Zerstörung säen statt Zinn giessen, anpöbeln statt anstossen: Die Silvesternacht erinnerte die Bewohnerinnen und Bewohner mehrerer deutscher Grossstädte erneut unsanft an das ungelöste Migrationsproblem, das in ihren «Problemvierteln» lodert. Genau wie bei den sexuellen Übergriffen in Köln 2015 waren es auch bei den Ausschreitungen in Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf vor wenigen Tagen grossmehrheitlich junge Migranten, die ohne jeden Respekt vor Feuerwehrleuten, Nothelferinnen und Polizisten gegen die staatliche Obrigkeit vorgingen.
Das zeigen Videoaufnahmen der Knallkörper-Angriffe – und das zeigen Interviews mit den marodierenden Halbstarken. Im Berliner Stadtteil Neukölln etwa sagte ein junger Mann nach den heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und der angerückten Feuerwehr in die Kameras: «Ich bin Syrer. Das hier ist für mich ein bisschen Heimatgefühl.» Dann lacht er laut, klatscht beim Kollegen ab, schiebt ein lautes «Wallah» nach. «Bei Gott!»
Randalierende Migranten und drucksende «Tagesschau»-Korrespondenten
Die Silvester-Horden in Berlin und anderswo respektieren den Rechtsstaat nicht. Das gälte in der pseudo-gangsterhaften Weltsicht der Chaos-Brüder als Schwäche. Das Maskulinum ist hier übrigens bewusst gewählt. Die Berliner Polizeistatistik zeigt: Von den 103 in der Silvesternacht festgenommenen Vandalen sind 98 männlich.
Paradoxerweise ist es genau dieser Rechtsstaat, der die mehrheitlich immigrierten Vandalen vor jenen Zuständen schützt, die sie einst aus ihrer Heimat vertrieben haben. Ohne staatliches Gewaltmonopol kein Schutz vor Willkür, ohne Schutz vor Willkür keine Investitionen, ohne Investitionen keine Jobs, ohne Jobs keine Perspektive. Was dann bleibt, ist nur banges Hoffen – oder eben die Flucht dahin, wo die Staatsgewalt noch für menschenwürdige Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sorgt.
Weite Teile der deutschen Gesellschaft (und der deutschen Medien) tun sich trotzdem noch immer schwer damit, das Problem beim Namen zu nennen. In der Hauptausgabe der deutschen «Tagesschau» etwa wollte der Berlin-Korrespondent nicht über die Täter der Krawallnacht sprechen und säuselte stattdessen von «gruppendynamischen Prozessen», die mit dem «gesamtgesellschaftlich grossen Druck nach zwei Jahren Pandemie» zusammenhingen.
Härteres Durchgreifen gegen die «totalen Dumpfbacken»
Kann man machen. Nur löst man mit sprachlichen Samthandschuhen keine echten Probleme. Das stellte die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci (47) in einem «Spiegel»-Interview klar, als sie die Täter als «hoffnungslose Abgehängte» und «totale Dumpfbacken» bezeichnete, die sich als «harte Möchtegern-Gangster» gegen die Polizei inszenieren. Balci betont: «Die Mehrheit der Menschen in Neukölln wünscht sich ein härteres Durchgreifen, einen stärkeren Staat.»
Natürlich ist das Problem äusserst vielschichtig. Da ist der zu einfache Zugang zu gefährlichem Feuerwerk. Da ist der Reiz von Selfie-Videos aus den Strassenschlachten, die im Social-Media-Zeitalter rasch mal als Macht-Insignien gelten. Und da ist das ganz grundsätzliche Problem von testosterongesteuerten Gruppendynamiken bei unterbeschäftigten jungen Männern, das der norwegische Politologe Henrik Urdal einst für sämtliche gewaltsamen Konflikte auf Erden verantwortlich gemacht hat.
Jede einzelne dieser Ursachen lässt sich anpacken. Man kann die Strafen verschärfen für jene, die Uniformierte angreifen. Man kann Feuerwerkskörper verbieten. Man kann mehr Ventile für die politische Unzufriedenheit schaffen – etwa durch mehr Mitspracherecht wie bei uns in der Schweiz, wo das Gewaltproblem gegen Beamte zwar ebenfalls existiert, aber nie in jenem Ausmass wie in Deutschland.
«Wallah»-Rufe lösen kein einziges Problem
Was das Problem aber ganz sicher nicht löst, sind linguistische Turnübungen rund um die Benennung der Täterschaft. Deshalb noch einmal: Nach allem, was bislang über die Ausschreitungen in Deutschland bekannt ist, handelt es sich bei einem signifikanten Teil der Täterschaft um junge, männliche Migranten.
Wessen sich diese Menschen – genau wie alle anderen – in unserer kriegerischen, unruhigen Zeit in Europa schleunigst bewusst werden sollten, ist das hier: Wenn sich der demokratische Staat plötzlich vor jenen schützen muss, die er selber vor grösserem Ungemach in Schutz nimmt, dann gefährdet das die Basis unseres Zusammenlebens gewaltig. Dann bleiben zu wenige Ressourcen, um die wirklich grossen Probleme anzupacken. Und die löst man nicht mit Feuerwerk und «Wallah»-Rufen.