Im Juni des letzten Jahres durchkämmten Zuger Polizisten die Wohn- und Geschäftsräume eines Deutschen mit Wohnsitz in der Innerschweizer Stadt. Dabei beschlagnahmten sie Laptops, Mobiltelefone, Festplatten sowie Notizen und Halterungen für Munition.
Der Einsatz erfolgte aufgrund eines Hilfeersuchens der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Am selben Tag kam es dann auch in Baden-Württemberg zu einem vergleichbaren Einsatz. Auf Anfrage der «NZZ» wollte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft «aus ermittlungstaktischen Gründen» keine weitere Auskunft erteilen.
«Wie ein Schwerverbrecher» geknebelt
Ein Entscheid des Bundesstrafgerichts in Bellinzona lässt nun die Hintergründe zum Polizeieinsatz in Zug erahnen. So soll der in der Schweiz wohnhafte Deutsche dem sogenannten Reichsbürger-Milieu angehören. Dabei handelt es sich um eine rechtsextreme Bewegung, zu deren Ideologie Antisemitismus und Leugnung des Holocausts gehört. Die Stuttgarter Ermittler stufen den Fall offenbar als schwerwiegend ein – so wird dem Mann vorgeworfen, gegen das deutsche Waffengesetz verstossen zu haben.
Der Deutsche beklagte nach der Hausdurchsuchung, bei der auch zwei Kommissare aus Deutschland dabei waren, die angeblich raue Vorgehensweise der Polizisten. Diese sollen ihn maskiert «wie ein Schwerverbrecher» geknebelt und abgeführt haben. Auch zum Einsatz von Blendgranaten sei es gekommen. Die zwei Töchter des Mannes, beide im schulpflichtigen Alter, hätten die Durchsuchung ausserdem miterleben müssen.
Während die Schweizer Beamten beim Einsatz angeblich hart vorgegangen sind, sollen sie bei der Kooperation mit ihren deutschen Kollegen jetzt umso zögerlicher sein. So werden beschlagnahmte Unterlagen und Vernehmungsprotokolle nicht an die Behörden im Nachbarland weitergegeben.
Schweizer Waffengesetz soll Reichsbürger anlocken
Laut Bundesstrafgericht sei gar nicht klar, ob das mutmassliche Verhalten des Deutschen nach Schweizer Recht strafbar sei. So ist gerade das Schweizer Waffenrecht wesentlich liberaler als dasjenige in Deutschland. Beispielsweise ist der Besitz von mehrschüssigen Kleinkaliberkurzwaffen in Deutschland verboten. In der Schweiz hingegen wird diese Waffenart in der entsprechenden Aufzählung nicht erwähnt.
Nicht zuletzt diese lascheren Vorschriften beim Waffenbesitz sollen ein Grund dafür sein, dass die Schweiz attraktiv für Reichsbürger ist. So reichen die Spuren von Peter Fitzek (57), Mitglied der Reichsbürgerbewegung und selbst ernannter König seines «Königreichs Deutschland», bis in die Ostschweiz.
Ist Ableger in der Schweiz geplant?
Fitzek lud seine Anhänger im letzten Winter zu einem «Seminar für Systemaussteiger» im Toggenburg ein. Im September war dann auch ein Auftritt an der Luzerner Erotikmesse «Wohlfühltage» geplant. Dieser wurde erst abgesagt, als die linke Gruppierung Resolut mit einem offenen Brief an die Messebetreiber eine Kritikwelle auslöste.
Die Schweiz soll dennoch weiterhin beliebt sein bei Reichsbürgern. So berichtet das «St. Galler Tagblatt», dass ein Anhänger von Fitzek ein Hotel in Appenzell Ausserrhoden gekauft hat. Der Zeitung zufolge könnte dort ein Ableger der rechtsextremen Bewegung geplant sein. (obf)