Rentner Greif gibt Gas. Dermassen, dass er an einem Tag gleich viermal in eine Radarfalle tappt. «Dabei bin ich kein Raser», wie Elmar Greif (78) aus Au ZH Blick klarmacht.
Er gibt aber zu: «An jenem Samstag im Juni war ich bei allen Terminen leicht verspätet.» Mit Terminen meint Greif das Herumchauffieren von Menschen mit Behinderung. «Ich bin Springer bei Tixi Zürich, dem Behinderten-Fahrdienst.» Ehrenamtlich, betont Rentner Greif. «Mir gehts sehr gut. Ich will jenen Leuten etwas zurückgeben, denen es nicht so gut geht.»
Daher stehe ihm auch das Wohl seiner Gäste an oberster Stelle, so der pensionierte Hotelier. «Es wühlt mich auf, wenn ich daran denke, wie ein Mensch im Rollstuhl schon parat ist und werweisst, ob sein Fahrer nun kommt oder nicht.»
Innert weniger als eineinhalb Minuten zweimal geblitzt
Um dies zu verhindern, ist Chauffeur Greif an besagtem Radar-Samstag mit dem Tixi-Auto flott zu einer Kundin unterwegs. Auf dem Weg zu ihr passierts: Er wird in der Strasse Wolfswinkel in Zürich-Affoltern gleich zweimal geblitzt.
Greif erinnert sich: «Ich verpasste eine Abzweigung. Als ich es merkte, wendete ich», so der gebürtige Vorarlberger. «Erst wegen dieses Manövers wurde es möglich, dass ich innert weniger als eineinhalb Minuten in der gleichen Strasse zweimal vom Radar erfasst wurde: hin und zurück.» Erlaubt sind dort 30 km/h. Beide Male ist Greif schneller unterwegs.
Noch am selben Tag schnappt für Greif die Radarfalle bei einer Tixi-Fahrt zwei weitere Male zu. Reuig sagt er: «Ich hätte mehr auf den Tacho schauen sollen.»
Sein Chef Daniel Stutz (54), Fahrdienst-Leiter bei Tixi Zürich, nimmt derweil Druck von Greif weg. Stutz weiss zwar, dass Mobilität das Wichtigste für die Tixi-Kunden ist. «Es sind Menschen, die dauerhaft immobil sind und sich niemals im normalen ÖV fortbewegen können.» Aber: «Wenn ein Fahrer – aus welchen Gründen auch immer – seine Route nicht schafft, können wir eine Fahrt streichen und sie einem anderen Fahrer geben. So wird der betreffende Chauffeur entlastet.»
«Die Fahrer sind gleichzeitig auch Betreuer»
Stutz betont: «Man darf sich als Fahrer einfach nicht aus der Ruhe bringen lassen.» Ihm sei aber bewusst, dass es für die Tixi-Fahrer eine grosse Herausforderung ist, Menschen mit physischer oder geistiger Beeinträchtigung zu transportieren. «Die Fahrer sind gleichzeitig auch Betreuer.»
Zu Greifs Vorfällen meint Stutz, dass sie «eine unglückliche Verkettung von Umständen» gewesen seien. Der Fahrdienstchef macht klar: «Dass einer unserer Fahrer an einem Tag viermal in die Radarfalle tappt, habe ich in zehn Jahren bei Tixi noch nie erlebt.» Und: «Wir bedauern diesen Vorfall sehr.»
Rentner Greif bedauert es, zu fest aufs Tempo gedrückt zu haben. Mittlerweile beglich er alle vier Bussen. Dreimal 40 Franken und einmal 120 Franken. «Ich weiss, dass ich einen Fehler beging», sagt er. «Aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass mir die Polizei entgegengekommen wäre und Gnade vor Recht hätte walten lassen.»
Doch Marc Surber von der Stadtpolizei Zürich sagt auf Blick-Anfrage, dass auf die Situation, die zur Missachtung der Verkehrsregel geführt habe, keine Rücksicht genommen werden könne. «Der Polizei steht diesbezüglich kein Ermessensspielraum zu», so der Sprecher.
«Rücksichtsloses, ignorantes, egoistisches Arschloch»
Ebenfalls keine Gnade zeigten die Behörden bei einem älteren Vergehen von Greif. Der Rentner erzählt: «Ein Auto drängte mich auf der Autobahn ab. Ich merkte mir das Kontrollschild. Dann schrieb ich einen anonymen Brief.»
In diesem Schreiben greift Greif verbal unter die Gürtellinie: «Sie, oder wer immer Ihr Auto am 14. September gefahren hat, ist ein rücksichtsloses, ignorantes, egoistisches Arschloch. Die Revanche für den mir zugefügten Schaden erfolgt gelegentlich.»
Für die Behörden ist der Fall klar: Drohung! Obwohl er den Brief anonym verfasst hat, macht die Polizei Greif ausfindig. «Sie holten mich um 6.45 Uhr zu Hause ab und durchsuchten mein Büro», erinnert sich der Pensionär. Greif wird verurteilt. «Mir war aber nicht bewusst, dass meine Worte als Drohung taxiert würden», so der 78-Jährige.
Seine Geschichte erzählt Greif dem Blick nun aus folgendem Grund: «Ich nenne meinen Namen und zeige mein Gesicht, weil ich mit dem anonymen Weg bekanntlich schlechte Erfahrung gemacht habe.»