Fedpol-Sprecher Florian Näf gegenüber der Zeitung.
«Im Internet multipliziert und verbreitet sich Hass enorm schnell», sagt er. Die Gefahr, dass sich gewaltbereite Personen inspirieren lassen und zur Tat schreiten, sei real.
Neuer Rekordwert
Vergangene Woche ist die neue Kriminalstatistik des Bundes erschienen. Auch hier zeigt sich eine Zunahme. 1610 Personen wurden im letzten Jahr wegen übler Nachrede angezeigt – zehn Jahre zuvor waren es noch 774 gewesen.
Die Zahl der Beschuldigten wegen Beschimpfung liegt inzwischen bei über 10’000 pro Jahr. Auch Anzeigen wegen «Gewalt und Drohung gegen Beamte» erreichten in der Pandemie einen neuen Rekordwert.
Maske in den Hals stopfen
Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri (61) kennt diese Entwicklung aus eigener Erfahrung. Neben Zustimmung hat er während der Pandemie auch Ablehnung, böse Worte und Drohungen erhalten. «Man wird zum Gesicht, zum Symbol für etwas. Und erhält deshalb bei jeder Äusserung auch Rückmeldungen», sagt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Als er sich beispielsweise für die Maskentragpflicht einsetzte, habe jemand geschrieben, er werde ihm die Maske in den Hals stopfen. Hauri betont, sich dank der Polizei aber immer sicher gefühlt zu haben. Zum aktuellen Fall äussert er sich nicht. Einzig: «Allgemein würde es mich nicht überraschen, wenn es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Hass im Netz und dieser Eskalation in der Realität», sagt er. (bra)
* Namen geändert