Darum gehts
- Frau sucht Samenspender über App, erlebt Missbrauch und Enttäuschung
- Samenspender zog Spende im letzten Moment zurück
- Stefanie G. gab über 80'000 Franken für Versuche aus, Mutter zu werden
Stefanie G.* (41) trägt ihr Herz auf der Zunge. Alles an ihr wirkt liebevoll: ihr Armband aus kleinen Holzfiguren, ihre sanfte Stimme und zuvorkommenden Gesten. Ihr Leben lang habe sie Mutter werden wollen, sagt sie. Ihrem Wunschbaby hat sie schon einen Namen gegeben: Louie.
«Leider habe ich den richtigen Partner nicht gefunden», erzählt Stefanie G. Die 41-Jährige lebt im Kanton Zürich, arbeitet als Assistentin der Geschäftsleitung eines E-Commerce-Unternehmens. «Also entschied ich mich, es mit einem Samenspender zu versuchen.»
Im Januar 2023 beginnt sie die Therapie für eine künstliche Befruchtung (IVF). Dabei wird ihr Körper mit Hormonen angeregt, Eizellen zu bilden, die dann aus ihrem Unterleib entnommen werden. Aus einem Katalog wählt sie einen Samenspender aus. Mit dessen Spermien werden die entnommenen Eizellen befruchtet. Entsteht daraus ein Embryo, wird dieser wieder in Stefanie G.s Bauch eingepflanzt.
App für Samenspender
In der Schweiz sind Samenspenden nur für Paare erlaubt. Stefanie G. lässt sich also im Ausland behandeln. So wird sie mehrmals schwanger – erlebt Fehlgeburten. «Dieser Prozess ist unglaublich schmerzhaft und ein ständiges emotionales Auf und Ab», erzählt sie. Stefanie G. schwankt zwischen Hoffnung und Enttäuschung – ein Jahr lang. Die Therapie ist teuer, kostet bald über 50'000 Franken.
Trotz ihres stabilen Einkommens kann sie sich die künstliche Befruchtung nicht mehr leisten. «Da erzählte mir eine Freundin von einer App, über die man private Samenspender finden kann», erinnert sich G. Just a Baby heisst die Plattform und ist quasi eine Dating-App für Samenspender. Letzten Sommer lernt sie so Kjeld L.* kennen – einen Spender aus Dänemark.
«Sein Profil schien fast zu perfekt, um wahr zu sein», sagt Stefanie G. Kjeld L. ist Unternehmer. Er gibt sich in seinem App-Profil als grosser Unterstützer von Frauen, die schwanger werden möchten. Geld verlangt Kjeld L. keines. Nur, dass allfällige Reisekosten übernommen werden.
«Fühlte mich unter Zeitdruck»
Sie telefonieren über Videochat, verstehen sich auf Anhieb. Kjeld L. stimmt einer Samenspende zu. Stefanie G. plant, die künstliche Befruchtung ein halbes Jahr später anzusetzen. «So hatte ich Zeit, Geld zu sparen», erklärt sie.
In der Zwischenzeit wollen sie es auf natürliche Weise versuchen. Sie unterschreiben einen Vertrag. Demnach erklären sie sich einverstanden, im Zeitfenster rund um Stefanie G.s Eisprung Sex zu haben, aber nicht ausserhalb. «Ich fühlte mich unter Zeitdruck wegen meines Alters.»
Kurz vor ihrem Eisprung fliegt sie nach Dänemark. Sie ist nervös, zweifelt an ihrer Entscheidung. Noch nie war sie derart intim mit einer fremden Person. «Kjeld L. bot mir einen Drink an, um mich zu beruhigen», erzählt sie. Dann sei er schnell zur Sache gekommen. Sie sei von seiner Grobheit völlig überrumpelt gewesen, erzählt Stefanie G.: «Er hat mich derart gepackt, dass ich nachher blaue Flecken hatte.»
Bissspuren an Beinen und Rücken
Sie dokumentiert ihre Verletzungen und überlegt, zur Polizei zu gehen. Doch sie fürchtet rechtliche Konsequenzen. Im abgeschlossenen Vertrag zur Samenspende hatte sie sich verpflichtet, Kjeld L.s Identität niemandem zu verraten – auch nicht den Behörden.
Bis Ende 2024 treffen sie sich monatlich, wenn Stefanie G. ihren Eisprung hat. «Er begann, mich beim Sex zu beissen», sagt sie, zeigt Fotos von faustgrossen, tiefvioletten Bissspuren an ihrer Hüfte, ihrem Rücken, den Beinen. Stefanie G. beklagt weitere sexuelle Gewalt, verzichtet aus Angst auf eine Anzeige.
Sie habe die Schmerzen weggewischt, ihn nicht als Spender verlieren wollen. Der Kinderwunsch habe überwogen. «Trotz allem war er auch charmant, interessant – ich habe Gefühle entwickelt», sagt sie.
Samenspende zurückgezogen
Kjeld L. sucht zunehmend ihre Nähe. Er habe gesagt, er wolle bei der Geburt des Kindes dabei sein. G. erinnert sich: «Es tat so gut, das zu hören. Ich wusste, dass ich die Schwangerschaft und Geburt sonst ohne Partner durchstehen müsste.»
Anfang dieses Jahres hat Stefanie G. das Geld für die künstliche Befruchtung zusammen. Kjeld L. sollte seine Spende abliefern. Er bestätigt den Plan. Nur Tage später macht Kjeld L. eine Kehrtwende – kurz bevor die Ärzte Stefanie G.s Eizellen entnehmen wollen. «Er rief mich an und sagte, er sei verlobt und wolle nicht mehr mein Spender sein», erzählt G., während sie mit den Tränen kämpft. «Ich habe ihn angefleht. Denn ohne seine Spende wären die Behandlung, die Kosten umsonst gewesen.»
Doch L. bleibt hart. Der Kontakt zwischen den beiden bricht ab. Stefanie G. bleibt mit Schulden und ihrem unerfüllten Kinderwunsch zurück. «Er gab zu verstehen, dass er die Samenspender-App nur nutze, um seine sexuellen Wünsche zu befriedigen.»
Mehrere Opfer?
Stefanie G. wird während des Samenspende-Prozesses von einem Fertilitätscoach beraten. Dieser erzählt Blick von einer weiteren Klientin, die mit Kjeld L. eine ähnliche Geschichte erlebt hat. Auf Anfrage von Blick verzichtet Kjeld L. auf ein Statement. Stattdessen droht er Stefanie G. mit rechtlichen Konsequenzen, sollte sie ihre Aussagen nicht zurückziehen. Mit einem Anwalt versucht er auch, die Berichterstattung unterbinden zu lassen.
Nutzerinnen der App Just a Baby, über die Stefanie G. Kjeld L. kennengelernt hat, warnen in Onlineforen vor «Perverslingen», die sich auf der Plattform tummeln würden. Paul Ryan (46) CEO der App, betont, die Nutzerinnen seien selber verantwortlich, welchen Samenspender sie auswählen und ob sie mit diesem Sex haben wollten.
Stefanie G. hat mittlerweile über 80'000 Franken ausgegeben für den Versuch, Mutter zu werden. Trotz der Erfahrung mit Kjeld L. will sie ihren Kinderwunsch nicht aufgeben. Aber sie will andere Frauen warnen: «Wenn man unbedingt Mutter werden will, ist man extrem verletzlich: Lasst nicht zu, dass euch jemand Gewalt antut.»
* Namen geändert